Neue Rapssorte aus der Garage?

Landwirtschaft

Züchten Hobbybiologen mit CRISPR/CAS9 neue Pflanzen?

Der Raps leuchtet nicht  nur im Frühjahr schön gelb auf den Feldern und bietet den Bienen Nektar satt. Neben Speiseöl und Biodiesel landet ein Teil der Ernte als wichtiges Futtermittel im Trog. Kohlhernie, Rapserdfloh und andere Krankheiten erzwingen nicht nur den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Erreger werden im Laufe der Zeit auch resistent gegen Wirkstoffklassen. Ähnlich wie bei übermäßigem Einsatz von Antibiotika setzt jeder Mitteleinsatz den Erreger unter Druck, sich zu verändern, bis einer seiner Nachfolger resistent geworden ist.

Den Landwirten gehen langsam die Mittel aus. Neuzüchtungen toleranter Pflanzen brauchen eine lange Zeit, der Einsatz der Gentechnik findet derzeit keine Zustimmung in Deutschland.  Da kommt mit CRISPR/CAS9 ein neues Werkzeug gerade richtig und verspricht Lösungen, die bisher kaum möglich schienen. Mit punktgenauen Mutationen, kann die DNS von Pflanze und Tier so exakt verändert werden, dass Wunderpflanzen entstehen und Menschen endlich gegen Erbkrankheiten gezielt geheilt werden können. „Die nächsten Medizinnobelpreise scheinen bereits vergeben“, sagte Dr. Arnold Sauter vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) [1]. Am Donnerstag diskutierte der Forschungsausschuss das Thema.

Gentechnik aus dem Hinterhof?

CRISPR/CAS9 gilt als einfaches Werkzeug, mit dem ohne teure Labore in der Züchtung von Tieren und Pflanzen mitgearbeitet werden kann und selbst medizinische Lösungen, wie die Überwindung des Antibiotikaengpasses, nur noch eine Frage der Zeit ist. Bald könnte ein Hobby-Biologe den genetischen Durchbruch geschafft haben und mit einem Startup nach wenigen Wochen Milliardär sein. Oder das Gegenteil ist der Fall: In einer Dachkammer entsteht ein Supervirus für das Militär und entweicht zwischen den Wäscheleinen in die Außenwelt.

Der TAB-Bericht widmete sich der in wenigen Jahren entstandenen „Do it Yourself“-Biologie (DIY), die als Bürgerwissenschaft den Skeptizismus gegen Behörden und Industrie hegt und die ihre Treffen als „Hackathon“ bezeichnet. Einer dieser „ungezügelten Wilden“ berichtete aus der Branche. Rüdiger Trojok besetzt den Begriff Bio-Hacker positiv mit der Übersetzung einer spielerisch, innovativen Lösungssuche außerhalb von professoralen Zwängen der Systemforschung. Weltweit wirken Biowissenschaftler neben Künstlern, Chemikern und Technikern und übertragen die „Open Source“-Bewegung von Linux und CERN in die Biochemie. „Der bisherige Ansatz der Industrie mit Patenten reicht offenbar nicht aus“, kritisierte Trojok die Entwicklungslücke beispielsweise in der Antibiotika-Forschung, die seit den 1960er Jahren keine neuen gram-negative Bakterien mehr hervorgebracht hat.

Nicht, dass die Industrie es nicht jahrzehntelang hätte, ergänzte die österreichische Wissenschaftlerin Dr. Ursula Theuretzbacher vom Center for Anti-Infective Agents (CEFAIA). Die vielen Versuche sind am Bakterium selbst gescheitert. Selbst synthetische Stoffe der Gentechnik aus den 1990er Jahren konnten die komplexe Zellwand nicht überwinden oder wurden schnell wieder heraus gepumpt. Falls eine Substanz es schaffte, tötete sie gesundes menschliches Gewebe ab. Mit dem Einstellen der Arbeit in der Industrie, sei auch eine Generation an Chemikern verloren gegangen. Die neuen Züchtungstechniken könnten sich bei der Phagentherapie bezahlt machen. Dabei werden Viren gezielt gegen Bakterien eingesetzt [2]. Was bei Wundpflastern bereits gute Wirkung zeigt, bleibt bei komplexen Abläufen wie einer Blutvergiftung derzeit wirkungslos.

Kein rechtsfreier Raum

Doch ob ein DIY-Biologe wirklich einen Volltreffer für die Medizin oder Landwirtschaft landen kann, bleibt ungewiss. Diese Gruppen werden zwar einen wichtigen Beitrag liefern, aber wohl in den nächsten 20 Jahren keine neuen Antibiotika oder Therapieansätze hervorbringen, prognostiziert Theuretzbacher. Zudem habe sich der Hackathon 2015 in Helsinki auch überwiegend mit der Erstellung eigener Gerätschaften beschäftigt, räumt Trojok ein. Die DIY-Gruppen haben zu Beginn den ethischen Dialog in den Vordergrund gestellt, finden aber auch dort keine neuen Ansätze. Was die Amerikaner pragmatisch angehen, sorgt bei Europäern für Zurückhaltung und asiatische Gruppen hinterfragen die Tätigkeiten kaum, sagte Trojok. Immerhin haben sie einen „Code of Conduct“ formuliert und machen sich nicht weniger oder mehr Gedanken als die etablierten Fürsorgeträger.

Die synthetische Biologie berührt neben dem eigentlichen Gentechnikgesetz zahlreiche weitere Gesetze, wie den Natur- und Umweltschutz, das Lebensmittelrecht, die Biostoffverordnung und das Chemikalienrecht. Auch das Kriegswaffenkontrollgesetz muss beachtet werden, seit dem CRISPR/CAS9 bei den Geheimdiensten auf die Liste der Massenvernichtungswaffen gesetzt wurden [3]. Nach Prof. Dr. Detlev Bartsch vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist die Risikovorsorge für die neuen Techniken weitestgehend vorhanden. Wenn auch das Endprodukt mit einer natürlichen Punktmutation nicht unter das Gentechnikgesetz falle, könne es dennoch für eines der Zwischenprodukte  gelten. Die Labore sind in verschiedene Sicherheitsstufen eingeteilt, die zunehmend immer luftdichter und abgeschlossener werden. Die Einhaltung dieser Vorschriften sei auch zwingend für die DIY-Biologen vorgeschrieben. Kriminelle Absichten seien auch im abgeschlossenen Forschungskreislauf nicht auszuschließen.

Anthrax per Post?

Die Genforschungsfirmen haben sich bereits gegen die „Jungen Wilden der Biologie“ abgesichert. Thermo Fischer Scientific stellt Gensynthesen her, wie andere Unternehmen auch. Mitarbeiter Dr. Michael Liss beschrieb, dass die Firmen eine internationale Datenbank für Gensynthesen zusammengestellt haben. Darin sind alle Sequenzen nach ihrer „Gefährlichkeit“ klassifiziert. Wer mit Sequenzen arbeiten will, der bestellt sie in der Regel nicht als Einzelperson, sondern über eine Universität oder Organisation bei diesen Firmen. Jede Anfrage werde dann zweimal geprüft: Auf Gefährlichkeit der bestellten Sequenz und Plausibilität des Kunden. Negativtreffer lösten manuelle Nachfragen aus. Auffälligkeiten würden an die Mitbewerber und Behörden weiter gegeben, erklärte Dr. Liss.

Noch besser sei es, wenn die Gerätschaften zur Gensynthese nummeriert würden und eine automatische Aufzeichnung mitlaufe, forderte Christof Potthoff vom Gen-ethischen Netzwerk in Berlin. Dann wüssten jederzeit alle, wer gerade an welchem Projekt arbeite. Er verstehe zudem die Bürgerwissenschaft eher als Aufgabe, die Aussagen von Industrie und Politik zu kontrollieren. Die DIY-Biologen überprüften, ob Ware wirklich gentechnikfrei sei.

Doch da irrt er. Trojok als Vertreter der jungen Wissenschaftsgeneration gibt an, er sehe keinen Dissenz zwischen molekularer Biologie und ökologischem Bewusstsein. Diese Ansicht wird auch in Biokreisen vertreten, weswegen die Branche für Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL), öffentlich einen Maulkorb forderte [4].

Paradigmenwechsel

Auch das ist eine Möglichkeit, in der Nische zu bleiben. CRISPR/CAS9 weist nach dem Technikphilosophen Prof. Dr. Alfred Nordmann auf einen Paradigmenwechsel hin. Bisher fragt sich der Mensch, was er aus der Natur lernen kann. Saubere Autos mit dem Lotuseffekt beispielsweise. Jetzt aber fragt der Mensch, was die Natur von den Ingenieuren lernen kann, wenn sie Pflanzen frosthärter machen wollen. Hier gehe es um eine neue Sozialutopie und die Umkehrung des Wissenschaftsverständnisses. Das Erlernen der Grundlagen und dann die Bildung neuer Kausalketten werde technologisch ersetzt: „Was ich bauen kann, habe ich bereits verstanden!“ Bisher fehlte es der Wissenschaft an sozialer Robustheit, sagte Dr. Nordmann; die DIY-Biologen fangen von unten mit der sozialen Akzeptanz an.

Trojok will sich von den Schreckensszenarien der ersten Gentechnikdiskussionen unterscheiden und mit Positivbeispielen das Positive der modernen Technik in den Vordergrund stellen. Dahinter steht die alte Skepsis gegenüber geschlossenen Systemen wie beispielsweise die neue Fusion von Bayer und Monsanto und die Verstrickung der Behörden in Geschäftsmodelle, die Landwirte abhängig machen. Gerade die Entwicklungsländer wären in der Lage mit limitierten Ressourcen, die Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Er könnte sich die Einführung eines CRISP/CAS9-Führerscheins vorstellen.

Und die „Etablierten“, wie Dr. Bartsch, müssen sich fragen, warum sie dem offenen Modell misstrauen und die Kontrolle behalten wollen, den Agrarchemie- und Saatgutfirmen aber offenbar unternehmerische Freiheiten zugestehen. So macht auch Dr. Liss die fatale Aussage: „Was im legalen Raum passiert, sollte kontrolliert werden.“ Aber eben auch Alles. Das ist die demokratische Komponente des Werkzeugs CRISP/CAS9.

Lesestoff:

[1] Als Hauptautor hat er zu Jahresbeginn den TAB-Bericht „Synthetische Biologie – die nächste Stufe der Bio- und Gentechnologie“ herausgegeben

[2] s. beispielsweise: Leibniz-Institut DMSZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig https://www.dsmz.de

[3] CRISPR – a weapon of mass destruction? https://www.sciencemag.org/news/sifter/crispr-weapon-mass-destruction Die Aufnahme soll mit dem Geld zusammenhängen, dass Forscher bekommen, wenn sie an Projekten auf der Liste arbeiten.

[4] Crispr/CAS9 wird für die Ökobranche zur Belastung

Ab wann ist es Gentechnik?

Eine nationale Züchtungsstrategie Pflanze für Deutschland

Roland Krieg

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