„No milk today“?
Landwirtschaft
BDM ruft zum Lieferstopp auf
Die Woche vor dem Tag der Milch am 01. Juni beginnt mit dem Knall, dass der Bundesverband deutscher Milchviehhalter (BDM) am Montag zu einem unbefristeten Lieferstopp aufgerufen hat. Ziel des Verbandes, der nach eigenen Angaben mit 32.000 Milchbauern und einer täglichen Liefermenge von 35.000 Tonnen Milch, mehr als 40 Prozent der deutschen Milchproduktion liefert, ist der Anstieg des Milchpreises auf 43 Cent je Kilogramm Milch. Vor den Toren der Molkerei Weihenstephan in Freising verkündete BDM-Vorsitzender Romuald Schaber: „Ich lasse ab morgen meine Milch zu Hause! Und ich gehe davon aus, dass es viele Milcherzeuger genauso machen werden.“ Unterstützung sei aus Österreich und den Niederlanden sicher.
„Durch den Preisverfall stehen wir mit dem Rücken zur Wand“, sagte Schaber. Um die betrieblichen Kosten zu decken, müsste der Liter Milch 43 Cent kosten.
Während der BDM am gestrigen Aktionstag Milch in Bayern in die Vollen ging, demonstrierte der Deutsche Bauernverband (DBV) im sächsischen Leppersdorf vor der Sachsenmilch. Wolfgang Vogel, Präsident des sächsischen Bauernverbandes, war genauso erzürnt und nannte den um 15 Cent niedriger festgesetzten Abnahmepreis für H-Milch „Preisdumping in Reinkultur“. Den Grundpreis hat die Sachsenmilch, die zu Müller gehört, auf 33 Cent gesenkt. Weil der DBV um eine Signalwirkung für anderen Molkereien fürchtet, seien die neuen Preise ein „Dolchstoß in den Rücken aller deutschen Milcherzeuger. Einen Lieferstreik hält der DBV jedoch nicht für den richtigen Weg.
Milch hat viele Dimensionen
Ein Milchstreik, wie der (BDM) ihn bereits öfters angedroht hat, wird keine Lücken in die Kühlregale reißen, denn der Handel würde sich aus den Nachbarländern versorgen. Neutrale Beobachter fürchten bei einem Lieferstreik eher einen Imageschaden. Wird die Milch dem Konsument zu teuer, greift er auf pflanzliche Eiweiße und Fette zurück.
Das Rostocker Milchforum eines zurückliegenden Bauerntages zeigte die Vielfalt der Ursachen auf, warum die Milch in Schieflage gerät.
Da wirft ein Lieferstopp gleich das nächste Problem auf. Die Kühe werden täglich ihre Milch weiter geben, die Melker werden täglich die Milchtanks befüllen. Die aber sind nach zwei Tagen voll. Und dann? Welches Signal geht von Bauern aus, die Zehntausende Tonnen Milch in die Gullys, in die Futtertröge kippen? Mit einem Milchstreik hat noch niemand Erfahrungen gesammelt und die Bauern erreichen mit medienwirksamen Bildern lediglich Wirkung auf die, die das Problem verstehen sollen: Die Konsumenten. Deren Fragen werden angesichts der globalen Ernährungssituation nicht leicht zu beantworten sein.
Superabgabe und Milchpreise
Die Quotensteuerung wird 2015 auslaufen, die EU wird Quoten erhöhen und das deutsche Begleitprogramm Milch fand bei der EU-Zwischenbewertung kein Gehör. Verarbeitete Produkte wie Käse, Butter und Joghurt mit ihren höheren Gewinnmargen bestimmen den Preis des Rohstoffes Milch stärker als die betriebliche Balance bei steigenden Produktionskosten. Auch wenn die Bauern klagen, dass die Futter- und Energiekosten sie auffressen und kein Geld mehr für Investitionen übrig bleibt, so fügen sich manche in ihr Erzeugerschicksal und richten sich auf schwankende Preise ein.
Für das Milchjahr 2007/2008 muss Deutschland möglicherweise eine Superabgabe in Höhe von 75 Millionen Euro zahlen. Zusammen mit den Niederlanden, Italien, Tschechien, Irland und Österreich beträgt die Überlieferung der zugestandenen Quote etwa 1,08 Millionen Tonnen. Andere Länder allerdings schöpfen ihre Quote nicht aus. In der gesamten EU besteht eine Quotendefizit von 2,01 Mio. t Milch.
Die Milchpreise gehen seit Ende des letzten Jahres wieder zurück. Sie liegen um das Niveau des erste Preishochs aus dem Sommer 2007 und damit immer noch höher als in den Vorjahren. Nach Regionen aufgeschlüsselt ergab sich Anfang Mai das folgende Bild der Erzeugerpreise:
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4/06 bis 3/07 |
3/07 bis 2/08 |
2/08 bis 3/08 |
Region Nord |
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Region West |
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Region Ost |
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Region Süd |
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Biomilch |
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Q: Nach ZMP und dlz; Preis bei jährlicher Anliefermenge von 150 Tonnen (Region Ost 200 t), 4,2 % Fett, 3,4 % Eiweiß, netto, inklusive aller Zu- und Abschläge, ohne Nachzahlungen |
In der Entwicklung liegen die Preise der weißen Ware nur noch knapp über dem Vorjahr. Milch-, Molkenpulver und Blockbutter sind jedoch bereits wieder darunter, so dass die Milchexperten der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) zu folgendem Fazit kommen: „Unter diesen Voraussetzungen wird sich der Rückgang der Milchauszahlungspreise, der seit einigen Monaten zu beobachten ist, zunächst noch weiter fortsetzen.“ Biomilch lag im Vorjahr rund sechs Cent je Kilo über dem Preis für konventionelle Milch. Aktuell sind es 8,2 Cent, jedoch geraten sie auch unter den gleichen Druck.
Bislang dienen hauptsächlich Milchpulver und Butter als Referenzsystem, Milchpreise festzumachen. Schon im letzten Jahr forderte die ZMP nach der Interventionspolitik neue Kriterien, wie beispielsweise die Einbeziehung von Käse in die Preisgestaltung. Außerdem erschwerten „vagabundierende Milchmengen“ die Marktbeurteilung. Das ist die Milchmenge, die Landwirte ohne feste Bindung zu einer Molkerei produzieren und verkaufen. Statistiken über deren Umfang gibt es keine, klagte die ZMP.
In Schleswig-Holstein haben sich Bauern zur Käsestraße zusammengeschlossen. Mit eigenen Hofmolkereien erzielen sie ihre Wertschöpfung selbst und vermarkten die Milch direkt.
Roland Krieg