Ökologische Tierzucht

Landwirtschaft

„Engpassthema ökologische Tierzucht“

>Die Tierproduzenten haben in der Vergangenheit viel Geld mit der tierischen Produktion verdient, jetzt könnten sie einen Teil der Gewinne in die ökologische Züchtung stecken, forderte Prof. Dr. Franz Theo Gottwald von der Schweisfurth-Stiftung auf der Nürnberger BioFach. Das Thema ist auch in der Biobranche ein „Engpassthema“, weil es derzeit kaum Tiere gibt, die aus einer ökologischen Zucht stammen. Meist müssen die Betriebe auf konventionelles Zuchtmaterial zurückgreifen und geben den Tieren mit Haltung und Fütterung einen ökologischen Rahmen. "Es gibt keine Bio-Puten“ heißt ein Statement des Biolandbauern Ostendorff. Bauer Franzsander, der kürzlich in Nordrhein-Westfalen seinen Biostatus verloren hat, weil er konventionelles Futter an seine Puten verfütterte, sagte, dass derzeit keine Puten existieren, die sich für eine Bio-Haltung eignen. Dabei ist gerade Geflügelfleisch bei den Schlachtungen auf den zweiten Platz hinter Schweinefleisch geklettert – weil es ein gesundes Image hat.
Hingegen haben die Pflanzenzüchter weniger Probleme auf ihr Saatgut aufmerksam zu machen und finden auch bei den Kunden Unterstützung.

Nur 25.000 Euro für Projekte
Der Tierschutzfonds macht was er kann. Für Projekte stehen aber nur jährlich 25.000 Euro zur Verfügung, klagt Dr. Katharine Reuter vom Tierschutzfonds für artgemäße Zucht. 2004 gegründet will der Fonds neben einer artgerechten Züchtung die Züchtungskompetenz wieder zurück auf die Betriebe holen und nicht den Besamungstechnikern überlassen.
Die Ziele sind hochgesteckt. Die industrielle Zucht bewegt sich zwischen Hochleistungstieren und Qualzucht, die bäuerliche Zucht bevorzugt Tiere mit Hochleistung. Was Bioland und Neuland betreiben gehe schon eher in die richtige Richtung, aber sei mehr auf die artgerechte Haltung ausgerichtet. Dort wo die Züchtung in Richtung artgerechte Zucht geht, bildete Dr. Reuter einen weißen Fleck ab. Da will der Tierzuchtfonds erst noch hin.

Wo sind die männlichen Bio-Zicklein?
In der Biobranche gibt es ein Problem, das während der Tagung publik wurde. Ziegenmilch und Ziegenkäse erfreuen sich steigender Beliebtheit bei den Kunden. Hingegen gibt es fast keinen Markt für Ziegenfleisch. Daher gibt es bereits Vorfälle, das Zicklein, die keine andere Verwendung finden, ein vergleichbares Schicksal erleiden wie die männlichen Küken. Die Biobranche will dem schnell entgegenwirken, denn Verbraucher würden bei gekeulten Säugetieren sensibler reagieren als bei den Küken, hieß es im Forum.

Die ökologische Tierzucht erhält die Gesundheit der Tiere und gibt ihnen die Möglichkeit, sich normal zu entwickeln. So sollen die Schweine wieder länger brauchen, um ein Mastgewicht von 100 Kilogramm zu erreichen. Während heute das Schwein in gut drei Monaten ausgemästet ist, dauerte es früher noch ein Jahr. Doch die alten Rassen, die ohne Probleme ihr Gewicht haben auch tragen können, gibt es kaum mehr.
So engagiert sich der Tierschutzfonds um den Erhalt des Deutschen Schwarzbunten Niederungsrind, dass neben Milch auch Fleisch lieferte. Derzeit gibt es wieder 2.000 Tiere im nationalen Herdbuch und die Tiere werden auf Lebensleistung gezüchtet: Nicht viel Milch in fünf Jahren, sondern viel Milch während 15 Jahre Haltung. Doch die Umkehrung der Zucht braucht Zeit und mehrere Generationen.
Auch bei den Bunten Bentheimer Schweinen hat sich der Fonds verdient gemacht. Gab es 1990 nur noch 100 Tiere, gibt es jetzt wieder 570 Schweine, die auch im Freiland gehalten werden können.
Die aktuelle Kampagne bezieht sich auf das Zweinutzungshuhn. Weil die männlichen Tiere keine Eier legen und die Legerassen so einseitig auf die Legeleistung ausgerichtet sind, lohnt es sich nicht, die männlichen Küken zu mästen: ökonomisch gesehen fressen sie zu viel Futter für ein wenig Mastzulage. Daher werden rund 40 Millionen Küken jährlich geschreddert. Ziel ist eine Hühnerrasse, deren weibliche Tiere zwar weniger Eier legen, aber deren männliche Tiere leben dürfen und für die Mast geeignet sind.

Schwierige Kommunikation
Jörg Reuter von der Ökostrategieberatung sieht nicht nur innerhalb der Branche Probleme, das Thema anzusprechen. Auch gegenüber dem Verbraucher ist es schwer zu vermitteln. Freilandhaltung ist en Thema, das bei Kunden gut ankommt und worunter sich die Konsumenten bildhaft etwas vorstellen können. Das Ziel, die Lebensdauer einer Kuh von fünf auf zehn Jahre zu erhöhen, Konsumenten darzustellen, ist für Marketingexperten eine Herausforderung. Doch Reuter gibt sich optimistisch: „Vernunft ist sexy“.
Vor kurzem hat beispielsweise der Deutsche Tierschutzbund einen Kekshersteller noch mit der Qualzucht konfrontiert, weil er für die Verarbeitung eier aus der Käfighaltung verwendet. Aktuell gibt Aldi Nord den Druck an die Produzenten weiter, auch bei der Verarbeitung auf Käfigeier zu verzichten und in wenigen Jahren komme kein Händler mehr darum herum, nur noch Eier aus der Boden- und Freilandhaltung zu verarbeiten und zu verkaufen. Die Zeit bringe eine „Rohstoffexellenz“ hervor, so Reuter. Daher wird sich auch das schwierige Thema der ökologischen Tierzucht kommunizieren lassen.
Den Lohas allerdings steht er skeptisch gegenüber, weil es sie nicht als Zielgruppe gibt, sondern ein Clash verschiedener Kulturen seien. Aus Glamour & Lifestyle mischt sich mit den Postmaterialisten derzeit der Mainstream Lohas zusammen. Den Kunden die ökologische Tierzucht nahezubringen gelinge am besten über die Kriterien „Genuss und Prestige“. Sarah Wiener, Schirmherrin des Tierzuchtfonds bringe es auf den Punkt: Was macht das Fleisch mit uns, das wir aus der Industriezucht verzehren?

tegut achtet auf die Rasse
Felix Prinz zu Löwenstein, Präsident des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, ordnet den Ökolandbau ein. Die ökologische Landwirtschaft ist eine nachhaltigere Produktionsweise, vom Ziel der Nachhaltigkeit noch entfernt. Also müsse der Ökolandbau nicht auf die Tierproduktion verzichten, müsse aber den Konsumenten die Problematik erklären.
Das gehe nur in winzigen Schritten, sagt Sven Euen von tegut. Ein Problem: Die Kunden unter 40 Jahren sind geschmacklich bereits so anders konditioniert, dass sie die Produkte der alten Rassen nicht mehr mögen. tegut hingegen zahlt Bonuspreise an die Betriebe, die mit anderen Rassen oder Zuchtzielen arbeiten. Bei Rindern und Schafen gibt es keine Rassevorschriften, obwohl das Rhönschaf als Lokalmatador den Vorzug bekäme. Bei Schweinen sieht das anders aus:
Hier stammen die Jungsauen aus einer Züchtung zwischen Yorkshire und der Landrasse ab. Der Eber stammt aus einer Kreuzung von Hampshire und Duroc. Daraus entstehen schwere Tiere mit guter Mastleistung und Gesundheit. Der Bedarf wachse von Jahr zu Jahr, so Euen.
Dem Kunden könne das Thema langfristig vermittelt werden, wenn man wie bei Slow Food Essen veranstaltet und die Thematik immer wieder erklärt, so Dr. Reuter.

Roland Krieg

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