Nützliche Parasiten in Berlin

Landwirtschaft

Neueste Erkenntnisse über die Miniermotte

> Einer der beliebtesten Bäume in der Stadt wurde zum Baum des Jahres 2005 gewählt: Die Rosskastanie. Seit Jahren leidet sie unter frühzeitigem Laubfall, den die Miniermotte durch ihren Blattfraß verursacht und diese dadurch auch zum Medienstar wurde (Herd-und-Hof.de vom 05.01.2005). Die Larve frisst sich durch die Blätter, die daraufhin braun werden und im August oft genug komplett abgefallen sind. Schwer befallene Rosskastanien produzieren kleinere Samen und gefährden dadurch den Bestand in den natürlichen Wäldern. Immerhin haben die Experten geringere Minderleistungen bei der Photosyntheserate und Wasserversorgung der befallenen Blätter gefunden, als angenommen.
Grund genug, auf dem Ende letzter Woche stattgefundenen Kongress über die Einführung und Verbreitung invasiver Arten der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft (DPG) und dem British Crop Production Council (BCPC) nachzuforschen, was es an Neuigkeiten über die Motte gibt.

Zehn Jahre Kampferfahrung
Dr. Christa Lethmayer vom Wiener Institut für Pflanzengesundheit und Nahrungssicherheit stellte die Erfahrungen aus verschiedenen Bekämpfungsstrategien der letzten zehn Jahre vor.
Der Einsatz chemischer Mittel ist durchaus erfolgreich. Das Besprühen mit verschiedenen Mitteln tötet bis zu 100 Prozent aller Larven ab. Die Verwendung systemischer Mittel, die bei einzelnen Bäumen in den Stamm injiziert werden und von innen heraus wirken, war nicht ausreichend. Zum einen verteilten sich die Mittel nicht im ganzen Baum und zum anderen können die Einstichstellen Sekundärinfektionen begünstigen.
Biotechnologische Maßnahmen, wie der Einsatz von Sexuallockstoffen (Pheromone) bei Fallen oder zur Verwirrung der Männchen, zeigten keine befriedigende Wirkung. Zwischen behandelten und unbehandelten Bäumen wurden keine deutlichen Wirkungsunterschiede festgestellt.
Sehr vielfältig hingegen ist die Möglichkeit Parasiten und Räuber einzusetzen. Insgesamt wurden bisher 36 Arten ermittelt, die Miniermottenlarven parasitieren. Hymenoptera, das sind Hautflügler wie Bienen, Hummeln oder Wespen und Ichneumonoidea, die ?Echten? Schlupfwesepen, sind die bedeutendsten Parasiten. Allerdings sind die Erfolgsraten oft noch sehr unbefriedigend. Je nach Standort variieren sie zwischen 1 und 15 Prozent, so Dr. Lethmayer.

Dr. Giselher Grabenweger von der Technischen Fachhochschule in Berlin hat bei den Parasiten genauer hingeschaut:
Die Schlupfwespe Minotetrastichus frontalis ist der bedeutendste Gegenspieler der Miniermotte. M. frontalis ist in der Lage sich schnell an die Miniermotte zu gewöhnen und konnte in Europa gezielt auf den Schädling angesetzt werden. Allerdings ist die Wespe ein Miniermottenallesfresser, so dass sie gerne auch auf andere Larven ausweicht und bei steigendem Befallsdruck der Motte nicht mit verstärkter Nachkommenproduktion auf die paradiesische Nahrungsgrundlage reagiert.
Die bereits 1839 von Walker in England beschriebene Erzwespe Pediobus saulius findet sich vor allem in den Gebieten, in denen die Miniermotte bereits seit zehn Jahren verbreitet ist. P. saulius wird auf Grund ihrer langjährigen Spezialisierung eine große Chance für die Zukunft eingeräumt.
Gerade versteckt lebende Larven fallen der Erzwespe Cirrospilus talitzkii zum Opfer. Ihre Bedeutung gegen die Miniermotte wird allerdings als unklar eingeschätzt, da sie als ?Generalist? auch andere Mottenlarven parasitiert.

Die beste Bekämpfung, so Dr. Lethmayer, bleibt das Laubsammeln und anschließende Kompostieren. Vor allem bei Einzelbeständen der Roßkastanie reduziert diese Methode die nächste Frühlingsgeneration der Motte deutlich. Werden die Bäume bei dieser Pflege zusätzlich noch gewässert und gedüngt, dann stärkt das die Abwehrkräfte der Roßkastanie. Beim Kompostieren zeigen sich die Larven toleranter gegenüber niedrigeren Temperaturen: Unter 36 °C sterben nur bis zu 40 Prozent der Larven ab. Ab 39 °C haben die Tiere kaum noch eine Chance.

Methoden im Vergleich
Dr. Magdalena Dziegielewska von der Landwirtschaftlichen Akademie in Stettin hat das Laubsammeln in Verbindung mit verschiedenen anderen Methoden getestet. Laub sammeln alleine oder in Verbindung mit Klebestreifen auf dem Stamm oder biologische Methoden hielten den Laubabwurf der Bäume nur 20 Wochen lang in Schach. Danach verloren die Bäume deutlich ihre Blätter. Nur in Verbindung mit chemischen Pflanzenschutz ließ die Roßkastanie in den 31 Wochen zwischen April und November ihre Blätter bis zu 90 Prozent behalten. Allerdings standen die Bäume, bei denen nur Laub gesammelt und zusätzlich ein Klebestreifen angebracht wurde an dicht befahrenen Straßen. Dr. Dziegielewska vermutet, dass die Luftverschmutzung eine natürliche Bekämpfung beeinträchtigt hat.

BerlinCam
Was die Europäische Union auf kontinentaler Ebene eingerichtet hat gibt es in Berlin auch regional: BerlinCam ? ein Projekt des Senates für Stadtentwicklung im Rahmen des Umweltentlastungsprogramms. Dr. Barbara Jäckel hat in dem seit 2003 laufenden Projekt 14 Parasiten in Berlin identifiziert, die der Miniermotte zu Leibe rücken können. In sechs Arbeitsschwerpunkten arbeiten vier Personen in enger Kooperation mit der Technischen Fachhochschule von Berlin, beschreibt sie gegenüber Herd-und-Hof.de das Projekt. Es sollen umweltverträgliche und praxisorientierte Versuche zur Mottenminimierung gefunden werden.
Die Parasiten sind besonders dort aktiv, wo auf Grund des Straßenverkehrs die Wärmeabstrahlung 2 bis 3 Grad höher ist, als in den kühleren Parks. Die in Zusammenarbeit mit der Stadtreinigung durchgeführte Laubsammelaktion war sehr erfolgreich. Die Miniermottenpopulation konnte in den Sammelgebieten bis zu 80 Prozent reduziert werden.
Das Projekt, Flugblätter und weitere Informationen finden Sie unter www.stadtentwicklung.berlin.de/pflanzenschutz

Zukunft der invasiven Arten
Der am Samstag zu Ende gegangene Kongress hatte in seinem Abschlussplenum auch eine äußerst dynamische Betrachtungsweise. Nicht nur der Handel verbringt Pflanzen- und Tierarten in neue Gebiete, sondern auch der Klimawandel. Steigende Temperaturen und milde Winter erschließen den Arten nördlichere Regionen. In der Risikoabschätzung müssen solche zukünftigen Veränderungen einbezogen werden. Aber es zeigte sich auch, dass die Wanderungen der invasiven Arten durch Klimaänderungen auch von der Änderung des Klima abhängen kann: Versiegt der Golfstrom wird es in unseren Breiten erheblich kälter. Auch das Kälteszenario muss berechnet werden.
Das Klima hat auch einen indirekten Effekt, wenn sich über neue Landnutzungssysteme neuen Artenbeziehungen etablieren. Aber möglicherweise kümmert es einen überhaupt nicht: Den Schädling. Dr. Peter Baufeld von der Biologischen Bundesanstalt zeigte, dass Schädlinge sich dadurch als Schädling auszeichnen, indem sie ein großes Adaptionsvermögen haben. Den Maiswurzelbohrer gibt es vom tropischen Mittelamerika bis zu kalten Kanada.

Roland Krieg

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