Ökolandbau braucht Bio-Saatgut
Landwirtschaft
Wintertagung zum ökologischen Saatgut
Die 9. Wintertagung des Agrarbündnisses Mecklenburg-Vorpommern hatte das Thema „Ökologisches Saatgut züchten, vermehren und handeln“ zum Thema. Gekommen waren mehr als 100 Züchter, Vermehrer und Händler sowie Bio-Bauern und vertreter von Anbauverbänden.
Angepasstes Saatgut
Jan Uwe Klee, Geschäftsführer der Demeter-Bauern Nord-Westdeutschlands, zur
Bedeutung von Züchtungsinitiativen für die Demeter-Bauern in
Mecklenburg-Vorpommern: „In der biologisch-dynamischen Landwirtschaft hat
Saatguterhaltung und Sortenvielfalt von Anfang an eine große Rolle gespielt.
Die heutigen Züchtungsinitiativen für ökologisches Saatgut stellen uns
Ökolandwirten und Ökogärtnern eine große Vielfalt an sicherem Saatgut zu
Verfügung, welches gentechnikfrei und unabhängig von industriellen Interessen
in den Markt gebracht wird. Dieses Bio-Saatgut ist angepasst an regionale
Klima- und Bodenverhältnisse und ermöglicht damit die gesunde Erzeugung
von Gemüse und Getreide aus der Region. Innovation und Wertschöpfung bleiben in
einem überschaubaren Zusammenhang von Menschen erhalten. Der fachliche
Austausch zwischen Landwirten und Saatguterzeugern ist dabei lebendige
Praxisforschung. Demeter-Landwirtschaft lebt gerade von solchen überschaubaren
Verhältnissen im Anbau und der Vermarktung. Das schafft für unsere Kunden
Einblick und Vertrauen beim Kauf von ökologischen Lebensmitteln.“
Saatgut aus ökologisch erzeugten Sorten
Barbara Rudolf, Vorsitzende des Bioland-Landesverbandes SH, HH und MV, zum
Engagement von Bioland für die Züchtung und die Finanzierung ökologischer
Pflanzensorten: „Der Ausschluss von Gentechnik und gentechnischen Methoden ist
nur der Anfang. Für den Biolandbau brauchen wir ökologisch vermehrtes Saatgut
aus ökologisch gezüchteten Sorten! Wie beschreiben wir ökologische
Pflanzenzüchtung? Wie kommen wir zu geeigneten neuen Sorten für den
Erwerbsanbau? Wie schaffen wir eine Verbreitung der ökologischen Sorten, die es
bereits gibt? Wie können wir die Verfügbarkeit von Saatgut dieser Sorten
verbessern? Um diese Fragen dreht sich das Engagement des Biolandverbandes für
ökologische Pflanzenzüchtung. Entscheidend für eine positive Entwicklung und
die Etablierung ökologischer Pflanzenzüchtung ist die Finanzierung. Bioland
fordert öffentliche Förderung für ökologische Züchtung! Saatgut ist Kulturgut
und der freie Zugang zu geeigneten Sorten für den Anbau ein Schlüsselfaktor für
den Erfolg der Landwirte und Gärtner. Es kann und darf nicht dabei bleiben,
dass einige wenige Aktive diese schwierige Aufgabe für die Gemeinschaft
schultern! Züchtung ist langwierig und nur mittelbar im Endprodukt für den
Kunden erkennbar. Allzu oft richtet sich eine Kaufentscheidung nach den
augenscheinlichen, äußeren Qualitäten der Produkte. Was uns langfristig gut tut
ist oft nicht auf den ersten Blick erkennbar, für eine nachhaltige Entwicklung
aber unverzichtbar.“
Saatgut gehört in Bauernhand
Claudia Tauer vom „Verbund Ökohöfe Nordost“ zur Bedeutung der ökologischen
Saatgutzüchtung für bäuerliche Bio-Betriebe: „Ohne eine ökologische
Saatgutzüchtung gibt es keine Zukunft für bäuerliche Betriebe. Saatgut gehört
in die Hand der Bauern und nicht in die Hand von weltweit agierenden
Agrarkonzernen. Die Agrarpolitik muss dem Konventionalisierungsdruck
widerstehen und politische Weichen für eine regionale bäuerliche Landwirtschaft
stellen.“
Ökolandbau in Mecklenburg-Vorpommern
In Mecklenburg-Vorpommern bewirtschafteten 2011 über 800 landwirtschaftliche Bio-Betriebe bzw. -Höfe ca. 122.000ha bzw. neun Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Der Eigenanteil des Landes an den Flächenprämien für die Umstellung oder Beibehaltung des ökologischen Landbaus beträgt. bei derzeit 150 €/ha nur 8 % bzw. 12 €/ha. Bio-Getreide wird im Land auf 1.400ha vermehrt mit einem Anteil von 70% Winter-Getreide. Die Gräser-Vermehrung beträgt nur noch drei Prozent der gesamten Öko-Vermehrungsfläche. Großkörnige Leguminosen wurden auf etwa 400 ha vermehrt, vor allem Blaue Lupine mit einem Anteil von 86 %. Seit 2006 vermehren sechs Bio-Betriebe nur noch ca. 40 ha Kartoffeln. Die Anzahl der Kartoffel-Sorten nimmt weiter ab.
Burkhard Roloff vom Agrarbündnis MV zur Situation des Ökolandbaus in unserem Land
und notwendige Forderungen für eine nachhaltige Förderung des Ökolandbaus: „Der
Ökolandbau in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt sich derzeit viel zu langsam.
Im letzten Jahr stellten nur 30 Betriebe mit insgesamt 1.600 ha um,
entsprechend einem Zuwachs von nur 3,7 % bei den Betrieben bzw. 1,3 % bei den
umgestellten Flächen.
Sogar bundesweit war der Zuwachs höher sowohl bei der Anzahl der Bio-Betriebe
mit 4,5% als auch beim Zuwachs der Anbaufläche mit 2,3%.“ Roloff weiter.
„Die positiven Signale des Bio-Marktes werden im Landwirtschaftsministerium
seit mehreren Jahren nicht wahrgenommen, einfach ignoriert oder schlecht
geredet. Wir Fordern seit acht Jahren eine marktentsprechende Förderung des
Ökolandbaus. Das zweimalige Aussetzen der Umstellungsbeihilfen im Jahre 2004
und 2006 war ein negatives agrarpolitisches Signal, das die Entwicklung des
Ökolandbaus in unserem Land um mehrere Jahre verzögerte. Jetzt fehlen im Land
sowohl die kleinen und mittleren Bio-Höfe mit hofeigener Verarbeitung und
Direktvermarktung für die Nahversorgung als auch die flächenstarken
Bio-Betriebe und -Güter zur Vermarktung großer, einheitlicher Partien an die
verarbeitende ökologische Lebensmittelwirtschaft bzw. den
Lebensmitteleinzelhandel.
Burkhard Roloff (Bund MV) / roRo