Passen Biopatente und Landwirtschaft zusammen?

Landwirtschaft

Biopatente: Fortschritt oder Gefahr für die Welternährung?

>„Ich will keine Monopolisierung des Saatgutes bei wenigen multinationalen Konzernen, bei denen die Landwirte als Bittsteller antreten!“ Ein klares Bekenntnis von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) zum Thema Biopatente. Was aber so einfach klingt, beschäftigt in Wirklichkeit Heerscharen von Rechtsanwälten, wie das Symposium „Biopatente und Landwirtschaft – wie passt das zusammen?“ im Berliner Landwirtschaftsministerium zeigte. Hintergrund ist das Ende des Forschungsprojektes „Biopatente in der Tierzucht“, das von der Hochschule Darmstadt, der Cardiff University und der TU München durchgeführt wurde. Gefördert wurde es von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Tag 1 beschäftigte sich mit der politischen Dimension.

Schutz oder Bevormundung?

Biopatente sind vor dem TRIPS-Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums und dem so genannten EU-Einheitspatent zu sehen. Es gilt die Balance zu finden, die zwischen dem Schutz für den Aufwand einer Erfindung gerechtfertigt erscheint und dem Ausschluss von einem Allgemeingut, das die Natur allen Menschen zur Verfügung gestellt hat.
Das Europäische Parlament und Deutschland haben eine gemeinsame Sicht auf Biopatente, erklärte Elisabeth Jeggle aus dem EU-Parlament und Mitglied des Agrar-Ausschusses (CDU). Die deutsche Auslegung sichert mit dem Züchterprivileg den Zuchtfirmen die Verwendung des Saatgutes zu und dem Landwirt einen Nachbau nach Bezahlung einer Lizenz. Die Ablehnung des Brokkoli-Patentes [1] und des Schweinepatentes [2] durch das Europäische Patentamt sind „gute Nachrichten für Züchter und Landwirte“ unterstrich Aigner. Alle Fraktionen haben im Februar 2012 den Beschluss „Keine Patentierung von konventionell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztieren und -pflanzen gefasst“.

Rechtliche Labyrinthe

Doch so einfach ist das nicht. Heli Pihlajamaa, Direktorin für Patentrecht im Europäischen Patentamt (EPA), legte die rechtlichen Grundlagen dar. Patente werden nur erteilt, wenn sie technischen Charakter haben, neu sind, wirklich erfunden wurden und gewerblich nutzbar sind. Patente auf Pflanzensorten und Tierrassen sind nicht erlaubt. Aber: Wenn ein technisches Verfahren entwickelt wurde, das nicht sorten- oder rassespezifisch wirkt, dürfen auch Pflanzen und Tiere patentiert werden. Wie bei gentechnisch veränderte DNS-Konstrukte.
Das wird auch schon seit Louis Pasteur, der 1873 Hefen patentieren ließ, angewandt, ergänzte Dr. Christel Happach-Kasan (FDP). Da reihen sich auch die Krebsmaus und andere Tiere für die Medizin ein. Aktuell ist derzeit die Frage, ob bei einem vorliegenden Fall nach einem patentierten Verfahren auch das Endprodukt den Patentschutz genießt? Das EPA wird im ersten Quartal 2014 dazu abschließend Stellung nehmen.

Verschiedene Interessen

Elisabeth Jeggle erinnerte daran, dass Antworten über das Patentgesetz nicht nur Agrar- und Umweltbelange berühren. So plädiert der EU-Entwicklungsausschuss für das offen halten der genetischen Ressourcen für den Kampf gegen Welthunger und Armut. Der EU-Wirtschaftsausschuss hingegen stellt den Schutz des geistigen Eigentums voran, während der EU-Agrarausschuss an das Züchter- und Landwirteprivileg denkt. Das gibt es nach Jeggle außer in Deutschland nur noch in den Niederlanden und in Frankreich. Deutschland dürfe sich auf diesen Errungenschaften nicht ausruhen. Demnächst beginnt die Umsetzung der Nagoya-Beschlüsse zur Artenvielfalt und da würden die Interessen neu gemischt.

Da ist es nicht verwunderlich, dass trotz gemeinsamen Beschlusses quer durch den Bundestag die Einstellungen variieren. Einigkeit gibt es, so Dr. Max Lehmer (CDU) in der Ablehnung von Patenten in der konventionellen Züchtung. Patent und Sortenschutz ergänzten sich, während das EU-Einheitspatent die Privilegien gefährde, weil nationale Interpretationen nicht mehr zugelassen sind. Nach Dr. Lehmer müsse das Prinzip des Sortenschutzes auf die Tierrassen übertragen werden.

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) hingegen betont den Schutz des geistigen Eigentums und Europa dürfe nicht den Fehler machen, sich als Insel auf der Welt zu verstehen. Patente werden weltweit erteilt und deren Produkte gelangen auch nach Europa. Sie unterstützt die Einschätzung des Bundesjustizministeriums, dass das Einheitspatent den Privilegien das Aus bereiten könnte. Die ständigen Patentstreitereien kommentiert sie mit dem Satz: „Wir wollen mehr Erfindungen und weniger Juristerei!“. Die Herausforderung Welternährung komme ohne Erfindungen und Patentschutz nicht weiter.

Das Politik und Juristerei hinter der Realität hinterherhinken unterstrich Dr. Matthias Miersch (SPD). Das so genannte Teff-Patent erstreckt sich bis zum Mehl. Eine niederländische Firma hat sich das äthiopische Getreide Teff patentieren lassen und konnte den Schutz bis auf das Mehl ausweiten. Im Patent steht der Satz „Mehl eines Korns, das zur Gattung Eragrostis gehört, wobei die Fallzahl des Korns zum Zeitpunkt des Mahlens wenigstens 250 beträgt.“ Für die Äthiopier war das nicht neu, doch haben sie die Fallzahl nirgends aufgeschrieben. Das erst machte die niederländische Firma. Und das Patent wurde erteilt. Solche Patente machen Angst. Miersch kritisiert, dass es außer der Beschwerdekammer bislang keine eigene Rechtsbarkeit gibt. Dafür soll ein Europäisches Patentgericht aufgebaut werden, das aber ohne parlamentarische Kontrolle sei. Vor allem kleine Firmen könnten sich die langwierigen Prozesse nicht leisten. Daher müsste es eine Prozesskostenhilfe bei Patentstreitigkeiten geben.

Bei der Linksfraktion stoßen Biopatente grundsätzlich auf Ablehnung. Dr. Kirsten Tackmann erklärte warum: Gene können nur entdeckt und nicht erfunden werden und schon gar nicht Lebensmittel. Bäuerliche Zuchtverfahren und der Nachbau von Saatgut sollten Selbstverständlichkeiten sein. Patente wie das des Teff gefährden das Recht auf Nahrung. Am Ende verringert sich die Zahl der in der Landwirtschaft genutzten Sorten und Bio-Piraterie nehmen den Entwicklungsländern Entwicklungschancen. Die Erfahrungen zeigten, dass strategische Vorteile eines Biopatents so groß sind, dass Firmen und Anwälte erfindungsreich bei Umdeutungen der bestehenden Regeln sind. Biopatente und Landwirtschaft passten überhaupt nicht zusammen. Allein das Risiko, dass vom Acker bis zum Teller alles in einer Hand patentiert sein könnte, gerechtfertigte Eingriffe in diese Entwicklung.

Auch Bündnis 90/Die Grünen stehen den Biopatenten grundsätzlich skeptisch gegenüber. Harald Ebner: „Patente sind eine Privatisierung von essentiellen Allgemeingütern!“. Ebner warf ein, dass Innovationen nicht alleine auf Patentschutz zurückzuführen seien. Der Vergleich zwischen den USA und Europa zeige, dass der Sortenschutz in Europa dauerhaft höhere Erträge hervorgebracht habe als patentierte Nutzpflanzen in den USA [3]. Für Ebner sind Patente meist mit gentechnisch veränderten Pflanzen verbunden, Daher warnt er vor allem bei dem angekündigten Abkommen zwischen den USA und Europa, dass die deutsche „Unberührbarkeitsklausel“ durch das Investitionsschutzabkommen ausgehebelt werden kann. Ebner fordert eine Ethikkommission, die dem EPA zur Seite gestellt werden soll.

Lesestoff:

Europäisches Patentamt: www.epo.org

[1] Brokkoli-Patent

[2] Schweinepatent

[3] Die Erträge liegen in Europa bei etwa 52 dt/ha, in den USA bei 32 und weltweit bei 29 dt/ha (Agrarmärkte 2010; Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft)

Am Freitag folgt Teil II über das angelaufene Biopatent-Monitoring.

Roland Krieg

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