Ökorevolution vor Ort fehlt
Landwirtschaft
Weltökomarkt fast nur in Europa und Nordamerika
Ein genauer Blick auf die Zahlen der weltweiten Ökoproduktion 2006 waren schon etwas ernüchternd. Die aktuellen Zahlen, die heute morgen auf der BioFach von FibL und IFOAM vorgestellt wurden, verstärken zunächst den Trend.
Ökoanbau wächst weltweit
Die meiste ökologisch zertifizierte Fläche gibt es mit rund 12 Millionen Hektar in Ozeanien und Australien, gefolgt von Europa (7,8 Mio. ha), Lateinamerika (6,4 Mio. ha), Asien und Nordamerika (2,9 und 2,2 Mio. ha) und letztlich Afrika mit 0,9 Mio. ha. Insgesamt hat die Fläche um 1,5 Millionen Hektar zugenommen, fasst Helga Willer von FiBL zusammen. Indien hat mit mehr fast 600.000 ha den größten Zuwachs zu verzeichnen. Fünf Prozent der Weltkaffeefläche sind mittlerweile ökologisch zertifiziert.
Aber auch die neuesten Zahlen zeigen einen bestimmten Trend. Mit Wachstumsraten von 60 Prozent für tropische und subtropische Früchte sowie auch für Kakao und 40 Prozent für Zucker nehmen vor allem die Produkte zu, die in den Export gehen. Seit 2004 hat sich beispielsweise die Fläche von Weintrauben um 40 Prozent ausgedehnt.
Produzenten und Konsumenten
Amarjit Sahotu, Direktor von Organic Monitor, hat auch die Zahlen für die Warenströme parat. Der weltweite Umsatz an ökologischen Produkten ist von 25,5 (2003) über 33,2 (2005) auf 46,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2007 angestiegen. Doch 97 Prozent des Umsatzes werden in Europa und Nordamerika erzielt (54 und 43 Prozent).
Beispiel Asien: Die größten Verbraucher von ökologischen Produkten sind Japan, Südkorea und Taiwan; Länder die kaum einen ökologischen Anbausektor haben. Hingegen sind China und Indien sehr große Exporteure von Ökowaren. Sahota führt zwei Gründe an, warum es im Ökomarkt eine so deutliche Trennung zwischen Produktions- und Verbrauchsort gibt. Zum einen sind die nordamerikanischen und europäischen Konsumenten im Verbrauch ökologischer Waren gut informiert und können auf ein funktionierendes System von Labels und Kontrollen zurückgreifen. Zum anderen haben sie die entsprechende Kaufkraft, Ökoprodukte in den Einkaufskorb zu legen.
Das wird sich auch so schnell nicht ändern, prognostiziert Sahota. Zwar wird sich das Angebot der Nachfrage angleichen und durch den damit verbundenen Rückgang der Warenknappheit den Preis für Ökoprodukte weltweit senken, doch bleibt die Nachfrage auf die Industrieländer konzentriert. Dort sind die Ökoprodukte durch die Supermärkte weit in den Markt eingedrungen und ständig verfügbar.
Lokale Märkte entwickeln
Dass die Ökoproduktion global, der Verbrauch aber regional strukturiert ist, fördert per se nicht das Recht auf Nahrung in den Entwicklungsländern, die Herstellung der Ernährungssicherheit vor Ort. Zudem findet das Bevölkerungswachstum hauptsächlich in den Entwicklungsländern statt und dort in der Stadt, wo die Menschen darauf angewiesen sind, sich Nahrung zu kaufen. Helga Willer kennt das Problem. Immerhin können die Menschen in den Entwicklungsländern über den Export ein Einkommen generieren, das ihnen aus der Armut helfen soll, so Willer.
Dr. Sophie Twarog von UNCTAD (UN Conference on Trade and Development) beschreibt gegenüber Herd-und-Hof.de die Schwierigkeiten, lokale Märkte zu entwickeln. Es sind die gleichen Probleme wie beim Aufbau eines konventionellen Marktes. Beim Ökolandbau komme aber noch hinzu, dass die Bauern und Händler nur ungefähre Vorstellungen haben, wie genau die ökologische Produktion funktioniert. Doch die lokalen Märkte sind im Aufbau. Bauern können ein oder zwei Ökoprodukte in den Export geben und andere Produkte für den lokalen Markt produzieren – das müsse kein Widerspruch sein.
Meist fehlt es an einem Ordnungsrahmen, der den Aufbau lokaler Märkte verhindert. In Ostafrika wurden Marktplätze geschaffen, auf denen sich Bauern, Verarbeiter und Händler zunächst einmal kennen lernen und Handelsbeziehungen aufbauen.
African Sustainable Green Revolution
Dr. Twarog arbeitet vor allem in Ost-Afrika und verweist auf ein aktuelles UNCTAD-Papier vom 06. Februar 2009, das den ökologischen Landbau in Afrika fördern will. Die technisierte Agrarwirtschaft könne für Afrika keine Alternative sein, denn 90 Prozent der verwendeten Pflanzenschutzmittel müssen auf dem Weltmarkt eingekauft werden. Daher sei eine nachhaltige, grüne Revolution notwendig. UNCTAD-Studien haben gezeigt, dass die ökologische Produktion Ertragssteigerungen von bis zu 116 Prozent erreichen kann. In Kenia stieg die Maisernte um 71, die von Bohnen sogar um 158 Prozent. Wie wichtig die Exporteinnahmen sind zeigt das Beispiel Uganda. Zwischen 2002 und 2007 sind die Einnahmen aus dem Ökoexport von 4,6 auf 22,8 Millionen Euro angestiegen. Die Farmeinkommen stiegen in der gleichen Zeit zwischen 30 und 200 Prozent.
Lesestoff:
Das umfangreiche Zahlenwerk über den weltweiten Ökomarkt gibt es bei www.fibl.ch
Helga Willer and Lukas Kilcher (Hrsg.) (2009):
The World of Organic Agriculture - Statistics and Emerging Trends 2009. FiBL-IFOAM-Report. IFOAM, Bonn; FiBL, Frick; ITC, Genf. 304 Seiten ; 25 Euro
Statistiken über die Verbrauchszahlen gibt es bei www.organic-monitor.com. Details über die afrikanische grüne Revolution bei www.unctad.org
Roland Krieg
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