Pflanzen mit „systemischem Potenzial“

Landwirtschaft

Neuartige elektrische Signale durchströmen die Pflanze

>Pflanzen haben ein Problem: Sie können vor Raupen und Insekten nicht fliehen, sondern müssen versuchen sich anderweitig gegen einen Schädling zu helfen. Durch Blattwurf oder Korkzellen beispielsweise. Doch wie bekommt die Pflanze mit, dass eine Raupe an einem ihrer Blätter knabbert? Forscher der Justus-Liebig-Universität (JLU) und des Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena haben die Reizweiterleitung analysiert und neuartige elektrische Signale gefunden.

Mit Mirkoelektronen in das Blatt
Feinglas-Mikroelektronen wurden durch die Blattöffnungen, den Stomata, auf die Zellwände des inneren Blattgewebes gesetzt und konnten elektrische Signale orten, die mit einer Geschwindigkeit von fünf bis zehn Zentimeter pro Minute von Blatt zu Blatt wandern. Die Stomata dienen dem Austausch von Wasser und Gas und werden je nach Bedarf von der Pflanze geöffnet.

Stomata mit Elektroden

[Schematischer Schnitt durch das Blatt einer Pflanze. Durch Stomata (kleine, den Wasserhaushalt und Gasaustausch regulierende Öffnungen in der Blattoberfläche; dunkelgrün) werden Elektroden in das innere Blattgewebe eingeführt. Auf diese Art können elektrische Vorgänge gemessen werden]

Variierte Spannung
Die Mikroelektronen haben eine elektrische Reizleitung entdeckt, die anders ist, als in tierischen Nervenzellen oder auch in Pflanzen. Dort wird die Spannung als Aktionspotenzial weitergegeben, wie bei einem Schalter: „Ein“ oder „Aus“. Das passiert durch den Transport von Ionen über Zellmembranen. Aber erst ab einem Schwellenwert und dann in konstanter Stärke.
Hier jedoch läuft das anders und die Forscher haben diesem Reizstrom den Namen „systemisches Potenzial“ gegeben. In fünf Nutzpflanzen konnte das „systemische Signal“ nachgewiesen werden. Darunter in Tabak, Mais, Gerste und der Ackerbohne. Der Reiz wird über eine Spannungsänderung über Protonen-Pumpen weitergegeben, die von einem Blatt über den Spross in das nächste Blatt gelangt. Doch ist das Signal mehr als nur ein Reiz. Je nach Stimulation werden dem Signal Kationen, wie beispielsweise Kalzium, Kalium oder Magnesium beigefügt und kann daher mehrere Informationen beinhalten. Das Wundsignal ist der auslösende Stimulus für das Signal und beeinflusst dessen Amplitude. Das Signal wird also je nach Ereignis „moduliert“ und kann über lange Strecken in unverletzten Blättern gemessen werden. „Damit sind wir vielleicht einer wichtigen Reizleitung auf der Spur, die auch durch Raupenfraß ausgelöst wird, die gesamte Pflanze alarmiert und ihre Verteidigung gegen den Schädling in Gang setzt, und dies innerhalb weniger Minuten“, stellt Axel Mithöfer vom Max-Planck-Institut fest.

Lesestoff:
M. R. Zimmermann, H. Maischak, A. Mithöfer, W. Boland, H. H. Felle: System potentials, a novel electrical long-distance apoplastic signal in plants, induced by wounding. Plant Physiology 149, 1593-1600 (2009).

roRo; Foto: H. Felle, JLU

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