Ökotoxikologie von Pflanzenschutzmitteln

Landwirtschaft

Fresenius-Tagung zur Ökotoxikologie und Neonicotinoiden

Die ökotoxikologische Bewertung von Pestiziden ist ein weites Feld, in dem ein ständiger Bedarf an neuen Informationen und Initiativen besteht, um ein ausreichendes Schutzniveau für die Umwelt zu erreichen bzw. beizubehalten. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist in Europa eine der treibenden Kräfte hinter Gesetzen und Leitfäden zum Thema. Auf der 14. Internationalen Fresenius-Konferenz “Aquatic and Terrestrial Ecotoxicology and Risk Management” am 26. und 27. November 2014 in Köln erfuhren die Teilnehmer unter anderem, welche Neuigkeiten es von der Behörde zu vermelden gibt und wie ihre jüngsten Aktivitäten in Bezug auf Neonicotinoide von der Industrie aufgenommen wurden.

„Bee Guidance“ überarbeitet

Die EFSA hat unlängst die so genannte „bee guidance“ zur Risikobewertung bei Bienen überarbeitet und im Juli dieses Jahres zur Verfügung gestellt. Das Dokument konzentriert sich auf Themen, die kurzfristig bearbeitet werden können, und steht in enger Verbindung zum neuen Kalkulator-Tool der EFSA. Ein zentrales Anliegen der neuen Version ist es, den Nutzen des Leitfadens zu verbessern. Weitere neue Publikationen der EFSA, die für die kommenden Jahre geplant sind, wurden auf der Konferenz von Franz Streissl (EFSA) vorgestellt. So ist ebenfalls ein Update für den Leitfaden zur terrestrischen Ökotoxikologie in Vorbereitung, das unter anderem Hilfestellung für Risikobewertungen bei Organismen im Erdreich, bei Amphibien und Reptilien sowie für Nichtzielarthropoden und für terrestrische Nichtzielpflanzen zur Verfügung stellen soll. Mit den speziellen Leitfäden zu den einzelnen Unterthemen könne für 2017 bzw. 2018 gerechnet werden, erklärte Streissl. Während der laufenden Revision des Dokuments habe man mehrere übergreifende Themenfelder identifiziert, die sowohl für den aquatischen als auch den terrestrischen Bereich relevant seien und deshalb harmonisiert werden sollten, fuhr er fort. Zu diesen Themen zählen die Definition räumlicher Grenzen zur Festlegung spezifischer Schutzziele, der Umgang mit multiplen Pestizideinsätzen (Risiko durch den simultanen oder aufeinanderfolgenden Gebrauch verschiedener Pestizide), die Risikobewertung der daraus folgenden Mehrfachexposition, das Auftreten von Unsicherheiten durch nicht-autorisierten Pestizidgebrauch sowie die Art und Weise, wie mit Unsicherheiten im Allgemeinen umgegangen werden soll. Auch der Schutz gefährdeter Spezies, der Komplex Erholung und die Verbindung von Exposition und Effekt gehören zu den überlappenden Themenfeldern. Im Hinblick auf Neuigkeiten zum Leitfaden für aquatische Ökotoxikologie bemerkte Streissl, dass die 2013 veröffentlichte Anleitung zur mehrstufigen Risikobewertung für Randbereiche von Oberflächengewässern im Januar 2015 implementiert werden wird. Weiterhin sei im kommenden Juli mit einem wissenschaftlichen Gutachten zur Effektbewertung bei Sedimentorganismen in Randbereichen von Oberflächengewässern zu rechnen. Ein weiteres Gutachten, das sich mit der Effektmodellierung bei Pestiziden im Zusammenhang mit aquatischen Organismen beschäftigen wird, soll im Dezember 2016 erscheinen. Abschließend gab Streissl einen Ausblick auf zukünftige Projekte der EFSA. Man habe ein Update für den Leitfaden zu Vögeln und Säugetieren vorgesehen und wolle das BEEHAVE-Model im Hinblick auf gute Modellierungspraxis evaluieren und als Risikobewertungstool weiterentwickeln, so der Experte. Darüber hinaus sei geplant, Umweltszenarien zu entwickeln und multiple Stressoren in die Risikobewertung zu integrieren.

EFSA-Review zu Neonicotinoiden: hoch kritisch und konservativ

Einer Stoffgruppe, der im Hinblick auf Umweltrisiken immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist die der Neonicotinoiden. Auch bei der EFSA steht das Thema weit oben auf der Agenda. Als eine Konsequenz aus dem EFSA-Review bezüglich Neonicotinoiden implementierte die Europäische Kommission eine zweijährige Nutzungsbeschränkung für die Insektizide Thiamethoxam, Clothianidin und Imidacloprid, welche jedoch nicht von allen Mitgliedstaaten unterstützt wurde. Auch in der Industrie wird die Entscheidung deutlich kritisiert. Auf der Konferenz äußerte sich Peter Campbell (Syngenta) zum Thema der Neonicotinoiden und zum Handling der Thematik seitens der EFSA und den europäischen Regulatoren. Zunächst ging er auf den Review der EFSA ein. Dieser sei hoch kritisch und konservativ ausgefallen, begann er. Umfassende Daten aus Feldstudien seien dabei untergraben und Anzeichen für die Harmlosigkeit der betreffenden Neonicotinoiden eingehend hinterfragt worden. Anzeichen für schädliche Auswirkungen wurden dagegen schnell akzeptiert, so Campbell. Der Experte erläuterte weiter, dass die Risiken und Datenlücken, die im Zuge des Reviews identifiziert wurden, auf dem wissenschaftlichen Gutachten der EFSA basieren, das den publizierten EFSA-Leitfaden zu Bienen untermauert. Die „bee guidance“ der EFSA gilt als sehr umstritten und bislang gibt es zwischen der EFSA und den Mitgliedstaaten noch keine Einigung diesbezüglich. Campbell wies darauf hin, dass eine Reihe von Studien bzw. Publikationen zu Neonicotinoiden die Meinung der EFSA und der Europäischen Kommission negativ beeinflusst habe. Das generelle Problem dieser Studien sei, dass sie die realen Bedingungen der Exposition und die tatsächlichen Risiken für Bienen nicht widerspiegeln würden, betonte er. Campbell zeigte auf, dass es durchaus Belege dafür gibt, dass Neonicotinoiden unter realen Bedingungen nur ein geringes Risiko für Bienen darstellen. Wenn man Risiken innerhalb eines regulatorischen Rahmens untersuche, müsse man erforschen, was wahrscheinlich, und nicht was grundsätzlich möglich sei unterstrich Campbell. So gehe aus einigen, kürzlich erschienenen Studien hervor, dass Neonicotinoide tatsächlich kein bedeutender Treiber des Bienensterbens seien, fuhr er fort. Zum Moratorium äußerte Campbell, dass die derzeitige Beschränkung der erwähnten Neonicotinoide bereits klare Auswirkungen habe: So seien aus Rumänien, Deutschland und Großbritannien Schäden an der diesjährigen Rapsernte vermeldet worden. In einigen Gegenden Großbritanniens sei es zum Teil zu Verlusten von bis zu 50 Prozent gekommen, gab Campbell zu bedenken.

Während der allgemeinen Diskussion auf der Konferenz klärte die EFSA über die Bewertung der Substanzen auf und verdeutlichte, dass die Schlussfolgerungen der EFSA in Verbindung mit den Zulassungskriterien für aktive Substanzen stehen und nicht auf die Verluste bei Honigbienen bezogen sind. Zudem hob sie die Transparenz des Prozesses hervor. Unter anderem werden zu jeder Studie die detaillierten Bewertungen als Hintergrunddokumente veröffentlicht.

Lesestoff:

Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius-Konferenz können zum Preis von 295,- EUR zzgl. MwSt. unter www.akademie-fresenius.de bezogen werden.

Stefanie Johannsen (Akademie Fresenius)

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