Organic is Rock´n Roll, Baby

Landwirtschaft

Hollands ehrgeiziger Bio-Plan

Gerda Verburg1927 wurde in den Niederlanden auf der Insel Walcheren in der Provinz Seeland der erste Bio-Betrieb gegründet. Ab den 1960er Jahren entwickelte sich ein Verkaufsnetz von Bioläden. Gerda Verburg, Landwirtschaftsministerin der Niederlande, reiste zur Nürnberger BioFach mit einer 150-köpfigen Wirtschaftsdelegation an und will den Bio-Boom in ihrem Land deutlich nach vorne treiben.

Große Pläne
Aktuell werden rund 2,6 Prozent der niederländischen Ackerfläche ökologisch bewirtschaftet. Das entsprocht einer Fläche von knapp über 50.000 Hektar, die von 1.395 anerkannten Betriebn bewirtschaftet wird. Mehr als zwei Drittel ist Grasland für die Milchproduktion, sowie Futterfläche. 305 Biobetriebe halten rund 16.000 Milchkühe. Weitere 75 Betriebe haben sich auf Schafs-und Ziegenkäse spezialisiert. In den Niederlanden ist die Fleischproduktion generell rückläufig, aber die Produktion von Bio-Rindfleisch steigt sark an. Trotzdem reicht es nicht für den eigenbedarf und muss importiert werden. Im Gegensatz zu Bio-Geflügelfleisch und Bio-Eier. Die Kapazität der Biogeflügelbetriebe hat zwishen2004 und 2007 um 250 Prozent zugenommen. Mit mehr als einer Million Hennen sorgen die Geflügelhöfe für vier Prozent der gesamten Gefügelproduktion des Landes. Drei Viertel aller Bio-Eier werden exportiert, überwiegend nach Deutschland.

1996

1999

2008

Ökofläche in ha

12.500

23.000

50.435

Ökoanteil in % der Gesamtfläche

0,7

1,2

2,7

Umsatz Bioprodukte in Mio. €

160

235

583

Ökokonsum in % vom Gesamtkonsum

n.a.

1,1

2,1

Q: Organic Holland

Auch wenn die Zahlen im vergleich zu anderen Ländern niedrig sind, so weist Margaret Hofstade aus dem Landwirtschaftsministerium auf die hohe Produktivität hin. “Boden ist in Holland sehr teuer”, so Hofstade.

Der Markt entwickelt sich nachfragegesteuert
Gerda Verburg sagte gegenüber Herd-und-Hof.de, dass die heimische Nachfrage nach Bioprodukten um acht Prozent angestiegen sei. Im Vorjahr lag das Wachstum bei vier Prozent. Damit trotzt der Biomarkt deutlich der Wirtschaftskrise. Sie will in den nächsten 15 Jahren Supermärkte gänzlich auf nachhaltige Produkte umstellen und hat mit der “Plattform für nachhaltige Lebensmittel” ein Informationsportal geschaffen. Eine gesonderte Förderung werde es aber nicht geben, so Verburg, sondern die Nachfrage werde die gesamte Wertschöfungskette prägen. Helfen soll dabei eine eigerichtete Task Force, die den Konsum jährlich um 10 Prozent steigern soll. Darin tauschen sich Universitäten, Landwirte, Vertreibsfirmen, Händler und Nichtregierungsorganisatonen aus.

Das niederländische Ökosiegel „Eco“ folgt der europäischen EU-Verordnung und wird von der 1985 gegründeten Kontrollstelle „Skal“ geprüft. Zudem gibt es das Rückstandsmonitoring „Biokap“, das unter anderem in Deutschland vom Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) anerkannt ist.

Einen Boom im Ökomarkt haben die Supermärkte ausgelöst, die Bio-Ware in das Standardsortiment überneomen haben. Überraschenderweise nicht auf Kosten der Naturostläden, die offensichtlich andere Kunenkreise ansprechen. Im jahr 2008 ist der Umsatz für öökologische Produkte um 12,4 auf 580 Millionen Euro angestiegen und damit stärker als der Verbrauch konventioneller Lebensmittel. Zwei Drittel der Konsumausaben für Ökoprodukte entfallen aus frischwaren, einschließich Brot und Fleisch, 20 Prozent auf Molkereiprodukte und nur ein Drittel auf verarbeitete Ware.
Gerda Verburg betonte mehrmals, dass zur Stimulanz des Ökomarktes keine gesonderten Politikprogramme aufgelegt werden. Der Markt müsse und werde sich durch eine gestärkte Nachfrage von alleine bilden.
Vor allem die Gastronomie scheint mitzuziehen. Rund acht Prozent aller verkauften Bioprodukte werden über Kantinen und Restaurants umgesetzt. Hier hat die Regierung aber doch geholfen, weil sie in den Behördenkantinen Bioprodukte eingeführt hat.Künftig müssen 40 przent aller Speisen biologisch erzeugt sein.
Bio erfasst aber auch das gesamte Alltagsleben. Im jahr 2008 wurde auf dem wichtigsten Open-Air-Festival des landes, dem owlad-Festival, überwiegend Bioware angeboten. Der Flyer hat die ungen Menschen gezeilt agesprochen: “Still don´t get it? Organic is rock´n roll, baby.”

Von der Bewirtschaftungsweise zum Lifstyle
Uli Schnier, Präsident der Task Force, beschreibt die Aufgaben der Task Force. Bio soll nicht mehr nur eine Beschreibung der Wirtschaftsweise sein, sondern ein Lebensgefühl. Deshalb unterstützen die Niederlande auch nicht die Produktion oder die Produzenten, sondern über Werbekampagnen, Fernsehspots, Verköstigungen und Kommunikation innerhalb der Wertschöpfungskette die Nachfrage beim Konsumenten. Zwar war der Kunde frühzeitig an biologischer Ware interessiert,zeigte aber emotionale Hemmschwellen, die abgebaut werden sollen. Dazu gehört, dass Informationsflyer nicht auf Recyclingpapier gedruckt wird, und das Bioware in die konventionellen Lieferstrukturen zum Supermarkt eingeschleust wird. Manger der Wertschöpfugskette bringen an den scnittstellen Produzenen, Händler und Marktbesitzer zusammen, um Produkte vom Acker auf den Teller zu bringen. Eine Stimulanz der Angebotsseite, ohne das Kunden die Ware nachfragen, sei nicht der richtige Ansatz, so Schnier.
Schulen als Ansprechpartner für die künftigen Konsumenten werden von der Task Force nicht genutzt. Zum einen liegt das daran, dass es in den Niederlanden nur wenig Gesamtschulen mit Verpflegungsmöglchkeiten gibt. Mittags sind die Kinder wieder zu ause, so Hofstade zu Herd-und-Hof.de. Zum aderen sind die Schulen sehr autark und ließen sich nicht in die Lehrpläne reinreden, ergänzt Uli Schnier.

Ökofläche ges.

50.435

Futteranbau

1.305

Weideland

36.029

Katoffeln

1.270

Getreide

5.092

Obst

5.464

Gemüse

4.200

Nicht produktiv

737

Q: Organic Holland; nicht produktiv bedeutet auch den Anbau von Pflanzen zur Bodengesundung

Praktische Forschung
Die Forschung der Niederlande ist an der Praxis ausgerichtet. Die Universität Wageningen und das Luis Bolk Institut haben Einladungsbriefe an die Bauern geschrieben, sich an Forschungskreisen zu beteiligen. Daher findet im Biobereich fasst nur Forschung statt, die auf dem Feld angewandt werden kann, erklärt Wiggard Sukkel von der Universität Wageningen. Herausgekommen ist beispielsweise ein Gerät, dass den Kartoffelkäfer absaugt (Beetle eater), das aber auch gegen die Weiße Fliege erfolgreich ist. So erfolgreich, dass Geräte in Deutschland auch auf konventionellen Betrieben eingesetzt werden. Die Forschung geht über die praktische Landwirtschaft hinaus und erfasst auch die Ladengestaltung zur Präsentation der Bioware und Sortenpflege. In Wageningen werden fast vergessene Gurkensorten rekultiviert, die in den nächsten fünf Jahren wieder auf dem Markt sein sollen.

Öko und konventionell
Die Niederlande sind ein exportorientiertes Agrarland und der Ferkelverkauf nach Deutschland, der in den letzten Jahren statt gefunden hat, resultiert aus einer intensiven Agrarproduktion. Für Gerda Vernburg kein Widerspruch, denn Ökoschweine und konventionelle Zuchtbetriebe sind in den Niederlanden räumlich getrennt. Im Gegenteil könnten die konventionellen Betriebe sogar von den ökologischen Betrieben lernen. Die Ferkel werden unter anderem deshalb verkauft, weil die Gülle nicht mehr ausgebracht werden kann.
Für Margaret Hofstade sind die beiden Wirtschaftsweisen zu weit auseinander. Die Forschung ist so ausgerichtet, dass die Innovationen auch den konventionellen Betrieben zu Gute kommen kann. “Wir wollen beide Seiten wieder näher zusammen bringen”, so Hofstade.
Seit 2008 läuft die dritte Phase zur Unterstütung der ökologischen Landwirtschaft. Bis 2011 stehen knapp 50 Millionen Euro für die Stimulanz der Nachfrage zur Verfügung. Dann endet die Aufgabe der Task Force und der Ökolanbau muss alleine laufen.

Lesestoff:
Alles über den niederländischen Ökolandbau finden Sie auf der webseite www.organicholland.com

Roland Krieg (Text und Fotos)

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige BioFach mit dem Suchbegriff"BF-10"im Archiv anzeigen lassen]

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