Neue Pflanzenschutzpolitik

Landwirtschaft

Neue Pflanzenschutzpolitik

Mit großer Mehrheit hat das Europaparlament am Dienstag die neue Pflanzenschutzverordnung verabschiedet. Es ist ein zweiteiliges Paket, welches aus einer Verordnung zur Produktion und Zulassung von Pestiziden und einer Richtlinie zu deren nachhaltigen Einsatz besteht. Hintergrund sind die Minimierung von Risiko beim Einsatz der Pflanzenschutzmitteln (PSM), der Schutz der Umwelt und die Förderung der Suche nach Alternativen.

PSM-Verordnung
Für die europäische Berichterstatterin Hiltrud Beyer (Grüne) ist die neue Verordnung „eine Sternstunde für Europa“. Der „Ausstiegsbeschluss“ sei weltweit einmalig und trotzdem gut für die Industrie, denn sie kann neue Produkte entwickeln.
Nach der neuen Verordnung werden toxische PSM und Wirkstoffe verboten, die Krebs erzeugen, das Erbgut verändern oder die Fortpflanzung schädigen. Auch hormonell wirksame Stoffe werden verboten. Für Stoffe, die das Immun- oder Nervensystem schädigen werden strengere Sicherheitsprüfungen erlassen.
Um Doppelarbeit bei der Genehmigung und Zulassung zu vermeiden genügt innerhalb der EU die erteilte Zulassung in einem klimatisch vergleichbaren Land. Die EU wird demnach in drei Anerkennungszonen eingeteilt.
Die Verordnung hat sich auch um den Bienenschutz gekümmert. In Zukunft muss sicher gestellt sein, dass Wirkstoffe keine inakzeptablen akuten oder chronischen Effekte auf Bienen haben dürfen.

Richtlinie zum nachhaltigen Einsatz
„Mit der jetzt vorliegenden Richtlinie über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln machen wir einen großen Schritt zu mehr Gemeinsamkeit im europäischen Umwelt- und Verbraucherschutz. Nachhaltigkeit als Leitbild unserer europäischen Landwirtschaft garantiert gesunde Lebensmittel und gesunde Umwelt“, kommentiert die Berichterstatterin für die Richtlinie Christa Klaß (CDU).
Die Richtlinie sieht vor, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten Pläne erarbeiten müssen, die PSM-Mengen und deren negative Auswirkungen zu verringern. Darin enthalten soll auch ein Plan sein, der Alternativen in der Schädlingsbekämpfung festlegt.
Sprühen aus der Luft wird nach der neuen Richtlinie generell verboten, um eine ungewollte Abdrift zu vermindern.
In der Nähe von Spielplätzen und Parks sowie Natura-2000-Schutzgebiete darf nicht oder nur minimal gespritzt werden. Zum Schutz der aquatischen Umwelt und den Trinkwasservorräten müssen Pufferzonen angelegt oder Hecken gepflanzt werden. In Trinkwassereinzugsgebieten dürfen PSM nicht mehr verwendet werden.
Die Anwender von PSM müssen jetzt einen Befähigungsnachweis ablegen und die Geräte alle drei Jahre überprüfen lassen. In Deutschland macht das der TÜV. Vergleichbares wird auch in den Ländern eingeführt, wo es solche Einrichtungen nicht gibt.

Reaktionen
Die neue Verordnung muss offiziell vom europäischen Rat angenommen werden und tritt noch in diesem Jahr in Kraft. Von einem Verbot sind 22 Substanzen betroffen, von denen zwei bereits in diesem Jahr aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Bei den anderen muss das Auslaufen der Genehmigung abgewartet werden, was bis 2018 dauern kann.
Der Industrieverband Agrar (IVA) zeigt sich enttäuscht. „Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist die Abkehr von einer wissenschaftlich fundierten Entscheidungsfindung eingeläutet worden“, klagte Hauptgeschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler. Er kritisierte die Vorstellung, dass erst die neue Verordnung Verbraucher schützen würde. Erbgutverändernde Mittel seien auch bisher nicht zugelassen.
Koch-Achelpöhler fürchtet, dass in absehbarer Zeit eine „schmerzhafte Lücke im Pflanzenschutz“ entstehe – auch wenn die EU von den Extremforderungen aus der Anfangszeit der Diskussion abgesehen hat. So war beispielsweise ein „Pestizidpass“ für Waren im Gespräch. Mehr Akzeptanz findet beim IVA die Anwendungsrichtlinie: „Sie lässt Raum dafür, dass in den nationalen Aktionsplänen zu ihrer Umsetzung jeder Mitgliedsstaat die angemessenen Wege zu einer Minimierung möglicher Risiken finden kann.“
Verbesserungen gegenüber den ersten Ideen sieht auch der Deutsche Bauernverband (DBV). Er fürchtet aber, dass die neue Richtlinie den Bauern einiges abverlangen werde. Die tatsächlichen Auswirkungen der Verbote und Einschränkungen werde erst in einigen Jahren sichtbar. Ausdrücklich begrüßt der DBV das zonale Zulassungsmodell, weil der Berufstand solche Harmonisierungen seit langem fordert. Bislang durfte beispielsweise ein Bauer am Niederrhein ein Mittel nicht einsetzen, das ein paar Kilometer weiter der niederländische Berufskollege einsetzen darf.
Sehr zufrieden zeigt sich Nordrhein-Westfalens Agrarminister Eckhard Uhlenberg: „Das europäische Parlament hat die Unverzichtbarkeit eines modernen und umweltbewussten Pflanzenschutzes bestätigt und mit einem hohen Schutzniveau für die Verbraucher verknüpft.“ Besonders begrüßt der Minister die deutliche Zulassungssituation für kleinere Kulturen wie Obst und Gemüse.

roRo

Zurück