Opfer falscher Bilder

Landwirtschaft

Agraropposition formiert sich

Die Gründe gegen die Agrarindustrie beim aktuellen Dioxinfall sind die gleichen, wie vor zehn Jahren, als BSE die Verbraucher verunsicherte. Das weiß auch Prof. Dr. Hubert Weiger, Präsident des BUND. Seit zehn Jahren sind die Umwelt- und alternativen Agrarverbände allerdings nur verbal erfolgreich. Die Begriffe „bäuerliche Produktion“ und „Nachhaltigkeit“ sind von der Agrarindustrie übernommen worden und gaukelten mit „Potemkinschen Dörfern“ wie in der Tierhalle 25 der Grünen Woche den Verbrauchern eine Agraridylle vor, die mit der Realität wenig zu tun hat. Kaum eine Kuh steht in den konventionellen Ställen auf Stroh.

Steigbügelmolekül Dioxin

So bietet der Dioxinfall erneut eine Chance, auf eine Agrarwende hinzuarbeiten. Klima- und Umweltziele sind nicht zu erreichen, wenn sich die Agrarpolitik nicht ändert. So steht die diesjährige Grüne Woche mehr im Brennpunkt einer Agrarwende als im Zeichen des Dioxins. Friedrich von Hohmeyer, Vorstand des AgrarBündnis, das im Vorfeld der Grünen Woche seinen „Kritischen Agrarbericht 2011“ vorstellte, betonte, dass es nicht um einzelne Produkte geht, sondern um eine ganze Anschauung:„Es fehlt die Achtung vor Lebewesen vom Regenwurm bis zum fliegenden Vogel.“ Eine Gewinnmaximierung im Bereich der Lebenswelten sei nicht möglich. Wenn die Industrie das vermissen lasse, dann müsse der druck von den Verbraucher ausgehen.
Die neue Öffentlichkeit ist eine neue Konfrontation zwischen Ökolandbau und konventioneller Landwirtschaft, die seit Monaten brodelt und über das Thema Dioxin rund um die Grüne Woche die Gräben vertieft.
Aufklärungsarbeit sei dringend notwendig. Verbraucher werden mit falschen Bildern und Versprechungen in Sicherheit gewiegt, so Prof. Weiger. Das Thema ist aber auch komplex. Kühe sollten nur Wasser, Gras und Heu zu fressen bekommen. Die dramatische Reduzierung des Grünlands gehe einher mit der Verdrängung des Raufutters durch energiereiches Kraftfutter. Damit wird die Kuh zum Nahrungskonkurrenten des Menschen und zum Allesfresser, wie das Schwein.

Unbekannte Agrarwirtschaft

Zu wenig Verbraucher haben Vorstellungen, wie Lebensmittel produziert werden. In der Schweine- und Milchproduktion stellen zu 97 Prozent nur noch vier Tierrassen die Zuchtbasis, mahnt Dr. Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund. Der Begriff „gefährdete Nutztierrassen“ zeigt wörtlich die Gefahr auf, dass der Nutzen aus der Tierhaltung gefährdet ist, verschwinden genetische Ressourcen.
Unbekannt ist vielen Verbrauchern die Dimension der neuen Agrarindustrie. 20.000 Schweine werden täglich in Weißenfels geschlachtet. Der Schlachthof produziert täglich so viel Abwasser wie die Stadt Leipzig, so Prof. Weiger.
Auch der Kritischen Agrarbericht zeigt Beispiele auf, wie weit sich die Agrarproduktion von der Vorstellungswelt der Verbraucher entfernt hat. Armin Paasch beschreibt die Schweineproduktion, die vorsätzlich für den Export ausgerichtet ist. Im gleichen Zeitraum, in dem die Exporteure neue Umsatzrekorde erzielten, haben 14.000 Schweinehalter ihren Betrieb aufgeben müssen. Die Anzahl der Deutschland gehaltenen Schweine ging allerdings nur um ein Prozent zurück. Hier hat ein dramatischer Strukturwandel stattgefunden, der den meisten Konsumenten verborgen bleibt.

Kritischer Agrarbericht

Genau das ist auch das Anliegen des Kritischen Agrarbericht, der traditionell auf der Grünen Woche vorgestellt wird. In den ersten drei Monaten gibt es ihn auch noch gedruckt – danach ist er über das Internet verfügbar, erläutert Dr. Frieder Thomas vom Agrarbünnis. Die Leser erhalten die Möglichkeit, aktuelle Themen aus Sicht der Agraropposition zu sehen – leicht verständlich und praxisbezogen.

Bestelladresse: ABL-Verlag, Bahnhofstraße 31 in 59065 Hamm; ISBN 978-3-930 413-45-4; 22 Euro

Roland Krieg

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige Grüne Woche mit dem Suchbegriff „IGW-11“ anzeigen lassen]

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