Neuseddiner Botschaft zur ländlichen Entwicklung
Landwirtschaft
Social and Bio Farming auf dem Land
Mit der Neuseddiner Botschaft endete gestern die internationale Tagung zur Nachhaltigkeit im ländlichen Raum. „Der ländliche Raum braucht Innovationen“, „Der ländliche Raum ist ein attraktiver Lebensraum für Menschen“, „Der ländliche Raum braucht die Landwirtschaft und deren Zukunftspotenziale“ und „Politik für den ländlichen Raum aufwerten“ sind die vier Kernsätze der Botschaft.
Landesaktionsplan Brandenburg
Die aktuelle Herausforderung für den Biolandbau in Brandenburg ist nicht mehr die Stärkung der Nachfrage, sondern die Stärkung des Angebotes. Weil es in den letzten Jahren zu wenig Umstellungsbetriebe gegeben hat, hinkt das Bundesland der Nachfrage in der Metropole Berlin hinterher, stellte Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau (FÖL) fest. Vor allem fehlt es an Verarbeitungsstrukturen. Daher gibt es „zu wenig Produkte, die man den Händlern in die Regale stellen kann.“ Zusammen mit der Landesregierung soll zur nächsten BioFach ein Landesaktionsplan aufgestellt werden, um den Anteil der Bioprodukte auf dem Berliner Markt zu stärken, den Fachhandel zu stabilisieren und die regionale Herkunft besser „In-Wert-Setzen“. Es gehe auch darum, die kleinen Naturkostläden bei dem derzeitigen Bioboom zu erhalten. Reine Ackerflächen sollen umgewidmet werden. Auf ihnen werden Sonderkulturen und Obst und Gemüse für Berlin angebaut. Diese Kulturen sind arbeitskräfte- und wertschöpfungsintensiver als die Rohstofflieferungen.
In Bollewick im Landkreis Müritz hat gestern Agrarminister Dr. Till Backhaus das „Bio-Zeichen Mecklenburg-Vorpommern“ freigegeben. Mit dieser Vergabe „wird der Absatz regionaler Produkte gefördert und das Bewusstsein für eine regionale Identität gestärkt“, sagte Backhaus. |
Social Farming
Bis Ende Oktober 2008 läuft das europäische Projekt Social Farming (SoFar), das in seiner praktischen Umsetzung jedoch schon lange Tradition hat. Marie Kalisch vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) stellte Höfe und Einrichtungen vor, die derzeit für einen Erfahrungsaustausch noch nicht ausreichend vernetzt sind. Gemeint sind landwirtschaftliche Betriebe die „Klientengruppen“ zur Therapie, Ausbildung oder Beschäftigung aufnehmen. Das Spektrum reicht von den Schulbauernhöfen bis zu Betrieben für Behinderte, Suchtkranke, Arbeitslose oder Asylanten. Neu ist die Entwicklung von therapeutischen Gärten für alte Menschen und Personen mit Demenz.
Die Leistungen auf den Betrieben sind trotz ökonomischen Drucks groß, denn die Anforderungen an den Betriebsleiter sind anspruchsvoll. Die Arbeit muss strukturiert sein, es muss viel handarbeit geben, die Menschen dürfen nicht nur zum Handreichung herbeigenommen werden, sondern müssen in kleinen Schritten eigene Erfolgserlebnisse erfahren und brauchen eine Rückzugsmöglichkeit und emotionale Unterstützung. Für den Landwirt lohnt sich diese Ausrichtung, weil „Leben auf den Hof kommt“ und er eine alternative Einkommensquelle erschließen kann. Die Handarbeit schafft verarbeitete Produkte und sichert Arbeitsplätze. Daher können die Höfe durchaus gesellschaftliche Aufgaben übernehmen, meint Kalisch.
1950 begann der Quellenhof er Lebensgemeinschaft Bingenheim mit einem Hektar Land und bewirtschaftet heute bereits über 100 Hektar. Der Hof Steinich in der Vulkaneifel wirtschaftet dort, wo die Landwirtschaft bereits aufgehört hat und die freien Flächen verstrauchen und verbuschen. Der Hof hält die Flächen noch offen und sichert den vom Aussterben bedrohten Glan-Rindern noch einen Standort. Das Hofgut Richterode der Hephata Hessischen Diakonie verkauft seit 1950 Kartoffeln und liefert geschälte Ware an die Gastronomie. In der Region ist das Hofgut der zweitgrößte Arbeitgeber. Der mit geistig Behinderten arbeitende brandenburgische Ökohof Kuhhorst wurde 2006 mit dem Förderpreis des ökologischen Landbaus ausgezeichnet.
Der Charme der Größe
Rund um die Talsperre Zeulenroda in Thüringen bewirtschaftet die Pahren Agrar Kooperation 2.400 Hektar Land. Davon sind rund 400 ha Grünland. Das Besondere an dem „Betrieb“ sind seine 12 Einzelfirmen, die aus der alten LPG zusammen mit Neu- und Wiedereinrichtern hervorgegangen sind. So besteht die Kooperation beispielsweise aus einem Mischfutterbetrieb, der Verwaltung, dem Pferde- und Rinderhof, einer Tiefbaufirma oder der Ölmühle. Da der Betrieb in einem Trinkwasserschutzgebiet liegt, gelingt es offenbar mit der Vielfalt der kleinen Strukturen durch effektive Finanzierung, Planung und ineinanderwirken der Produktionsteile, neben der Produktion auch den ländlichen Raum zu entwickeln. Seit 1994 bewirtschaftet Pahren seine Flächen im pfluglosen Anbau. Mittlerweile hat sich ein bayrischer Betrieb angesiedelt, der dort seine Drillmaschinen für diese Bearbeitungsform herstellt und verkauft. Insgesamt sind derzeit rund 30 Selbstständige Handwerker mit ihren Firmen auf dem Betrieb beheimatet, führte Geschäftsführer Dr. Albrecht Broßmann aus. Jeweils fünf Euro je Hektar Pachtland zahlt Pahren an die Vereine in der Region und dokumentiert seine soziale Verantwortung.
Lesestoff:
Die Neuseddiner Botschaft finden Sie in Kürze bei den Veranstaltern der Tagung:
AOC Agro-Öko-Consult: www.aoec.de
Verband für nachhaltiges Umweltmanagement: www.vnu-ev.de
Business School Szczecin: www.zpsb.szczecin.pl
Das europäische Social Farming Projekt finden Sie unter www.sofar-d.de
Einen Bericht über den letzten Kongress des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Entwicklung des ländlichen Raums finden Sie hier. Der Abschluss dieser Reihe wird auf der Grünen Woche 2008 sein.
Roland Krieg