Petition gegen „Massentierhaltung“
Landwirtschaft
Sachliche Diskussion zur Tierhaltung im Petitionsausschuss
„Der Deutsche Bundestag möge beschließen, die Massen- und Intensivtierhaltung bis zum Jahr 2020 abzuschaffen. Mit Massen- und Intensivtierhaltung sind Haltungsformen gemeint, in denen das Platzangebot für die Tiere soweit wie möglich eingeschränkt, kein Auslauf geboten und wenig oder kein Beschäftigungsmaterial angeboten wird oder auch routinemäßig Amputationen an den Tieren durchgeführt werden.“
Was wie ein Antrag der Opposition klingt ist die Petition der Albert Schweizer Stiftung, die am Montag im Petitionsausschuss diskutiert wurde. Mahi Klosterhalfen, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung, stellte noch einmal den Zusammenhang zum Tierschutzgesetz her, das „niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen“ darf. Klosterhalfen verteidigte die Verwendung des Begriffes, weil in Abhängigkeit zur Bestandsgröße beispielsweise der Gebrauch von Antibiotika zunimmt. Dabei bezog er sich auf die entsprechende Äußerung des Bundesinstituts für Risikobewertung.
Demgegenüber zeigten Bauernverband und Agrarindustrie nur „frisch geputzte Ställe mit gerade erst aufgestallten Jungtieren.“ Auch die Wissenschaft hält Klosterhalfen für nicht immer unabhängig. Allerdings würde auch der gesunde Menschenverstand ausreichen, um das Kupieren von Schwänzen, das Enthornen von Kälbern, Schnabelkürzen und abzwicken der Eckzähne nicht als artgerechte Haltung zu bezeichnen. Die Debatte um den Antibiotikaeinsatz habe zwar Wirkung gezeigt, es wurden aber bislang nur 170 Tonnen weniger verabreicht. Dafür seien mehr hochwirksame Antibiotika zum Einsatz gekommen. Die Tierschutzinitiative des Bundeslandwirtschaftsministeriums sei nur halbherzig, weil sie zunächst nur auf Freiwilligkeit basiere. Deutschland werde niemals mit Brasilien um das am günstigsten erzeugte Masthühnchen konkurrieren können. Wenn Deutschland im Exportbereich auf seine Qualitätsführerschaft poche, dann müsse das auch für den Fleischsektor gelten.
Nur einmal verstieg er sich beim Thema Antibiotikaresistenzen mit einer Bemerkung: „Ein Zyniker würde fragen, ob Billigfleisch nicht mit Menschenleben bezahlt werde.“
Das war während der Laufzeit der Petition ganz anders. Die Moderatoren aus dem Bundestag mussten im Sommer feststellen: „Die Diskussion ist in weiten Teilen unsachlich und geht am Thema der Petition vorbei. Das betrifft sowohl die Pro- als auch die Contra-Diskussionsbeiträge.“ Die Moderatoren wiesen darauf hin, dass das Diskussionsforum vorzeitig geschlossen werden kann, wenn es bei der Unsachlichkeit bleibe. Im Petitionsausschuss griff Agrarstaatssekretär Peter Bleser denn auch gleich ein. Landwirte nehmen nicht den Tod von Menschen billigend in Kauf und haben das Wohl der Tiere im Auge. Bleser wies die Unterstellung „mit Entschiedenheit zurück. Solche Unterstellungen zuzumuten ist eine Unverschämtheit.“
Schritt für Schritt
Tierschützer sind trotz intensiver Diskussion der letzten Jahre unzufrieden, weil es nicht schneller voran geht. Peter Bleser allerdings nahm sich Zeit, die vielen Schritte aufzuzeigen, die bislang durchgeführt wurden. Dazu zählt die Förderung von Stallneubauten aus der Gemeinschaftsaufgabe der Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) mit Beiträgen bis zu 40 Prozent. Auch die im Januar startende Tierwohlinitiative des Berufsstandes ist eine Gemeinschaftsaufgabe mit dem Lebensmittelhandel. Im Bereich der Tötung von männlichen Küken der Legelinien stehe das Forschungsprojekt zur sicheren Identifizierung des Geschlechtes vor dem Schlupf kurz vor dem Ende. Bleser wies zudem auf den „Stallbau-TÜV“ hin, der im Frühjahr 2015 seine fachliche Ausgestaltung erhält. Die betäubungslose Kastration als nicht-kurativer Eingriff beim Ferkel wird Ende 2018 verboten. Die schon heute mögliche Alternative der Impfung finde beim Verbraucher keinen Anklang. Auch die Änderung beim Baurecht biete den Kommunen schon Chancen, Stallbauten zu verbieten, weil sie nicht mehr als privilegiert gelten. Da das erst seit Sommer 2014 gelte, liegen noch keine belastbaren Auswertungen vor.
Eine Frage des Geldes?
Offen blieb auch die Mitverantwortung der Verbraucher. Der Kunde hat ja nach Bleser die Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Tierwohllabeln. Ute Schulte von der SPD entgegnete jedoch, dass die Verbraucher immer mehr nach ihrem Geldbeutel entscheiden und die Wahl deshalb nicht so freiwillig erfolge, wie von den Ökonomen gewünscht. Andreas Mattfeldt (CDU) hingegen sagte, dass die Menschen heute mehr Geld haben als in früheren Zeiten und noch nie so wenig für Lebensmittel ausgegeben haben wie heute. Es sei nicht unbedingt eine Frage des Geldbeutels, sondern des Wollens.
Klosterhalfen will die Negativkennzeichnung, wie sie bei den Käfigeiern im Gesamtkontext mit Handel und Verbraucher funktioniert habe. Wenn die falschen Werbebilder von den Verpackungen verschwänden und die wirklichen Haltungsbedingungen abgebildet würden, kauften auch die Konsumenten mit knappem Etat Produkte aus artgerechter Haltung. Der Konsum müsse sich auch auf den Gesundheitsaspekt ausrichten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehle lediglich die Hälfte des Fleischkonsums, wie er durchschnittlich getätigt werde. Klosterhalfen fürchtet nicht, dass die Abschaffung der „Massentierhaltung“ Deutschland in eine vegetarische oder vegane Gesellschaft verwandelt.
Wo sind die Alternativen?
Kirsten Tackmann von der Fraktion Die Linke erkannte, dass die Diskussion sich in einem „Graubereich“ bewege. Es sei schwer die Realität in die richtige Richtung zu korrigieren. Es muss noch geduldet werden, was abgeschafft gehöre. Massentierhaltung als reines Quantitätsmerkmal lehnen die Linken ab. Sie wollen Tierwohl über qualitative Merkmale definieren. So beispielsweise die Bindung der Tierhaltung an die Fläche. In der Kritik stünden eher die kapitalbezogenen Akteure der gewerblichen Tierhaltung.
Das sieht auch Klosterhalfen. Familiengeführte Betriebe haben diese Probleme nicht und sind eher bereit auf neue Anforderungen der Gesellschaft zu reagieren. Zudem liegen gute Beispiele vor, wie in Österreich. Da ist das Kürzen der Schnäbel verboten. Die Umstellung beginnt bereits bei den Jungtieren in der Aufzucht, und geht über die Futtertechnik bis zum notwendigen Stallumbau weiter.
Wichtig auch für Brandenburg
Die Petition für den Bundestagsausschuss ist nicht die einzige. Am 20. November übergab die Brandenburger Agrarwende 34.000 Unterschriften, die im Land seit März zusammengekommen sind dem Landtag. „Wir sehen die Verantwortung für eine nachhaltige, umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft in erster Linie bei der Politik“, sagte Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL). Die FÖL ist eine der 42 Agrarwende-Organisationen in Berlin und Brandenburg. Daher verfolgt die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) den Fortgang der Petition ganz genau. In Brandenburg entstünden immer neue „Massentierhaltungen“.
Roland Krieg