Ohne Landwirte gibt es keinen grünen Zweig

Landwirtschaft

Agri, Envi, Rat und Bauern

Es ist schon etwas Besonderes, wenn Anja Hazekamp und Herbert Dorfmann zusammen einen Bericht über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) schreiben. Hazekamp gehört der niederländischen „Partij voor de Dieren“ und im Europaparlament der Europäischen Linke im Umweltausschuss (Envi) an. Herbert Dorfmann vertritt die Südtiroler Volkspartei und sitzt im Agrarausschuss (Agri) des Europaparlamentes.

Nahezu zeitgleich fand der Informelle Agrarrat erstmals unter Leitung der portugiesischen Ratspräsidentschaft statt und diskutierte ebenfalls über die Agrarpolitik.

Und Landwirte haben sich bereits aus dem Bundesgebiet mit ihren Traktoren auf den Weg nach Berlin gemacht und demonstrieren heute vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Positionspapiere wurden im Vorfeld geschrieben.

Dampfdruck steigt

So viel Dampf auf dem Kessel ist selten. Aber er beschreibt die Menge an Unzufriedenheit der Bauern und Änderungswille an der GAP, denen sich die etablierte Agrarpolitik kaum noch entziehen kann. Aktuell finden die Triloge zwischen Kommission, Agrarrat und Europaparlament zur GAP statt. Die portugiesische Landwirtschaftsministerin Maria do Céu Antunes hält am Maitermin für eine Einigung fest. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mahnte, dass die Zeit bis Jahresende für den Nationalen Strategieplan genutzt werden muss, damit die Kommission die Pläne 2022 auch notifizieren kann. Doch selbst Fortschritte bei den Verhandlungen geben kaum Hinweise auf die wirkliche Ausgestaltung der GAP. Löst der Kesseldampf die Vorschläge wieder auf es wird komplett neu verhandelt oder wird die grüne Architektur in den Nationalen Strategieplänen doch noch revolutionär grünen Korrekturstift?

Bei so vielen unterschiedlichen Erwartungen an die GAP bleiben genug Enttäuschte für große Schlagzeilen übrig.

Agri und Envi

Wenn sich die beiden Ausschüsse im Europaparlament einig sind, wird der Kompromiss auch Bestand im Plenum haben.  Hazekamp und Dorfmann haben einen Entwurf über die Strategie Farm-to-Fork (F2F) ausgearbeitet, der am Montag in gemeinsamer Sitzung vorgestellt wurde. Die Linke und der Konservative haben einen gemeinsamen Teil, aber auch Absätze im Interesse der jeweiligen Ausschüsse geschrieben. „Wir wollen eine andere Landwirtschaft, die auch kleinen Betrieben eine Möglichkeit bietet“, fasst Hazekamp zusammen. Europa brauche eine nachhaltige und globale Strategie, die mit Verarbeitung und Verzehr weit über die Landwirtshaft hinaus gehe. Verbraucher müssten durch klare Kennzeichnung wahrhaft über die Herstellung informiert werden. Die EU dürfe bei ihren Handelsabkommen F2F nicht konterkarieren

Die Einbeziehung von F2F sei eine echte Chance, die Wertschöpfungskette „neu zu denken“, ergänzte Dorfmann. Allerdings fokussiere das im Mai 2020 von der Kommission vorgelegte Papier die Verantwortlichkeit einseitig auf die Landwirtschaft. Reduktionsziele bei Erosion, dem Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmittel sowie mehr Ökolandbau seien lediglich für die Landwirte numerische Zielvorgaben. Für Verarbeitung und den Konsumenten seien keine Ziele aufgeschrieben. Die Landwirte interpretierten F2F daher als Konfrontation gegen sie, obwohl die Landwirtschaft nicht der größte Emittent von Treibhausgasen ist. Dorfmann will durchaus einiges ändern. Die norddeutschen Viehhaltungsbetriebe liegen in Hafennähe und verarbeiteten importiertes Eiweißfutter zu Milchpulver, das wieder exportiert werde. „Das ist eine industrielle Verwertung von Eiweiß“, sagte Dorfmann und forderte die Länder auf, solche Systeme zu überdenken. Dorfmann betonte, dass die Landwirtschaft vom Handel lebt, aber stellt auch infrage, ob manche Wertschöpfungskette nicht innereuropäisch kürzer und sinnvoller wäre. Die EU müsse aufpassen, dass sie mit dem südamerikanischen Handelsabkommen Mercosur nicht die falschen Signale aussende.

Nathalie Chaze ist Direktorin für „Nahrungsmittelnachhaltigkeit und internationale Beziehungen“ in der Generaldirektion Gesundheit. Sie betonte, dass F2F, der Green Deal und die Strategie zur Biodiversität keine rechtsverbindlichen Texte sind. Das können sie erst werden, nachdem eine Folgenabschätzung durchgeführt und von Rat und Parlament angenommen wurde. Sie nahm etwas Druck aus dem Kessel und sagte, dass die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides heute ein Papier zur notwendigen Änderung der Ernährungsweise der Verbraucher vorstellen wird. Denn, so Chaze, ohne diese Änderung gebe es auch keine landwirtschaftliche Transformation.

Tassos Haniotis ist Direktor bei der Generaldirektion Agri und leitet den Bereich Politikanalyse. Die Triloge sind eine Chance für Korrekturen und Erfolge werden davon abhängen, wie die EU sich international aufstelle.

Die gemeinsame Ausschusssitzung fasste Bewahrendes und Forderndes, was vielfach in Deutschland diskutiert wird zusammen und gibt vor allem den Kritikern an der aktuellen GAP einen großen Rückhalt mit leichtem Korrekturbedarf. Wie weit Brüssel ist, deckte Ulrike Müller von den Liberalen auf. Die Kommission wird am Ende ihrer Legislatur ein Rahmengesetz für nachhaltige Ernährungssysteme erstellen. Wegducken ist nicht mehr möglich.

Agrarrat

Vor allem bei den Strategischen Plänen hängen die Triloge dem Zeitplan offenbar hinterher. Portugals Landwirtschaftsministerin Maria do Céu Antunes hat in der Videoschalte der europäischen Agrarminister vier neue Trilogtermine bis Ende März angekündigt. Dann wird Portugal zusammenfassen, wie weit die GAP-Verhandlungen sind. Die baltischen Länder beklagen traditionell die zu geringe Quote der Direktzahlungen und befürchten heftige Einkommensbußen bei zu vielen Umweltauflagen.

Landwirte

Im September 2019 stellten die Bauern die ersten grünen Kreuze als Protest auf. Mittlerweile kommt ein breites Spektrum an Meinungen zusammen. Damals sagte René Rempt zu Herd-und-Hof.de, dass die Bauern alle Umweltleistungen mitmachten, aber der zusätzliche Aufwand auch entlohnt werden müsse [1]. Nach eineinhalb Jahren haben sich die Bauern nicht nur darauf verständigt, dass es eigentlich und überhaupt um gerechte Preise geht, sondern heute neben den üblichen diffusen Forderungen nach fairen Preisen, weniger Handelsmacht und nachhaltigen Verbrauchern, konkrete Vorschläge eingefordert werden. Sowohl das Bundeslandwirtschaftsministerium als auch der Deutsche Bauernverband halten sich kontinuierlich bedeckt. Nicht nur, weil der Politik ein alleiniger Ansprechpartner fehlt und der Bauernverband viele Gesichter aus den Landesverbänden kennt.

Vom Milchdialog im vergangenen November bis zur Blockade der Auslieferungslager haben die Bauern neue Formen gefunden. Als Außerparlamentarische Opposition, die in den 1960er Jahren auch Zeit brauchte, sich zu finden, um das Establishment herauszufordern. Die Milchbauern versuchten es bei Molkereien und Schlachthöfen, die Blockierer legten den Handel lahm.

Wenn Ministerium und Bauernverband leise sind, liegt das auch an der Kenntnis darüber, wie schwer sich Parolen in effektive Politik umsetzen lassen. Doch die Straße lernt. Die Milchbauern fordern erneut die Umsetzung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktordnung mit konkreten Vertragsvereinbarungen über Preise, Menge, Dauer und Qualität zu liefernder Agrarprodukte.  Ein temporäres Krisenmanagement mit Mengensteuerung auf EU-Ebene, Marktverantwortungsabgabe und Sanktionen.

Im Milchdialog sind auch die Milchbauern von Land schafft Verbindung integriert. LsV hat den jahrzehntelangen Kritiken neuen Schub gegeben. Wenn dabei auch LsV als Ganzes auf der Strecke blieb. Die erste Garde von LsV wurde aus den Sprecherpositionen gedrängt. Die Splittergrupe um Maike Schulz-Broers von „LsV – Das Original“ kämpft um Begriff und Deutungshoheit. Doch schon die APO wusste: „Zwischentöne sind Krampf im Klassenkampf“. Dafür holt sie heute mächtig auf und fordert eine Kommission, die Vollkostenpreise bestimmt und anpasst. Daraus soll ein Erzeugungskostenindex für „wirtschaftliche auskömmliche“ Erzeugerpreise abgeleitet werden. Denn, was ein fairer Preis ist, ist bislang unklar.

Schwieriger wird es dann bei Forderungen nach Einfuhrverboten von Lebensmitteln unterhalb des deutschen Standards und das Aussetzen aller Verordnungen und Gesetze für die Landwirtschaft aus dem Jahr 2020.

Fazit

Der Montag hat im Europaparlament und im Agrarrat gezeigt, wie gesellschaftsfähig die grüne Architekturvorgabe in der GAP ist. Da führt kein Weg mehr dran vorbei. Die Bauern schämen sich nicht mehr, Geld für ihre Leistungen einzufordern. Zusammen ist ein neues Bild der GAP möglich. Jetzt müssten noch BMEL und DBV aufspringen, um wirklich etwas zu bewegen.

Lesestoff:

[1] MeLa: Mehr als nur grüne Kreuze: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mela-die-stimmung-kippt.html

Roland Krieg

© Herd-und-Hof.de Nutzungswünsche: https://herd-und-hof.de/impressum.html

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