Neuer Windkanal am ATB

Landwirtschaft

Die Windmacherin

Nicht immer sind Winderosionen so dramatisch wie vor einem Jahr, als Staubverwehungen zu einer Massenkarambolage bei Rostock führten1). „Sandstürme“ gibt es nicht nur in den ausgeräumten Flächen Ostdeutschlands immer wieder.
Wenn Landwirte neue Ställe bauen, müssen sie sich immer häufiger mit Bürgerinitiativen auseinandersetzen, deren Nasen ein unangenehmes Aroma droht.
Und nicht zuletzt sind auch die Tiere in den Ställen den Emissionen ausgesetzt, die der Gesundheit nicht immer förderlich sind, wie beispielsweise dem Ammoniak.

Luftbewegung in der Grenzschicht

Allen Beispielen ist der Wind als treibende und gestaltende Kraft gemein. Wind bedeutet „wehen“ oder „blasen“ und beschreibt die Bewegung von Luftteilchen, die als Ausgleich von Luftdruckunterschieden entsteht. Diese wiederum kommen durch unterschiedliche Sonneneinstrahlung und Oberflächen, die Wärme halten oder schnell abgeben können, zustande. Je größer die Unterschiede, desto stärker weht der Wind. Doch während der Wind in höheren Luftschichten gleichmäßiger weht, stehen ihm bodennah verschiedene Hindernisse im Weg, die ihn verwirbeln – oder „turbulent machen“ wie es die Meteorologin Dr. Merike Fiedler vom Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim (ATB) ausdrückt. Die Verwirbelungen entstehen also in der Grenzschicht zwischen Boden und unterem Teil der Atmosphäre. So trifft der Wind auf Brücken, Ställe, Bäume und verwirbelt zwischen den Hochhäusern in Straßenschluchten. Dabei verfrachtet er Bodenteilchen, versetzt Aromen und breitet Pollen aus.
Per Knopfdruck kann Dr. Fiedler den Wind selbst generieren und Verwirbelungen sichtbar machen, messen und auswerten. Das ATB hatte einen Windkanal, der jedoch nur bis fünf Meter die Sekunde die Luft bewegen konnte. Für die heutigen Anforderungen reichte dass nicht mehr aus, weswegen auf dem Institutsgelände ein neuer Windkanal gebaut wurde. Dort wehte am Freitag der erste offiziellen Wind. Weil Dr. Fiedler die Wind- und Strömungsverhältnisse der bodennahen Schichten analysieren kann, heißt der Windkanal Grenzschichtwindkanal.

Saugen statt pusten

Am Ende steht der mächtige Propeller, der Windgeschwindigkeiten bis zu 20 Meter in der Sekunde erzeugen kann. Er bläst allerdings nicht den Wind durch die Anlage, sondern erzeugt einen Unterdruck, der die Luft durch feine Röhren an der gegenüberliegenden Ansaugdüse verdichtet und homogenisiert ansaugt und dann über die Gesamtlänge von 18,5 Meter durch den höhenverstellbaren Kanal hindurch saugt. Die Luft hat auf einer Strecke von 14 Meter Zeit, sich wie in einer bodennahen wirklichen Grenzschicht zu entwickeln, bevor sie auf die Hindernisse stößt, die zu vermessen sind.
Es gibt eigentlich nichts, was im Windkanal nicht beobachtet werden kann, erläuterte Dr. Fiedler gegenüber Herd-und-Hof.de. Ganz im Sinne der Leibniz-Institute, die Theorie und Praxis verbinden, können Windlasten für geplante Brücken gemessen werden. An aufgebauten Landschaftsmodellen kann das Erosionsverhalten ermittelt und die Wirkung von Extremwetterereignissen auf Kulturpflanzen dargestellt werden. Berlin kann seine Stadtbebauung im Windkanal überprüfen und im Sinne der Koexistenz ermitteln die Wissenschaftler die tatsächliche Ausbreitung von gentechnisch veränderten Pollen.
Der Schwerpunkt liegt jedoch in der Abteilung Tierhaltung, in dem Dr. Fiedler arbeitet. Frei gelüftete Ställe zeichnen sich gegenüber geschlossenen Ställen mit Zwangslüftung durch einen geringeren Energieverbrauch und einen niedrigeren Lärmpegel aus. Allerdings sind die Anforderungen an den notwendigen Luftwechsel in den Ställen besonders groß, um ausreichende Minderungsraten bei Ammoniak und Methan zu erzielen.
Dazu brauchen die Experten jedoch die richtige Methode. Luftwechselraten können mit einer CO2-Methode oder einer Abklingkurve eines ausgebrachten Anzeigergases ermittelt werden. Versuche haben gezeigt, dass die Werte mit dem Anzeigergas höher lagen als bei der CO2-Methode. Außerdem hat sich gezeigt, dass das Herunterlassen der Windschutznetze diese Methode zusätzlich zuverlässiger macht. Im Grenzschichtwindkanallabor kann die Basis der Feldmessungen noch erweitert werden, um letztlich eine detaillierte Datenbasis für bauliche und lüftungstechnische Ansätze im Stallbau zu entwickeln.
So könnten die Daten aus dem ATB beispielsweise dem Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft helfen, ihr Planungsmodell, das Techniker auf der Grünen Woche vorstellten, noch besser zu optimieren2).

Gesellschaftliche Aufgabe

Bernd Konitzki aus dem Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg unterstrich die gesellschaftliche Aufgabe der Forschung im Windkanal. Teile der Gesellschaft sähen die Tierhaltung zunehmend kritisch und sorgten sich um Aerosole, und Keimen, die emittiert werden sowie um das Tierwohl: „Eine Lösung des Problems ist dringend geboten. Es gibt keinen Schalter der umgelegt werden kann!“. Die Aufgabenstellung an die Agrarforschung sei angekommen und das ATB als Mitglied in der Deutschen Agrarforschungsallianz DAFA leiste wertvolle Grundlagenforschung.
Der neue Windkanal verstärke nach Ansicht von Konstanze Pistor aus dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg die Vernetzung der zahlreichen Forschungsinstitute. Nach Pistor sind das nicht nur verwandte Forschungseinrichtungen wie das Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg, sondern auch das Klimafolgenforschungsinstitut und die Astrophysiker hätten schon Interesse an dem Grenzschichtwindkanal angemeldet.
Die Investitionen in den Windkanal betrugen 1,18 Millionen Euro, von denen 75 Prozent aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) stammen.

Lesestoff:

1) Winderosion führt zu einer dramatischen Massenkarambolage auf der Autobahn

2) Planungsmodell für Tierhaltungsanlagen

Roland Krieg (Text und Fotos)

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