Ökolandbau in Mecklenburg-Vorpommern

Landwirtschaft

MV: Ökolandbau in neuen Dimensionen

Nur kurz inne gehalten: Was ist die ökologische Landwirtschaft? Eine Schar freilaufender Hühner zwischen Schweinestall im Fachwerkhaus und einer Tenne voller Heu? Oder sind das GPS-gesteuerte Traktoren, die teilflächenspezifisch Dünger ausbringen und Betriebe, die ganz Deutschland mit Ökoeier versorgen? Für Mecklenburg-Vorpommern keine Frage, dort folgt die ökologische Produktionsweise den traditionellen Rahmenbedingungen, die auch schon vor der DDR die Landschaft prägten. Bis zum Sommer will die Landwirtschaft eine Wertediskussion in die Gesellschaft getragen haben, die eines nicht vergessen darf: 300.000 Legehennen im Ökostall gehören auch zur Realität. Das hat am Montag die Fachtagung Ökolandbau gezeigt, die vom Agrarministerium in Schwerin und der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei in Güstrow organisiert wurde.
Für Prof. Christian Gienapp von der Landesanstalt sind im Land die Rahmenbedingungen für die Erfolgsgeschichte im Ökolandbau günstig. Das hat zu einem eigenen Weg der Spezialisierung geführt. Schweinehaltung, Marktfruchtbetriebe und Legehennenhaltung bieten auf den natürlichen Sandstandorten dem Ökolandbau neue Herausforderungen. Die Produktionsmenge ist aber auf der anderen Seite auch ein Garant für die Zusammenarbeit mit der Gastronomie und Hotellerie, wo die Klientel der Touristen zertifizierte Produkte nachfragt.

Flächenentwicklung

Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus räumt zwar ein, dass man immer mehr machen könne, doch brauche sich Mecklenburg-Vorpommern nicht zu verstecken. Sogar europaweit steht das Bundesland mit seiner Umstellungsfläche von rund 120.000 Hektar im oberen Tabellenteil. In Deutschland haben nur Bayern mit 186.000 und Brandenburg mit 140.000 Hektar mehr ökologisch bewirtschaftete Fläche.
Seit 1993 haben sich die Zahl der Erzeuger, die Öko-Fläche und damit auch der Anteil an der Gesamtfläche rundweg verdoppelt. Die Tabelle zeigt auch, dass es Mecklenburg-Vorpommern gelungen ist, die Zahl der Verarbeiter mitzunehmen – Voraussetzung für die Zusammenarbeit im Land, für den Export und dem Verbleib der Wertschöpfung im Land. „Es gibt in der Landesregierung eine Philosophie der Umstellung“, so Backhaus.

Tabelle Entwicklung des Ökolandbaus in MV von
1993 bis 2010 (PDF-Datei)

Fördervolumen

Nach Angaben des Ministeriums beläuft sich das Fördervolumen in der aktuellen Förderperiode von 2007 bis 2013 auf 115 Millionen Euro. Das sind 46 Millionen Euro mehr als davor. Zusätzlich können Gelder mit Agrarumweltmaßnahmen, im Bereich der Winderosion und der artgerechten Tierhaltung kombiniert werden. Ziel der Landesregierung: Im Jahr 2013 die Marke von zehn Prozent Flächenanteil für den ökologischen Landbau erreicht zu haben.


Zusätzlich können Ökobetriebe noch andere Fördermittel in Anspruch nehmen. Dazu gehört die Agrarinvestitionsförderung, die auch für Diversifizierungsmaßnahmen wie beispielsweise einem Hofladen genutzt werden kann. Dr. Backhaus rief zur Investition auf, denn ob und wie viele Mittel ab 2014 zur Verfügung stehen, sei unklar.
Hilfen gibt es auch für den Bereich der Marktstrukturverbesserung. Dazu gehören Investitionen in die Bereiche Lagerung, Verarbeitung und Vermarktung – was letztlich die verarbeitenden Ökobetriebe nach vorne gebracht habe. Hier werden auch Kleinstbetriebe gefördert. Nach Angaben des Ministeriums liegt die Insolvenzquote bei unter zwei Prozent.

Neue Herausforderungen

Die Energienutzung der Biomasse ist eine Herausforderung für das Bundesland. An den Standorten Güstrow und Penkun gibt es industrielle Biogasnutzungen, die in einem Flächenwettbewerb mit anderen Landnutzungen stehen. Regional führen großflächige Maiskulturen zur Kritik. Deshalb will Backhaus die Novellierung des EEG nutzen, die „regionalen Maisdecken“ einzugrenzen. Bonuszahlungen im EEG sollen weniger kombiniert werden können und das Land genehmigt künftig nur noch Biogasanlagen mit gekoppelter Wärmeproduktion. Einen Beitrag könne auch die Forschung leisten, wenn sie beispielsweise die Blaue Lupine als Futterpflanze so weit bringt, dass sie eine Alternative zum Mais darstellt. Auch die Flächenvergabe über die BVVG sei auf Landesebene zu holen, damit die Flächen nicht mehr an landwirtschaftsfremde Investorengruppen gehen.

Neue Investitionen

Ein Erfolgsbeispiel ist die Gläserne Molkerei. Der Sitz der Gesellschaft ist in Upahl in Mecklenburg-Vorpommern. Im brandenburgischen Münchehofe hat sie eine Betriebsstätte errichtet, bei der Besucher sich sogar den laufenden Betrieb anschauen können. 70 Millionen Kilogramm Milch werden verarbeitet. Sie kommt von rund 100 Bauern zwischen Flensburg und dem Erzgebirge. Derzeit wird in Dechow eine neue Molkerei gebaut. Dechow liegt rund 15 Kilometer östlich vom Ratzeburger See in Mecklenburg-Vorpommern und soll den nördlichsten Milchbauern eine Lieferalternative bieten. In Güstrow sagte Geschäftsführer Hubert Böhmann, dass bereits die Akquise neuer Milchbauern laufe. Durch die Standorte Dechow und Münchehofe reduziert sich der Umkreis, aus dem die Milch geholt werden muss, auf 170 bis 200 Kilometer und ist vergleichbar mit den meisten konventionellen Molkereien. Großmolkereien holen die Milch aber auch aus bis zu 500 Kilometer Entfernung ab.

Ökolandbau neu denken?

Die Aktualität holt den Ökolandbau ein. Mais, zwar nie verpönt, aber nicht unbedingt geliebt, hält auch im Ökoanbau Einzug. Als Futter für die Biogasanlage des Ökobetriebes. Energiepflanzen halten nach Dr. Harriet Gruber von der Landesanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Einzug in die bäuerliche Fruchtfolge. Mit Wickroggen und Sudangras versuchen Betriebe auch schon Abwechslung in den Energiepflanzenteil der Fruchtfolgen zu bringen. Die Biogasanlage hält für die Ökobetriebe ein willkommenes Produkt bereit: Biogasgülle für die vieharmen Standorte in Nordostdeutschland. Sie düngt den Boden, es zeichnen sich Ertragssteigerungen von 20 bis 30 Prozent bei Getreide ab und erhöht über den um bis zu zwei Prozent gestiegenen Rohproteinanteil die Getreidequalität.
Allerdings müssen die Betriebe sowohl für den Anbau der Biomasse als auch für die Ausbringung der Biogasgülle Flächen mit einplanen.
Noch besser als Biogasgülle ist Hühnertrockenkot. Der wirkt auf Boden und Pflanze doppelt so gut wie die Gülle. Den gibt es in Mecklenburg-Vorpommern reichlich.
Es gibt nur einen Betrieb in der Größenordnung 3.000 bis 10.000 Legehennenplätze. Es gibt aber elf Betriebe mit 220.000 Legehennen und acht mit durchschnittlich 313.600 Legehennen. Jedes Dritte Ökoei in Deutschland kommt aus Mecklenburg-Vorpommern. Nach Dr. Gruber und Prof. Gienapp müsse der Nährstoffkreislauf im Ökolandbau durch die Größenstruktur und die Energiepflanzen überbetrieblich gefasst werden. Das allerdings ist nicht unstrittig, wie die Diskussion zeigte.
Die neuen Größenordnungen zeitigen auch neue Probleme im Ackerbau. Dr. Christian Littmann vom Erzeugerzusammenschluss Fürstenhof berichtete von einer Ertragsmüdigkeit des Getreides trotz Hühnerkot. Kleegras und Roggen wurde nicht angebaut, weil es dafür keine Verwendung gab, berichtete er. Zudem gab es Problemunkräuter. Aktuell werden Kleegras wieder als Gesundungsfrucht eingeführt und der Zwischenfruchtanbau ausgeweitet.

Roland Krieg

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