Neues zum Thema Antibiotikaresistenz
Landwirtschaft
Nur global gegen Antibiotikaresistenzen
„Resistenzgene hat es schon immer gegeben“, sagte Prof. Dr. Andrew Ullmann. Das FDP-Mitglied ergänzt: „Resistenzen machen aber auch Angst.“ Am Donnerstag stand im Bundestag bei der Kommunikationsagentur genius das Thema Antibiotikaresistenz auf der Agenda und Ullmann war nicht nur Schirmherr der Veranstaltung, sondern als gelernter Infektiologe an der Universität Würzburg auch Kenner der Szene. Von den rund 2000 Krankenhäusern in Deutschland habe gerade einmal die Hälfte einen Infektiologen im Haus. Andere Länder sind mit einem Facharzt für Infektiologie weiter als Deutschland mit seiner Zusatzausbildung.
Westeuropa steht noch gut da
Prof. Dr. Petra Gastmeier von der Berliner Charité gab einen kurzen Überblick. Methicillin-resistente Staphylococcus aureus – oder kurz MRSA genannt – ist mittlerweile das kleinere Übel. Die Zahl der Infektionen sind ind en letzten Jahren sogar zurückgegangen. Hingegen weist die Zahl der Infektionen mit der Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) in Deutschland regional eine Steigerung aus. Für beide Infektionen stehen mit Vancomycin und Linezolid Antibiotika in der Humanmedizin zur Verfügung.
Als wirklich problematisch sind die sogenannten „multiresistenten gramnegativen Stäbchenbakterien (MRGN), bei denen das vierfache MRGN derzeit keine letzte Antibiotika-Kur mehr zulässt. Seit 2018 besteht eine Meldepflicht für 4 MRGN. Von 4.000 Fällen wurden im letzten Jahr tatsächlich 1.000 Infektionen bestätigt.
Statistisch kommen jeweils ein Prozent der Patienten mit einem MRSA-Keim oder VRE-Keim in die Charité. 12 Prozent hingegen schon mit einem der MRGN-Keime. Deutlich schlimmer sei die Situation ist Ost- und Südosteuropa, in Südostasien nahezu unhaltbar. Nach zwei Wochen Krankenhausaufenthalt haben sich nach Gastmeier 87 Prozent der Patienten mit einem MRGN-Keim infiziert.
Weltweiter One-Health-Ansatz
Das Thema gelangt immer wieder in die Schlagzeilen, seit die Weltgesundheitsorganisation WHO vor einer Post-Antibiotika-Zeit gewarnt hat, in der einfach entzündete Wunden schon tödlich enden können.
Regelmäßig steht allerdings die Nutztierhaltung im Fokus, wo Antibiotika prophylaktisch und selbst Reserveantibiotika eingesetzt werden, die eigentlich für den Menschen als letzte Heilmethode eingesetzt werden sollten. Der Einsatz in der Nutztierhaltung galt lange Zeit als Ursache, für die Resistenzbildung von Keimen bei Menschen [1]. Heute forschen Veterinäre und Humanmediziner gemeinsam zur Resistenzbildung und zu Gegenmaßnahmen im Ansatz „One Health“. Denn es ist ein globales Problem, dass nicht allein in Deutschland oder Europa gelöst werden kann.
Den Veterinären wird ein gutes Zeugnis bei der Reduktion von Antibiotika ausgestellt. Das zeigen die jährlichen Berichte des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Allerdings steigt der Einsatz der Reserveantibiotika. Deren Einsatz will Prof. Gastmeier nach neuesten Erkenntnissen nicht verbieten wollen, sagte sie zu Herd-und-Hof.de. Entstehende Resistenzen im Tier unterscheiden sich von Resistenzbildungen beim Menschen. Die Reduzierung des Einsatzes auf ein unbedingt notwendiges Niveau solle jeder Bereich für sich selbst entscheiden. Der Veterinär Prof. Dr. Stefan Schwarz von der FU Berlin ergänzt, dass Veterinäre vor dem Einsatz von Antibiotika mittlerweile ein Antibiogramm erstellen müssen.
Die betriebliche Datenerhebung zwingt bei überschreiten einer Kennziffer einen Sanierungsplan in Abstimmung mit dem Veterinär und bei den schlechtesten Haltungsbetrieben eine Abstimmung mit dem Landesamt bis zum möglichen Widerruf der Haltungserlaubnis.
Aufklärung notwendig
Die Auswertung des Projektes Rationaler Antibiotikaeinsatz durch Information und Kommunikation (rai) zeigt, dass noch immer viel Bedarf für die Hausärzte notwendig ist. Wer aktuell noch beim Grippeschutz patzt, der wird früher oder später unnötigerweise mit Antibiotika, auch fälschlicherweise, behandelt, erklärte Dr. Klaus Schlüter von MSD Deutschland (1891 als Merck in Deutschland gegründet). Auch Ullmann kennt mögliche Kreuzvergleiche: So könne das Chlorhühnchen den Einsatz von Colistin in der Geflügelhaltung ersetzen. Immerhin zeigt die Desinfektion mit Chlor eine deutliche Reduktion von Campylobacter, ergänzt Dr. Schwarz.
Neue Wirkstoffe finden
Die letzte Antibiotika-Klasse kam vor mehr als 30 Jahren auf den Markt. Das ist einer der Gründe, warum Resistenzen immer hartnäckiger werden. Mittlerweile suchen Wissenschaftler bei Bakterien und Pilze als allen möglichen Stoffen für die Bio-Ökonomie und finden auch vielversprechende Vorläufer für neue Antibiotika. Doch Forschung ist teuer und kann nicht allein von der öffentlichen Hand finanziert werden. In Deutschland stehe die Verbindung von universitärer Forschung mit den Pharmaunternehmen im Generalverdacht der Manipulation, klagt Dr. Schlüter. Ein Fonds wie für Malaria oder HIV wie die WHO das vorgeschlagen hat und von den G7 und G20-Ländern vorsichtig eingeleitet wird, könne die Forschung aus der finanziellen Zwickmühle führen, so Ullmann.
Zum sparsamen Umgang mit den wichtigen Helfern gehöre nach Dr. Schlüter aber auch eine deutliche Preiserhöhung für Antibiotika. Wenn diese wie auch Breitbandantibiotika weltweit „billig wie Lutschbonbons“ auch ohne Rezept auf dem Markt angeboten werden, finden Ärzte aus dem Dilemma kaum noch heraus.
Lesestoff:
[1] Weltgesundheitstag 2011“No action today- no cure tomorrow“: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/antibiotikaresistenzen-vorbeugen.html
In Öko-Ställen weniger MRSA: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/in-oeko-staellen-weniger-mrsa.html
Problem des Antibiotikaeinsatzes in der Ökohaltung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-antibiotika-komplex.html
MRSA-Risiko Sofa: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mrsa-risiko-sofa.html
Weltorganisation für Tiergesundheit zum Antibiotikaeinsatz weltweit: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/antibiotika-sorgsam-anwenden.html
Antibiotika-Einsatz in der Landwirtschaft: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/antibiotika-in-der-tiermedizin-halbiert.html
Roland Krieg; Foto: roRo