Neuer Dachverband für ökologischen Landbau?
Landwirtschaft
„Initiative Deutscher Bundesverband Ökologischer Landbau“
>Am 16. Februar gründeten sieben Mitglieder die „Initiative Deutscher Bundesverband ökologischer Landbau“. Am Donnerstag nahmen die Gründungsmitglieder Carsten Niemann, Eberhard Weißkopf und Dr. Joachim Gawlik die Gelegenheit wahr und hielten die erste Pressekonferenz auf der BioFach ab. Dem Sitz des Vereins geschuldet, erklärte sich die Initiative am Stand von Sachsen-Anhalt.Die Erzeugersicht wird vermisst
Bio feiert sich auf der BioFach selbst. Trotz aller widrigen wirtschaftlichen Umstände hat die Branche erneut ein zweistelliges Umsatzplus auf der Verbraucherstufe erzielt. Mehr Ökoprodukte werden nachgefragt als in deutschen Landen hergestellt. Rund ein Drittel der Ökowaren sind importiert und die Konsumenten haben die Wahl zwischen verschiedenen Anbaustandards, deren Unterschiede die wenigsten bezeichnen können. Wird bei allem Boom die Erzeugersicht vergessen?
Was ist mit dem Biolandbetrieb, dem das Futter ausgeht, während sein Nachbar, ein Betrieb von Naturland, noch Getreide abgeben könnte? Kann er noch sein Bioland-Zeichen tragen, muss er erst das Naturlandfutter neu zertifizieren lassen – und natürlich auch umgekehrt? Was bei konventionellen Betrieben unkompliziert über den Misthaufen hinweg ausgeglichen wird, scheint in der Biobranche ein Problem zu sein. Dr. Gawlik nannte dieses Alltagsbeispiel als eines, dass Erzeuger und Händler quält. Händler wollen eine hohe Verfügbarkeit von definierter Verbandsware haben, müssen jedoch bei Mangel „Rezertifizierungsaktionen“ durchführen, was Carsten Niemann als „Armutszeugnis der deutschen Verbandslandschaft“ bezeichnet.
Sieben Gründungsmitgliedern, drei Bauern von Naturland, drei von Biopark und einer von Bioland, alle aus den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern haben reagiert und wollen auf Grund ihrer Unzufriedenheit mit der Initiative „Druck auf den Kessel“ bringen, so Gawlik. Die Verbände sollen untereinander über diese Probleme reden, ihre Zersplitterung aufheben und die Kräfte bündeln. Die Vereinfachung lockt mit weniger Bürokratie.
Mit heißer Nadel gestrickt
Die Bauern haben im Vorfeld mit einzelnen Verbänden geredet, aber nicht so ganz genau beschrieben, was sie vorhaben. Auf Nachfrage von Herd-und-Hof.de sagte nachmittags beispielsweise Felix Prinz zu Löwenstein vom BÖLW, er wisse nicht genau um was es bei der Initiative gehe, es wurde im Vorfeld ein Geheimnis darum gemacht. Er sieht der Gründiung gelassen entgegen.
So dient den Initiatoren die BioFach und die Zeit danach als Möglichkeit, Resonanzen einzuholen, wie die Verbände und einzelne Bauern auf sie reagieren. Mehr als die sieben Gründungsmitglieder hat die Initiative noch nicht, Aufnahmeformulare kommen erst in den nächsten Tagen zurück, so Niemann zu Herd-und-Hof.de
Was stört und was sind die Ziele?
Carsten Niemann benennt die Ursachsen, warum manche Ökobauern mit der Situation unzufrieden sind. Neben den acht ökologischen Anbauverbänden gibt es noch die nicht organisierten EU-Ökobetriebe. Die produzieren nach einem niedrigeren Standard, stellen aber fast 40 Prozent der deutschen Biobetriebe und liegen im Flächenranking mit 35 Prozent vor jedem Anbauverband. Zudem bilden diese Bauern den Marktpreis, gegen den die Verbandsbauern ankämpfen müssen. Vor diesem Hintergrund lieferten sich die etablierten Verbände jedoch einen unnötigen Wettbewerb bei der Betriebsakquise. Trotzdem erfahren gerade deutsche Bioprodukte eine ausgesprochen hohe Akzeptanz bei den Konsumenten. Gegen das viele Zertifizieren könnte ein eigenes deutsches Biosiegel mit höheren Standards als das EU-Biosiegel dem Handel das Arbeiten, den Produzenten das Erzeugen und den Marketingexperten die Kommunikation gegenüber dem Verbraucher erleichtern.
Demzufolge will die „Initiative Deutscher Bundesverband ökologischer Landbau“ ein Dachverband sein, der an den alten Vorgänger „Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau“ (AGÖL) erinnert – der unter anderem deswegen scheiterte, weil sich die Verbände nicht ausreichend individuell in dem Dachverband vertreten sahen. Die Fortführung der AGÖL wurde um den Handel erweitert und profiliert sich derzeit als BÖLW. Die Initiative will einen Standard einführen und, so Niemann zu Herd-und-Hof.de, damit für den Handel und die verarbeitende Industrie Verband-Standards nivellieren, aber höher als der EU-Standard sein will. Quasi alltagstaugliche Verbandsstandards für den hochwertigen Massenmarkt. Damit wollen der Handel und die Industrie eine ausreichende Rohstoffsicherheit erreichen und - Doppelungen vermeiden: So gibt es in den Regionen nahezu zeitgleich Kartoffeltagungen von mehreren Verbänden, anstatt eine Tagung für alle. Letztlich will sich der Verband durch „einheitliche, gerechte und transparente Beiträge“ finanzieren. Er lädt alle Öko-Verbände ein, Mitglied zu werden.
Die Verbände sollen sich nicht auflösen, so Niemann. Die Initiative will sich als Ergänzung anbieten und erst die kommenden Wochen werden zeigen, welche Kriterien festgelegt werden müssen oder ob es auch eine Auslandszertifizierung für die Nachbarländer gibt.
Was sich genau daraus entwickelt wird sich zeigen. Niemann betont, dass der Verein zunächst als Initiative gegründet wurde. Die Vorsicht ist angebracht, denn Demeter wird kaum an seinen hohen Standards rütteln wollen, auch nicht ergänzend für einen Massenmarkt. Auf der anderen Seite bietet der Verein eine plausible Erleichterung für die Alltagspraxis an, der sich mancher Bauer gerne anschließen würde. Möglicherweise bietet der Verein auch den Bauern eine Heimat, die Öko nach eigenen Regeln und ohne Vereinsmeierei produzieren wollen. Dann hätte der Verein Erfolg bei diesen Mitgliedern, fügte aber durch seine Existenz der zersplitterten Ökobranche noch ein weiteres Element hinzu.
Andere Länder, wie beispielsweise Dänemark haben diese Diskussionen nicht. Zwar gibt es auch dort den einen oder anderen Verbandsbauern, doch sorgt das staatliche Ökosiegel für eine harmonischere Politik. Einen Erfolg wird die Initiative bereits verzeichnet haben: Die heterogene Ökolandschaft wird zum Thema.
Kontakt:
Initiative Deutscher Bundesverband ökologischer Landbau
Unseburger Chaussee 2
39171 Sülzetal
Fax: 039205 / 45991
Roland Krieg
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