November-Agrarrat in Brüssel

Landwirtschaft

Wald, Wolf und WTO im Agrarrat

Forststrategie 2030

Am 14. Juli hat die Europäische Kommission als Flaggschiff des Green Deals die „Neue Forststrategie 2030“ vorgestellt. Das Flaggschiff läuft allerdings nicht so stolz in den Hafen ein, wie geplant. Das informelle Forstministertreffen der EU in Wien hatte mit der Wiener Erklärung“ im Oktober schon die Grenzlinie gezogen. Die EU-Mitgliedsländer wollen sich nicht in die nicht vergemeinschaftete Forstpolitik reinreden lassen.

Das war auf dem Agrarrat am Montag in Brüssel nicht anders. Den Wäldern wird eine gewichtige Rolle für die Gesundheit der Umwelt, des Menschen und der Tiere zugesprochen und soll im Rahmen der Kreislaufwirtshaft mi der nachwachsenden Biomasse Holz gestärkt werden. Für die Erreichung der Ziele sollen Kommission, die Länder und die Zivilgesellschaft gemeinsame Nenner finden, bei denen nachhaltig erzeugtes Holz neue Partnerschaften hervorbringen könne.

Die EU will Anreize für die nachhaltige Holznutzung setzen und für die Waldbesitzer auch die Senkenfunktion für Kohlendioxid entlohnen. Bis 2030 sollen drei Milliarden neue Bäume gepflanzt werden, die auch neuen Geschäftsfeldern, wie dem Ökotourismus einen Hintergrund geben. In einer künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sollen Finanzinstrumente für den Wald integriert werden, um auch eine rechtlich verbindlichen Renaturierung von Wäldern voranzutreiben. Alte Primärwälder in der EU sollen unter Schutz gestellt werden. Mehr aber auch nicht, denn Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger argumentiert, dass eine großflächige Außer-Nutzung-Stellung das Modell der Nachhaltigkeit gefährdet.

Minister wollen die nationalen Bedingungen der Wälder berücksichtigen. Viele haben bereits eigene Entwicklungsstrategien für eine ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit aufgelegt. Dennoch dürfe die EU die weltweiten Bestrebungen der Waldzerstörung Einhalt zu gebieten, nicht außer Acht lassen.

Bundeswaldministerin Julia Klöckner sagte nach der Sitzung: „Im Rat haben wir unsere Haltung zur EU-Waldstrategie bereits 2020 klar zum Ausdruck gebracht: Wir müssen unsere Wälder weiterhin nicht nur nachhaltig, sondern multifunktional und aktiv bewirtschaften. Es geht um eine gute Balance zwischen Biodiversität, Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit, um die Eigenversorgung der EU mit Holz zu sichern. Denn auch dem Umwelt- und Klimaschutz ist nicht gedient, wenn wir immer mehr Holz aus Drittstaaten mit niedrigeren Nachhaltigkeitsstandards importieren.“ Sie nannte auch die Sorgen der Mitgliedsländer: Die Vernachlässigung des wirtschaftlichen Aspektes und die Vergemeinschaftung der Waldpolitik führe zu einer Verlagerung der Holznutzung ins EU-Ausland. Wenn es neue Kriterien für die nachhaltige Waldnutzung gebe, sollen die lediglich für die EU und nicht für die einzelnen Mitgliedsländer gelten.

Deutlich kritischer äußerte sich der Verband Familienbetriebe Land und Forst. „Die EU-Kommission hat einen einheitlichen Ansatz für Europas Wälder entwickelt, anstatt deren Vielfalt anzuerkennen und zu stärken. Mit ihrem „one size fits all“-Ansatz greift sie in die Kompetenz der Mitgliedstaaten ein“, monierte Vorsitzender Max von Elverfeldt. Seiner Meinung nach, müsse die Waldpolitik neu aufgesetzt werden. Der Doppelverband der europäischen Bauern und Genossenschaften Copa-Cogeca kritisiert, dass die Kommission für die Waldstrategie nicht ausreichend die Mitgliedsländer einbezogen habe.

Die Marktlage

Steigenden Preisen für Rohstoffe, die nahezu wöchentlich neue Rekorde erreichen und steigende Kosten für Betriebsmittel, von Energie über Dünger bis zu Futtermitteln, setzen die Landwirte und Verarbeiter unter Druck. Welche Auswirkungen sich auf die nächste Vegetationszeit abzeichnen, ist noch Spekulation.

Nach Ansicht des Agrarrates kommt die Unsicherheit über die weiteren Preisverläufe in dem Moment auf, in dem sich die Pandemielage und die damit verbundenen Restriktionen zu lockern begannen und sowohl die USA als auch China wieder mehr EU-Produkte importieren. Auch der Handel mit Großbritannien befand sich in Teilen auf Konsolidationskurs.

Bei Getreide gibt zeichnet sich ein offener Kurs ab. Die gute Weizenernte erlaubt eine ausreichende Futternutzung, die aber auf gute Grünlanderträge nutzt. Daher wird wohl doch nicht so viel Getreide in den Futtertrog gelangen. Ein Ernteplus bei Raps von zehn Prozent erlaubt zwar eine Entspannung am Rapsmarkt, aber wegen der weltweit angespannten Lage bleiben die Preise außergewöhnlich hoch. Zudem müssen in der EU Lagerbestände auch erst einmal wieder aufgebaut werden. Die Rübenbauern freuen sich auf höhere Preise für Zucker, obwohl im Durchschnitt drei Prozent mehr Rüben als im Fünf-Jahres-Durchschnitt geerntet wurden. Auch hier ziehen die Weltmarktpreise den europäischen Preis nach oben. Die Europäer werden weniger Reis und mehr Reis aus heimischer Produktion genießen. Weltweit sinkt das Handelsvolumen, das zusätzlich durch gestiegene Frachtkosten belastet wird. Pandemiebedingt liegen in Indien und Myanmar pandemiebedingt nur knappe Exportvolumen vor.

Weniger erfreulich steht es auf den Fleischmärkten. Die Überproduktion am Schweinemarkt und hohe Futterpreise in der Geflügelproduktion setzen die Märkte unter Druck.

Die litauische Delegation hat mit 13 weiteren EU-Mitgliedsstaaten, und im Nachtrag auch mit Deutschland,  die Probleme auf dem Schweinemarktnach dem Oktoberrat erneut  angesprochen. Die Preise liegen auf einem Zehnjahrestief, die Margen sind negativ und es zeichnet sich keine Entspannung ab. Der Verlust an Betrieben verlagere die Produktion ins Ausland und wirke negativ auf den Arbeitsmarkt in den ländlichen Räumen. Die Situation sei mit der des Milchmarktes im Jahr 2014 zu vergleichen, als Russland sein Lebensmittelembargo gegen die EU errichtete. Die Länder forderten, allerdings vergeblich, finanzielle Hilfe für den Schweinemarkt. Der slowenische EU-Ratspräsident Jože Podgoršek begründet die Ablehnung mit einer Verschiebung des Problems, jetzt Schweinefleisch in die Intervention zu nehmen und später wieder auszulagern. EU-Umweltkommissar, Virginijus Sinkevičius, der den Agrarkommissar Janusz Wojciechowski vertrat, sagte, der Schweinemarkt kann mit einem Produktionszyklus von sechs Monaten eigenständig reagieren. Das sei mit der Milchkrise nicht zu vergleichen.

Farm-to-Fork

Die rechtlich nicht bindende Strategie „From Farm-to-Fork“ wird von den Ländern weiterhin unterstützt, von einigen Ländern aber als Teil der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gewünscht.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner betonte auf ihrer letzten Agrarratssitzung: „Es ist gut und wichtig, dass die Öffentlichkeit bei der laufenden Umsetzung der Farm-to-Fork-Strategie eingebunden und beteiligt wird und die Kommission berichtet, wie sie vorankommt. Gleichzeitig steht die Kommission aber weiter in der Pflicht, Folgeabschätzungen zu den geplanten Einzelmaßnahmen der Strategie vorzulegen.“ Ihr französischer Amtskollege Julien Denormandie ergänzte, dass eine nachhaltige Handelspolitik und ein hoher Selbstversorgungsgrad zur Landwirtschaft dazu gehören. Im nächsten Jahr beginnt nach Worten der EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Stella Kyriakides mit konkreten Vorschlägen zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und Düngung. Zudem werden alle künftigen und auch bestehenden Handelsverträge mit einem Nachhaltigkeitskapitel ergänzt.

Braunbären und Wölfe

Deutschland, Finnland,  Österreich, Rumänien und Tschechien haben den Bericht der Slowakei unterstützt, dass die Habitatrichtlinie bei einigen Carnivoren, wie Braunbär und Wolf zu regional erheblichen Populationen geführt habe, die den günstigen Populationsstand erreicht oder schon überschritten haben. Die Schäden in der Landwirtschaft erreichen mittlerweile Hunderttausende von Euro und erschweren den Schutz der Weidetiere. Je nach topologischen Gegebenheiten sind Herdenschutzmaßnahmen kaum zu erreichen. Selbst eine Entschädigung in Höhe von 100 Prozent reiche nicht aus, Nutztierhalter von der Aufgabe ihres Weidetierbestandes abzuhalten. Die EU müsse nicht nur eine langfristige Lösung finden, sondern die Bedingungen für die Überwachung und das Monitoring der großen Räuber vereinheitlichen. In der Alm- und Weidewirtschaft in Österreich muss der Schutzzaun vor dem Winter zudem abgebaut und im Frühjahr wieder aufgebaut werden.

WTO-Ministerkonferenz

Ende Oktober startet die 12 WTO-Ministerkonferenz. Die Kommission hat in ihrem Bericht über die Vorbereitungen der EU dargestellt, dass für den Sektor Landwirtschaft bislang nichts ausgeklammert sei. Am ehesten zeichnet sich derzeit eine Einigung für die Ausnahme von Exportrestriktionen bei Nahrungsmittelkäufen aus dem Welternährungsprogramm. Nur Indien opponiere das noch. Trotz unterschiedlicher Ansichten der WTO-Mitglieder könnten auch Arbeitsprogramme über handelsverzerrende Subventionen und Lagerhaltung aufgestellt werden. Die EU will mit einer Koalition der Willigen über eine gemeinsame Erklärung für den Handel mit grünen Gütern und Dienstleistungen formulieren. Für die Themen Handel, Klima und Nachhaltigkeit soll es im nächsten Jahr nach Willen der EU eine eigne Ministerkonferenz bei der Welthandelsorganisation WTO geben.

Roland Krieg

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