Özdemir im Bundestag
Landwirtschaft
Özdemir souverän mit wunden Punkten
Die Bundestagswoche startet mit der Regierungsbefragung eines Ministers. Diesen Mittwoch war Cem Özdemir als Minister für Ernährung und Landwirtschaft dran. Der Auftritt war souverän, sprachgewandt, aber offenbarte die wunden Punkte seiner knapp einjährigen Amtszeit.
Entlastungshilfen
Der agrarpolitische Sprecher der Union, Albert Stegemann warf Özdemir gleich vor, nach seinem Vorschlag, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel als Ausgleich für die steigenden Preise zu senken, „unsichtbar“ geworden zu sein. Die Bundesregierung entlaste im neuen Schritt auch Bäcker und Metzger, aber die Landwirte fehlten.
Özdemir parierte, dass die ersten beiden Entlastungspakete auch den Landwirten als Privatbürger zugutegekommen sind, im dritten auch die Landwirte berücksichtigt werden. Er verwies auf die beiden Hilfspakete, die zusammen 180 Millionen Euro speziell für die von steigenden Energiekosten betroffenen Landwirte vorgesehen sind. Im Rahmen des ersten Paketes sind die Zahlungen bereits ohne Antrag ausbezahlt, für die Antragspflicht im kleineren Paket wurden die Landwirte angeschrieben. Für die Absenkung der Mehrwertsteuer gebe es erkennbar keine Mehrheit.
Zu wenig Gesetze?
Gleichzeitig musste er den wunden Punkt seiner Amtszeit unterstreichen: Außer dem Hopfengesetz [1] und einigen Verordnungen im Sog der EU-Politik kann Özdemir nicht viel Gesetzesinitiativen vorweisen und verteidigt sich: „Die Ankündigungen sind zahlreich, weil die Versäumnisse der Vorgängerregierung so umfangreich waren.“
Gerade beim Umbau der Tierhalter hätte die vorherige Regierung bei den Vorlagen der Zukunftskommission Landwirtschaft und dem Borchert-Papier einen „Elfmeter ohne Torwart“ bekommen und diesen nicht versenkt.
Das Kundenverhalten
Das Deckeln der Energiepreise und die Sicherung der Kaufkraft bei den Bürgern sichere auch die Existenz der Landwirte, sagte Özdemir. Doch helfe das den Landwirten nicht, die im Hofladen und in der Direktvermarktung mit rückläufigen Verkaufszahlen zu rechnen haben, kritisierte Artur Auernhammer (CSU). Wie das zu stoppen ist, wusste auch Özdemir nicht. Er verwies auf den konstanten Absatz von Bio-Produkten, die allerdings nicht mehr im Fachgeschäft und Hofladen, sondern im Discounter gekauft werden. Ob das reicht, dass der Biomarkt seine Vorteile im Bereich der Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit von fossilen Betriebsmitteln ausspielt, wie Özdemir unterstreicht, wird sich erst noch zeigen. Der Markt für Bio-Eier gilt als zusammengebrochen und die Umstellerrate geht zurück, wie der Deutsche Bauernverband auf der zurückliegenden BioFach feststellen musste.
Für den Minister gilt auch die eigene Bio-Stufe bei der Tierhaltungskennzeichnung als Hoffnungsträger – was aber die Frage der Finanzierbarkeit nicht klärt.
Künast hilft aus
Die erste grüne Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast half dem Minister mit zwei Fragen aus, bei deren Antworten er glänzen konnte. Sie forderte Özdemir auf, die Versäumnisse der Nitratrichtlinie aufzuzählen, was er mit Blick auf den 1993 ausführlich ausführte. Solange versuche das Bundeslandwirtschaftsministerium die Anforderungen gegen zu hohe Nährstoffeinträge ins Grundwasser zu begegnen. Immerhin hat nach dem augenscheinlichen Konsens mit der EU die Agrarministerkonferenz vom vergangenen Freitag zu Detailfragen geführt, wie ein bundeseinheitliches Messnetz und die Frage nach der Verursachergerechtigkeit [auch 1] anzugehen sind.
Özdemir konnte auch die geplante Ernährungsstrategie als wichtig einstufen. Nicht nur für die Gesundheit des Einzelnen, sondern auch mit der Vorsorge, Gesundheitskosten durch ernährungsbedingte Fehlernährung in Höhe von 35 Milliarden Euro bei den Krankenkassen einzusparen. „Das ist ein Programm für die gesamte Gesellschaft. Der Startknopf ist gedrückt.“ Allerdings fehlte in seiner Antwort ebenfalls irgendein Datum.
Pflanzenschutzmittel
Die Regierungsbefragung nur wenige Tage nach der Agrarministerkonferenz brachte keine Neuigkeiten. Allerdings berichtete Özdemir aus dem informellen EU-Agrarministertreffen in Prag. Auch andere Länder, wie Dänemark sorgten sich über das Totalverbot in Schutzgebieten. Özdemir ist auf der Suche nach Mitstreitern, die EU von diesem Unterfangen abzubringen und mit technologischen Offensiven wie Smart Farming und Digitalisierung zu Ausnahmen zu bewegen.
An einem Punkt hält er unverändert fest: Das Aus für Glyphosat am 31.12.2023. Özdemir versprach alles, bis auf einen Verstoß gegen EU-Recht, zu unternehmen, dass es in Deutschland beim Verbot bleibt.
Lesestoff:
[1] Hopfengesetz passiert den Bundesrat. Zweites Thema: Agrarministerkonferenz in Quedlinburg: Leseclub 37/2022
Roland Krieg; Foto: roRo
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