Neue Studie gegen Glyphosat
Landwirtschaft
Studie aus Argentinien korreliert Glyphosat mit Fehlbildungen
Prof. Dr. Andrés Carrasco stellte in Berlin am Montagvormittag seine Studie über Glyphosat vor. Hintergrund ist die Vorlage der Online-Petition des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) vor dem Bundestagsausschuss am Nachmittag.
Glyphosat ist der Wirkstoff bei Round-up
Der Direktor des Molekular-Embryologischen Labors der
Universität Buenos Aires hat den Herbizid-Wirkstoff Glyphosat an Embryonen von
Fröschen und Hühnern getestet. Glyphosat wird im Spritzmittel Round-up
verwendet. Dieses Mittel wird als Totalherbizid beim Anbau von gentechnisch
veränderten Pflanzen eingesetzt, die gegen Round-up resistent sind.
Bei seinen Forschungen fand Dr. Carrasco Missbildungen
und Fehlentwicklungen bei den Embryos vom Kopf bis zum Steißbein. Round-up
wurde dabei entweder der Nährlösung für den Embryo zugesetzt oder in die Zelle
injiziert.
Die Grundlagenstudie von Dr. Carrasco zeigt erstmals wie
Glyphosat wirkt. Es blockiert am Ende die Retinolsäure, einem Derivat des
Vitamin A, die für die Exprimierung von Genen bei der embryonalen Entwicklung
wichtig ist.
„Es ist keine sichere Chemikalie“
Auf den Feldern wird Glyphosat in einer Dosis von 480
Gramm je Liter ausgesprüht. Arbeiter nehmen das Mittel über die Atemwege ein
und können es so an die Blutbahn weitergeben. Dr. Carrasco hat mit einer
weitaus geringeren Dosis gearbeitet. In der Nährlösung wurde nur ein Fünftausendstel
der Wirkmenge verabreicht, für die Injektion 200 bis 300 Pikogramm. Nach Dr.
Carrasco ging bei weiterer Verringerung der Dosis die Sterblichkeit zurück,
aber die Missbildungen blieben. Dr. Carrasco kommt zu dem Schluss: „Glyphosat
ist keine sichere Chemikalie!“
Aquatische Organismen reagieren sensibler auf Glyphosat
und Studien mit Auswirkungen auf den menschlichen Körper gibt es nicht, räumt
der Molekularbiologe ein. Trotzdem hält der Wissenschaftler an seiner Aussage
fest. In argentinischen Regionen mit hohem Einsatz verschiedener
Agrochemikalien treten Fehlbildungen dreimal und Missbildungen viermal häufiger
auf.
Glyphosat in der Politik
Der Wirkstoff ist schon mehrfach im Bundestag
thematisiert worden. Ulrike Höfken (Grüne) widersprach 2008 dem Argument, dass
gentechnisch veränderte Pflanzen Pflanzenschutzmittel einsparen: „Stattdessen
wird die Resistenz gegen Herbizide gesteigert, ergibt eine neue Studie des
Bundesamtes für Naturschutz.“ Es gebe vermehrt Unkräuter, die gegen Glyphosat
resistent sind.
Ein Jahr später nannte die agrarpolitische Sprecherin
der Linken, Dr. Kirsten Tackmann, es einen Skandal, dass bei der „Risikobewertung
von Genmais“ nicht auch die verwendeten Herbizide und deren Wirkung mit
untersucht werden.
Aktuell ist der Wirkstoff Gegenstand einer Anfrage der
Grünen an die Bundesregierung, Glyphosat neu zu bewerten.
Dabei ist der Wirkstoff nicht auf Round-up beschränkt. Er
wird auch nicht nur im Zusammenhang mit der grünen Gentechnik verwendet. Eine
Vielzahl von Herbiziden beinhaltet den Wirkstoff, die in der Forstwirtschaft, in
Kleingarten oder am Bahndamm eingesetzt werden. Dr. Steffi Ober, Referentin für
Gentechnik im Naturschutzbund Deutschland, schätzt die in Deutschland
aufgewandte Menge zwischen 4.000 und 7.000 Tonnen.
Steht dann die Verbindung zur emotional geführten
Gentechnikdebatte nicht der eigentlichen chemischen Risikobewertung von
Glyphosat im Weg? Darauf angesprochen sagt Dr. Felix Prinz zu Löwenstein,
Vorstandsvorsitzender des BÖLW zu Herd-und-Hof.de, dass durch die gefundenen
Rückstände von Glyphosat und seinem länger lebenden Derivat AMPA im Grundwasser
das Thema auch in Deutschland aktuell ist. So wurde vor kurzem in einem See im
Brandenburgischen Maisfeld ein Wert von Glyphosat gefunden, der den Grenzwert
um das 220fache übersteigt.
Im Gesamtkomplex erfordere die europäische Tierproduktion
aber eben auch den Anbau von Soja für Futtermittel in Südamerika. Und da wird
vermehrt gentechnisch verändertes Soja angebaut, auf das zu 80 Prozent Round-up
ausgebracht wird.
Dr. Carrasco bestätigt das exponentielle Wachstum der
Ausbringmenge. Früher wurden vier Liter je Hektar Herbizide ausgebracht – heute
liegen die Aufwandmengen zwischen 12 und 14 Liter je Hektar. In Argentinien
wird insgesamt 200 Millionen Liter Round-up gespritzt. Hinzu kommen weitere 100
Millionen Liter anderer Pflanzenschutzmittel.
Dr. Carrasco sieht den Fehler im System. Die argentinische
Landwirtschafts ist auf Export ausgerichtet. Der Staat erhebt einen Ausfuhrzoll
von 35 Prozent auf Soja und hat im letzten Jahr rund sieben Milliarden
US-Dollar daran verdient. Weil Soja als Eiweißfuttermittel im Sog der
wachsenden Fleischnachfrage wichtiger wird, will der Staat seine
Sojaanbaufläche um 25 Prozent ausweiten. Die Produktion soll um die Hälfte auf
150 Millionen Tonnen steigen. Glyphosat-kritische Studien sind äußerst „wirtschaftssensibel“,
erläutert Dr. Carrasco.
Lesestoff:
China hat einen steigenden Einfuhrbedarf an Soja und
verfolgt nach Analyse des US Grains Council keine Selbstversorgungspolitik
BÖLW-Petition vor dem Ausschuss (Teil II)
Überprüfung der Zulassung (Teil III)
Roland Krieg