Obstbautag in Brandenburg

Landwirtschaft

Obstbauer brauchen bessere Rahmenbedingungen

Fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag soll man essen. Obst ist der Inbegriff der Frische – doch wie geht es den Brandenburger Obstbauern, vor den Toren Berlins?

Abhängig von der Witterung
Der milde Winter 2007 verführte die Obstbäume angesichts eines folgenden warmen und trockenen Frühjahr zu einer bis zu drei Wochen früheren Blüte. Ende April und Anfang Mai schlugen dann Spätfröste zu, die in fast allen Gebieten bei Kern- und Steinobst große Frostschäden verursachten. Trotz zufriedenstellender Bestäubungsbedingungen während der Blüte, wurde der Fruchtansatz im Mai als gering eingeschätzt. Extreme Wetterwechsel führten insgesamt zu Qualitätseinbußen und bei Kirschen bis zum Totalausfall. In Werder, dem traditionellen Obstanbaugebiet bei Potsdam konnten nur 57 Prozent der Apfelernte als Tafelobst vermarktet werden.

Erträge im Obstbau (dt/ha)

Nutzungsart

2006

2007

Mittel 2001:2006

2007 zu Mittel

Baumobst

Äpfel

241,0

126,8

223,8

- 43,3

Süßkirschen

34,8

13,9

31,9

-56,4

Sauerkirschen

46,4

53,9

57,3

- 5,9

Pflaumen/Zwetschen

95,6

54,9

77,6

- 29,3

Beerenobst

Erdbeeren

38,5

36,9

48,9

-24,5

Sanddorn

27,2

36,9

-

-

Heidelbeeren

32,3

40,1

-

-

Q: Agrarbericht Brandenburg 2008

Witterungsunabhängige Trends
Doch nicht nur das Wetter beeinflusst den betrieblichen Erfolg. Auf dem 19. Obstbautag des Brandenburger Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LVLF) am Mittwoch in Großbeeren skizzierten Jörg Lübcke, Referatsleiter für den Gartenbau und Jochen Flenker von der Humboldt Universität Berlin (HUB) noch weitere Trends. Bei Süß- und Sauerkirschen liegt Brandenburg im Anbau mit 10 und 8,4 Prozent Anteil im oberen Bereich aller Bundesländer. Bei Äpfeln belegt die Mark mit 4,7 Prozent eher einen der hinteren Ränge. Von den Nachbarländern heben sich bei Äpfeln Sachsen und bei Sauerkirschen Sachsen-Anhalt im Wettbewerb hervor. Mit 76 dt/ha Sauerkirschen liegt Sachsen-Anhalt sogar noch über dem Bundesdurchschnitt von 70 dt/ha. Brandenburg fällt hier mit 50 dt/ha deutlich ab.
Das aber ist der generelle Trend. Zwischen 2002 und 2008 hat Brandenburg an Anbauflüche verloren. Fast 20 Prozent Verlust bei Äpfeln (1.400 auf 1.200 Hektar), bei Süßkirschen ging die Fläche von 720 auf 550 Hektar und bei Sauerkirschen von 350 auf 250 hazurück.
Und das trotz traditionellem Obstanbaugebiet und großem Absatzmarkt der Metropole Berlin.

Mehr hemmende als fördernde Bedingungen
Die Fachabteilung Obstbau des LVLF hatte jüngst in einem Workshop Produktions-, Wirtschafts- und Gestaltungsfaktoren für die Erzeugerebene mit Schulnoten bewertet, um Engpässe herauszufinden.
Dabei zeigte sich, dass die natürlichen Bedingungen wie Bodenverhältnisse, Wasserverfügbarkeit, Temperatur- und Niederschlagsverlauf mit einer zufriedenstellenden „3“ bewertet werden.
ObstbautagDie Wirtschaftsfaktoren sind nicht deutlich anders gegenüber den Nachbarländern. Die Entfernung zum Verbrauchermarkt, Saisonarbeitskräfte, Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln oder verfügbare Fachkräfte wurden ebenfalls mit einer „3“ bewertet. Als hemmend für die Obsterzeugung wurde allerdings die ungenügende Beratung vor Ort mit „4 bis 5“ und das erreichbare Preisniveau bemängelt.
Auch die Gestaltungsmöglichkeiten für die Unternehmen wurden bestens mit einer „4“ für vorhandene Produktionstechnik und der Möglichkeit einer Zusatzbewässerung bewertet. Die Investitionsmöglichkeiten bekamen als stark hemmend eine „5“.
Während also die natürlichen Gegebenheiten den Obstbau durchaus profitabel erscheinen lassen, liegt der Mangel eher bei den fachlichen und politischen Rahmenbedingungen.
Ziel ist es, die Brandenburger Ernteerträge auf Bundesniveau anzuheben: 300 dt Äpfel, 60 dt Süß- und 70 dt Sauerkirschen sind möglich, so Lübcke.

Neuanpflanzungen und Förderungen
Im Nachbarland Sachsen-Anhalt wurden Neuanpflanzungen über einen längeren Zeitraum gefördert, weswegen dort die Apfelplantagen nicht so überaltert wie in Brandenburg sind, so Jochen Flenker von der HUB.
Deshalb steht die Optimierung der Kulturführung mit der Anlage von Neuplantagen bei Jörg Lübcke ganz oben auf der Liste, die Brandenburger Betriebe wieder vollwettbewerbsfähig zu machen. Dazu gehören eine deutliche Ertragssteigerung, der Wissenstransfer von der Wissenschaft zur Praxis und investive Förderung der Betriebe. Inklusive Marketing.
Einzelne Betriebe machen es vor. Diejenigen, die seit den 1990er Jahren jährlich 10 bis 20 Hektar Neuanpflanzungen vornehmen liegen bei ihren Erträgen weit über dem Landesdurchschnitt.
Überalterte Plantagen bedeuten sinkende Erträge und weiteren Flächenabbau in den Obstplantagen, warnt Jörg Lübcke. Da hilft auch die Nähe Berlins nicht. Frisches, regionales Obst liegt im Verbrauchertrend, doch die Hauptstadt übt keinen Anreiz auf die Obstbauern aus. Warum? Berlin ist einer der meist umkämpften Märkte, sagt Lübcke zu Herd-und-Hof.de. Das Resultat sind zu niedrige Preise. Nach Berlin liefern nur wenige Obstbauern und besetzen Marktnischen. Eine intensivere Vermarktung wäre hier wünschenswert.

Hightech, Bio und Aleté
Wer hohe Erlöse erzielen will, der muss auch einen hohen Aufwand betrieben. Das hat Günter Brandt, Prokurist von Boddinobst in Mecklenburg-Vorpommern, in den letzten Jahrzehnten gelernt. Und damit ist der zwischen Hamburg und Berlin gelegene größte Obstbetrieb in MV bislang gut gefahren.
Auch bei Boddinobst sind 65 Prozent der Apfelplantagen über 16 Jahre alt. Doch alleine in den beiden letzten Jahren wurden über 18 Hektar Neupflanzungen vorgenommen. Im konventionellen Marktbereich führen die Norddeutschen mit Golden Delicious und Jonagold farbarme Varianten, die bei den Verbrauchern nicht mehr so gut ankommen. Eine der Alternativen ist Jonared.
Auf dem zweiten Standbein Bioobst, musste Jonagold wegen seines Säurereichtums rausgenommen werden, weil die Kinder ihn zu sauer finden. Dafür punktet der Betrieb bei den Biokunden mit dem Seestermüher Zitronenapfel aus einer Plantage der 1960er Jahre. Benannt nach einem Ort in Schleswig-Holstein bewahrt Boddinobst die „Streuobstsorte 2007“ vor dem Aussterben.
Gelagert werden die meisten Äpfel in sauerstoffreduzierter Atmosphäre. Ultra Low Oxygen (ULO) hält die Äpfel lange taufrisch. Zwischen den Lagern für 2.000 und 500 Tonnen hat Boddinobst gleich eine Biogasanlage gebaut. Die wird mit Trester aus der Mostgewinnung gespeist und erzeugt 750 kW nutzbare Abwärme. Daraus werden hochinnovativ 300 kW Kälte für die ULO-Lager. Da der Betrieb noch 1,5 Cent KWK-Bonus erhält, sind die Investitionen in dreieinhalb Jahren wieder eingespielt.
Boddinobst verkauft seine Ernte an Vermarkter, wie Elbe- und BB Obst, und hat einen Vertrag mit Nestlés Aleté. Dorthin geht nur eine einzige Sorte.
Die Erfahrungen zeigen, dass der Aufwand im Biobereich insgesamt nicht wesentlich höher ist als im konventionellen, auch wenn einmal im Jahr das Unkraut gehackt werden muss.
In beiden Bereichen will der Betrieb sein Angebot an Tafeläpfeln ausbauen. Im konventionellen Bereich soll der alte Bestand weiter rekonstruiert werden, während gerade im Öko-Segment der alte Bestand seine Wertschöpfung erhöht. Bei Baumabstände von fünf Meter zwischen den Reihen und drei Metern in der Reihe erzielt der Betrieb immer noch rund 300 dt Äpfel je Hektar. Schwierig bleibe nur die Vermarktungsschiene über Bio-Mostereien, die ab Oktober mangels Ware bereits wieder zu machen. Deswegen denkt Brandts an eine zusätzliche Vermarktung im Ausland.
Für konventionelle und ökologische Äpfel würde Boddinobst sich auch gerne direkt an den Lebensmitteleinzelhandel wenden – hat aber noch keine Erfahrungen damit.

Lesestoff:
Ein glänzendes Beispiel für die Direktvermarktung demonstriert der rheinische Betrieb von Otto Schmitz-Hübsch, den Herd-und-Hof.de 2007 besuchte.
Weltweit suchen Obstbaubetriebe neue Wege in der Vermarktung. Club-Äpfel sind derzeit die exklusivste Möglichkeit.

Roland Krieg; Foto: roRo

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