Ökonomisch: Advantage: Golden Rice
Landwirtschaft
Uni Hohenheim erfasst Gesundheitskosten bei Golden Rice
„Die kostbarsten Dinge sind nicht Jade und Perlen, sondern die fünf Körner.“ Chinesische Redensarten bringen die Wahrheit auf den Punkt – respektive auf das Korn. Die „fünf Körner“ bezeichnen die Getreidegrundnahrungsmittel der Welt: Weizen, Hirse, Sorghum, Mais und Reis, der für etwa zwei Drittel aller jährlich neu hinzukommenden Weltenbürger die Hauptspeise stellen wird. Sein Genom ist mittlerweile entschlüsselt. Es ist mit bis zu 55.000 Genen zwar sehr umfangreich weist aber vermutlich eine gewisse „Einfachheit“ auf: Während beim Menschen beispielsweise ein einzelnes Gen für mehrere Proteine verantwortlich ist, baut beim Reis ein Gen jeweils nur ein Protein zusammen – das hilft Züchtern, dass Genom zu verstehen.
Goldener Reis
Bei dem „Golden Rice“ handelt es sich dabei um eine gentechnisch veränderte Reisvariante, die eine Vorstufe von Vitamin A enthält. Vor allem in armen Ländern leiden die Menschen unter Vitamin A-Mangel, da ihre Nahrung zu wenig davon aufweist. Die Folgen sind Blindheit und andere schwerwiegende Augenkrankheiten, erhöhte Kindersterblichkeit und erhöhte Anfälligkeit für Masern. Beta-Karotin, so heißt die Vitaminvorstufe, kommt in Karotten auf natürliche Weise vor und verleiht in der gentechnischen Variante dem Korn seine goldgelbe Farbe. Der „alte“ goldene Reis bildete mehr Beta-Carotin, weil zwei Gene von Osterglocken eingeschleust wurden. Das gelang 1999 dem schweizerisch-deutschen Forscherteam Ingo Potrykus und Peter Beyer. Die zweite Golden Rice Generation hat ein Synthese-Gen aus Mais und produziert die zwanzigfache Menge des Vitamins.
Stichwort: DALY Q: nach WHO |
Gesundheitskosten sinken
Jetzt haben Hohenheimer Forscher in einem Simulationsmodell berechnet, welche medizinischen, wirtschaftlichen und sozialen Faktoren die neue Variante des Goldenen Reises bewirken können. Agrarökonom Dr. Alexander Stein und Prof. Dr. Matin Qaim vom Fachbereich Internationaler Agrarhandel und Welternährungswirtschaft haben ihre Berechnungen zu den Gesundheitskosten in dieser Woche in Nature Biotechnology veröffentlicht.
Die Stuttgarter Forscher betraten für ihre Analyse Neuland, indem sie eine repräsentative Erhebung über die Ernährungsgewohnheiten von 120.000 indischen Haushalten durchführten. „Auf diese Weise können wir die Ergebnisse lokal und auf verschiedene Bevölkerungsschichten herunter brechen: So essen manche Regionen traditionell mehr Reis als andere, während ärmere Bevölkerungsschichten generell geringeren Zugang zur Nahrung haben“, sagt Stein. „außerdem haben wir Kosten und Nutzen bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen untersucht – zum Beispiel bei Kleinkindern sowie schwangeren und stillenden Frauen.“
Vitamin A-Defizit verursacht in Indien rund 2,3 Millionen DALYs pro Jahr, wobei etwa 71.600 Menschen dabei sterben. 70.000 davon sind Kindern im Alter bis zu sechs Jahren.
Je nachdem, ob ein Szenarium mit geringer oder hoher Vitamin A - Supplementierung über Golden Rice betrachtet wird, können bis zu 1,3 Millionen DALYs gerettet werden. Das sind bis zu 59,4 Prozent und bis zu 39.700 Menschenleben. Die Variante mit einer hohen Supplementierung reduziert die Kosten für einen gesicherten DALY von 19,4 auf 3,1 US-Dollar. „Die Kindersterblichkeit könnte um bis zu 40.000 Todesfälle pro Jahr gesenkt werden – und das zu Kosten, die bei nur drei bis 15 Prozent konventioneller Gesundheitsmaßnahmen liegen. Unter optimistischen Annahmen würde es mit Golden Rice nur 54 Dollar kosten, ein Leben zu retten, und selbst unter pessimistischen Annahmen lägen die Kosten bei nur 358 Dollar“, fasst Dr. Stein die Ergebnisse zusammen.
Ein Allheilmittel?
Auf den Philippinen wird Margarine und in Lateinamerika Zucker mit Vitamin A versetzt. In Bangladesh gibt es Programme, bei denen Familien kleine Gärten anlegen und damit ihren allgemeinen Gesundheitszustand verbessern. Begrenzte Nahrungsfette und Zinkmangel gelten als „versteckte“ Faktoren für den Vitamin A-Mangel. So sieht auch Prof. Qaim im Golden Rice kein Allheilmittel. „Im medizinischen Bereich sind noch weitere Versuche auf größerer Basis nötig, um mehr über die Bioverfügbarkeit zu lernen. Auch besteht noch Forschungsbedarf, die fremden Gene in lokal angepasste Sorten einzuschleusen. Ganz abgesehen davon, dass die üblichen Risiko- und Sicherheitsstudien noch ausstehen.“ Dr. Stein fügt hinzu: „Natürlich sind für die Bekämpfung von Vitamin A-Mangel auch andere Maßnahmen erforderlich, aber Golden Rice verspricht, eine sozioökonomisch sinnvolle Ergänzung zu sein.“
Drei Fragen an Prof. Qaim:
HuH: Konnten beim Vergleich zu den konventionellen Gesundheitskosten auch Möglichkeiten einbezogen werden, die eine ausgewogenere Ernährung der Menschen durch die so genannten Homegardens (Gemüse) beinhaltet?
Prof. Qaim: Die Quantifizierung der genauen Kosten von Homegarden Projekten ist schwierig, weil unter anderem ja auch die Zeitkosten zur Bewirtschaftung mit einfließen müssen. Gute Studien zu solchen Kosten gibt es so gut wie keine. Die wenigen vorhandenen Studien zeigen, dass die Kosten und der institutionelle Aufwand, für eine Beratung beispielsweise, recht hoch sind. Das ist aber kein Argument gegen solche Homegarden Projekte, denn außer Vitamin A-Mangel, helfen diese ja auch andere Formen der Mangelernährung zu bekämpfen. Längerfristig sollte es natürlich das Ziel sein, dass sich alle Menschen ausgewogen und vielseitig ernähren, und dazu können Homegarden beitragen. Es soll bei der Diskussion nicht um ein „entweder Homegarden oder Golden Rice oder Vitamin-Pillen gehen“. Alle diese und auch andere Instrumente haben Grenzen und Potenziale, aber sie schließen sich nicht aus. Die nachhaltige und effiziente Bekämpfung von Hunger und Mangelernährung erfordert eine Vielzahl von intelligenten Instrumenten.
HuH: Wie sehen die Menschen in Indien die Diskussion über den
Goldenen Reis?
Prof. Qaim: Eine Diskussion speziell zu Golden Rice wird in Indien bisher nicht in der breiteren Öffentlichkeit geführt, ganz einfach deswegen, weil es auch noch einige Jahre dauern wird, bis diese Technologie auf den Markt kommt. Hinsichtlich der Grünen Gentechnik insgesamt gibt es in Indien einige sehr kritischen Stimmen, die allerdings nicht unbedingt die Meinung der breiten Bevölkerung widerspiegeln. Eine repräsentative Studie, die wir kürzlich selbst durchgeführt haben, zeigt, dass die Verbraucherakzeptanz in Indien im Schnitt deutlich größer als beispielsweise in Deutschland ist, weil Konsumenten dort auch die Vorteile der Technologie für sich erkennen.
HuH: Wäre in Deutschland die Diskussion eine andere, wenn der Golden Rice nicht in die Kategorie „grüne“, sondern in die Kategorie „rote“ Gentechnik fallen würde?
Prof. Qaim: Ja, vielleicht. Insgesamt ist die rote Gentechnik hierzulande weniger umstritten, weil die Vorteile für die Gesundheit des Einzelnen in der Öffentlichkeit deutlicher sind. Dennoch ist Golden Rice aus meiner Sicht keine Technologie, die in Deutschland ein großes Potenzial hat. Zwar gibt es auch hier Vitamin A-Mangel, aber prinzipiell haben die Leute ein ausreichendes Einkommen und einen gewissen Ausbildungsgrad, um sich ausgewogen zu ernähren. Und auch die Infrastruktur, um kostengünstig an Vitamin-Pillen zu gelangen, ist prinzipiell gegeben. Deswegen hätte Golden Rice hier keine großen Vorteile, abgesehen davon, dass Reis hier ja auch nicht das Hauptnahrungsmittel darstellt. In vielen Entwicklungsländern ist es anders. Jede Maßnahme muss immer im lokalen Kontext bewertet werden, es gibt kein Allheilmittel – das gilt natürlich auch für Golden Rice.
Vielen Dank. Die Fragen stellte Roland Krieg
Lesestoff:
Der Hohenheimer Artikel ist erschienen: Alexander J Stein, H.P.S. Sachdev, Matin Qaim: Potential impact and cost-effectivness of Golden Rice: Nature Biotechnology, Number 10, October 2006 p 1200-1201
VLE