Obst und Gemüse: Branche ändert sich
Landwirtschaft
O+G: Mehr Nachhaltigkeit und mehr Konsum
>Die Obst- und Gemüsebranche wird sich in Richtung Nachhaltigkeit und durch die Steigerung des Konsums ändern, prognostiziert Jürgen Boruszewski, Präsident des Deutschen Fruchthandelsverbandes (DFVH) zur Eröffnung der 17. Fruit Logistica in Berlin.Mehr Aussteller hat nur die Tourismusbörse
Was einst als Teilmesse der Grünen Woche begann hat sich zu einer der internationalsten Ausstellungen entwickelt. 2.228 Aussteller aus mehr als 80 Ländern erwartet Dr. Christian Göke, Geschäftsführer der Messe Berlin, für die bis zum 06.02. laufende Fruit Logistica. Mehr als 50.000 Fachbesucher aus 125 Ländern werden die Messehallen unter dem Berliner Funkturm aufsuchen. Mit 89 Prozent ausländischer Aussteller ist die Obst- und Gemüsemesse damit die internationalste in Deutschland. Dr. Göke sieht drei Gründe für den Erfolg: Die Messe deckt den gesamten Bereich der Wertschöpfungskette ab und bringt daher alle globalen und regionalen Anbieter auf das Messegelände. Drittens sind alle Handelsformen von der Direktvermarktung bis zum Handel vertreten. Die Fachkonferenzen bieten Einblicke in die Vermarktung der Zukunft, Polen, Rumänien und Bulgarien zeigen die Wachstumsmärkte in Osteuropa auf und mit Chile präsentiert sich der größte Obstexporteur der südlichen Hemisphäre als Partnerland der Fruit Logistica.
Weniger Konsum von Obst und Gemüse geht kaum
Nur fünf Länder in der EU verzehren weniger Obst und Gemüse als Deutschland. In den letzten Jahren ist der Konsum sogar rückläufig, beklagt Boruszewski. Lag der Pro-kopf-Verzehr 1994 noch bei 94 kg Frischobst und 67 kg Gemüse, ist er aktuell auf 86 und 63,5 kg gesunken. Daher sieht der Präsident des DFVH durch Mahnungen des Ernährungsberichts 2008 und Schulobstprogramme einen steigenden Absatz in der Zukunft. Außerdem sieht Boruszewski Obst und Gemüse gegenüber Fleisch und Milch klimatisch im Vorteil.
Doch geht das nicht spurlos an der Branche vorbei. Durch den harten Preiswettbewerb befindet sich die Branche in einem Strukturwandel, der durch die Finanzkrise eher noch verschärft werde. Der Trend geht hin zu mehr Nachhaltigkeit. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird weiter eingeschränkt werden und der konventionelle Anbau wird sich dem ökologischen immer weiter annähern, glaubt Boruszewski.
Wie im Ausland zu sehen ist, werden Obst und Gemüse auch in Deutschland vermehrt abgepackt angeboten werden. Zum einen liege das an der detaillierter werdenden Analytik, die einer losen Birne eine Rückstandüberschreitung nachweisen kann, wenn ein Kunde vorher eine Orange durch Druck auf den Reifegrad überprüft hat. Verpackungen werde aber auch zunehmen, weil die Händler reiferes Obst in die Regale bringen können, als die unreif geerntete lose Ware. Spätere Reife, mehr Vitamine und längere Haltbarkeit punkten für verpacktes Obst und Gemüse. Zudem sind Informationen über Rückverfolgbarkeit und Herkunft auf Verpackungen besser zu kommunizieren als bei loser Ware, bei der es oft noch Ausnahmegenehmigungen gibt.
Branchensorgen
Ganz sorgenfrei blickt die Frischobst- und -gemüsebranche aber nicht in die Zukunft. Zum einen könnte Obst und Gemüse im Wettlauf zwischen Getreide- und Energieproduktion ein knappes Gut werden, fürchtet Boruszweski, zum anderen sieht sich die Branche der Skandalisierung durch Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen ausgesetzt. Dem gefühlten Risiko des Verbrauchers vor möglichen Rückständen stehen alleine jährliche 100.000 Proben entgegen. Weil auch Handelsunternehmen begonnen haben, eigene und strengere Rückstandswerte einzuführen, seien Obst und Gemüse nirgends sicherer als in Deutschland.
Günter Schweinsberg, Geschäftsführer des Fruchthandelsmagazin, sieht noch ein weiteres Problem: Die deutschen Konsumenten fühlen bei der Frischware einen höheren Preis, als die Realität ihn offeriert. Der reale Preis liegt meist zehn Prozent unter dem gefühlten Preis, was eine Studie von Marktbeobachtern herausgebracht hat. Schuld daran sei der Handel selbst, der mit „Preisaggressivität und Sonderaktionen“ den wahren Preis verschleiert und das Gefühl für den echten Preis verzerrt.
Innovationen
Aus ursprünglich mehr als 60 Bewerbungen werden die Besucher während der Messe die Gewinner des Innovationspreises aus zehn Präsentationen bestimmen können. Am Freitag Nachmittag findet die Preisverleihung statt. Die von der Jury vorselektierten Innovationen umreißen ein breites Spektrum von einer neuen Papaya-Sorte aus Malaysia bis hin zu einem Logistiksystem, das täglich frische Äpfel aus dem Alten Land in die Schulen bringt.
roRo; Foto: roRo