Neue Pflanzen für gesunde Ernährung?

Landwirtschaft

Agrar- und Ernährungsforschung rücken zusammen

Am Donnerstag suchte die Diskussionsrundes der BMBF Fachtagung Pflanzenforschung, Ernährung, Gesundheit nach gemeinsamen Lösungen in einer neuen Interaktion von Agrar- und Ernährungsforschung.

Tagung ein Neuanfang
Prof. Dr. Hans-Georg Joost vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) hat konkrete Anforderungen an die Pflanzenzucht. In den Pflanzen soll der Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die als gesund gelten, erhöht werden. Auch Dr. Thomas Kirchberg von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) wünscht sich für seine Kinder Gemüse, dass mehr Geschmack hat und daher auch gerne gegessen wird.
Demgegenüber sind die Agrarier mit ihren neuen Zuchtzielen noch in den herkömmlichen Plänen verfangen, den Ertrag zu erhöhen und Pflanzen fit für die kommenden Herausforderungen des Klimawandels zu machen.
Dabei hat die Tagung vor fünf Jahren bereits einen Vorläufer gehabt, der als Leitprojekt konkrete Ernährungswünsche in umsetzbare Zuchtziele definiert hatte: Napus 2000.
Raps sollte transgen erstellt werden, um ein gesünderes Lebensmittel zu werden. So sollten mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die eine Therapie gegen koronare Herzkreislauferkrankungen sind, in Raps und Lein produziert werden. Beim Protein könnte die biologische Wertigkeit erhöht werden, wenn die phenolische Substanz Sinapin reduziert wird. Durch Ausschalten des entsprechenden Stoffwechsels. Außerdem kann im Raps der Gehalt an Tocopherol, Vitamin E, erhöht werden. Das Projekt hatte bereits alle Rapslinien identifiziert und Strategien erstellt, die Zuchtziele zu erreichen.
Nur in die Praxis umgesetzt wurden die Ergebnisse nicht.
Heute sollen Bioökonomierat und Gesundheitsforschung den Ansatz vor allem bedarfsorientiert, so Dr. Henk van Liempt aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), einen Neustart wagen. Aber, so Dr. Joost, Man sei noch sehr weit davon entfernt, einen Baukasten für die gesunde Ernährung gefunden zu haben, der in der Pflanzenzüchtung umgesetzt werden kann.

Pflanzenzüchtung nur geringer Anteil
Das DiFE hat in diesem Jahr mit einer Tagung in Potsdam aufgezeigt, dass Gesundheit ein sehr komplexer Zusammenhang ist. Die Gene sind „schuld“, der Geschmack und ein adipöses Umfeld. Darauf hat die Pflanzenzüchtung nur eine geringe Wirkung. In Berlin verdeutlichte Dr. Joost externe Parameter: Dass wir keine Hunde essen, ist kulturell bedingt, und unerklärlich bleibt immer noch der weltweite Siegeszug des Fast Food, warum die Menschen biologisch auf so hohe Energiedichten stehen.
Die Brücke zwischen Pflanzenzüchtung und Ernährung muss angesichts der Entwicklungen auf dem Lebensmittelmarkt während der letzten Hundert Jahre immer größer werden. Nach wie vor bilden Mais, Hirse, Reis, Sorghum und Weizen die Hauptbestandteile der Nahrung für die Mehrheit der Menschen. Allerdings hat die Industrie daraus mehr als 170.000 Produkte gemacht, die in den übervollen Regalen der Supermärkte stehen. Was von einem Raps mit doppelt so viel ungesättigten Fettsäuren in einem hoch verarbeiteten Produkt übrig bleibt, das den Kreuzblütler in der Zutatenliste im Mittelfeld führt, muss erst noch belegt werden. Die Ernährungsforschung muss sich heute mit Lebensmitteln auseinander setzen, die mit dem Rohstoff der Bauern nur noch den Ausgangspunkt gemein haben.
Napus ist auch daran gescheitert, weil die Ergebnisse gesellschaftlich unerwünscht waren, so Prof. Dr. Gerhard Rechkemmer vom Max-Rubner-Institut. Gerade der mögliche Einsatz von Gentechnik verdeutlicht die Akzeptanzprobleme bei den Menschen. Ist sie notwendig, wenn die Regale voll und Nährstoffe im Überfluss vorhanden sind? In der Humanmedizin ist die Gentechnik mittlerweile deutlich weniger umstritten. Weil die Menschen einen individuellen Nutzen in ihrer Anwendung erkannt haben. Für Lebensmittel bleibt der Nutzen in den Industrieländern noch im Unklaren.

Ziel gesunde Pflanze
Der Tagungshintergrund stellte die Herausforderungen für die neue Verknüpfung zwischen Agrar- und Ernährungsforschung zusammen. Die wachsende Weltbevölkerung braucht in den nächsten Jahrzehnten 70 Prozent mehr Nahrung, der Klimawandel verknappt die Ressourcen. Außerdem gehen rund 30 Prozent der schon produzierten Nahrungspflanzen nach der Ernte durch Transportschäden und schlechte Lagerung wieder verloren. Zehn Prozent der in Europa gekauften Lebensmittel landen unverbraucht wieder im Müll.
Die Aufgaben der Pflanzenzüchtung sind nach wie vor herausfordernd. Dr. Georg Backhaus vom Julius-Kühn-Institut legte den Fokus auf die gesunde Pflanze. Pflanzenschutz und Pflanzenhygiene würden in der Forschung zu wenig beachtet, weil wir von „Mitteln wegwollen, deren Rückstände wir nicht mehr in der Umwelt haben möchten“. Ein anderer Diskussionsteilnehmer gab zu bedenken, dass die Mittel für die Detektion von gentechnisch veränderten Bestandteilen auch dazu verwendet werden könnten, Mycotoxine in der Ernte zu entdecken. Zusammen mit der Reduzierung allergener Bestandteile hat die Pflanzenzüchtung noch eine Reihe Aufgaben zu bewältigen.
Die Ernte, so ein Fazit der Tagung, der Verbindung zwischen Pflanzenzucht und gesunder Ernährung sollte sich mit kleinen Früchten begnügen.

Lesestoff:
Teil I der Tagung
DiFE-Tagung zum Themenkomplex Übergewicht

Roland Krieg

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