Pflanzenschutz und Klimawandel
Landwirtschaft
Klimawandel betrifft Schädlinge und Nützlinge
Der Klimawandel beschäftigte Pflanzenbauwissenschaftler aus mehr als 90 Ländern, die in der vergangenen Woche in Berlin zum 18. International Planz Protection Congress (IPPC) zusammenkamen. Entomologe Hari Sharma von International Crop Research Institut for the semi-arid tropics (ICRISAT) im indischen Hyderabad listet die möglichen Veränderungen auf, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden. Veränderte Temperaturen und Niederschläge beeinflussen nicht nur die geografische Präsenz von Schädlingen, sondern auch die Interaktion zwischen Pflanze und Schaderreger. Wirtspflanzen verlagern ihr Wachstumsgebiet und bieten Schädlingen neue Überlebenschancen. Am Ende droht die Wirksamkeit von Pflanzenschutzmaßnahmen zu sinken.
So tritt der Reisschädling Mythimna seperata (Heerwurm) in Regionen Chinas mittlerweile zehn Wochen früher, drei Wochen länger und in größerem Maße auf als vor zehn Jahren. Die Larve der Baumwoll-Kapseleule (Helicoverpa armigera) wird mit zunehmender Wärme größer und vitaler. Ein erhöhter Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre stimuliert den Metabolismus des Eulenfalters. Gleichzeitig verringert er in der Pflanze die Bildung von Alkaloiden, die zur Abwehr der blattfressenden Schmetterlinge erzeugt werden. Höhere Luftfeuchtigkeit und Temperaturen sowie höhere Bodenfeuchtigkeit verringern die Bildung der Bt-Toxine, die in gentechnisch veränderten Pflanzen zur Insektenabwehr eingebaut wurden.
Nach Hari Sharma zingen die Veränderungen durch den Klimawandel eine Neudefinition der Schädlingsbekämpfung. Das erstreckt sich sogar auf die Nützlinge, ergänzte Tim Haye von der privaten Organisation für Insektenkunde CABI in der Schweiz. Die parasitische Wespe Peristenuc digoneutis wurde Ende der 90er Jahre gegen Läuse im nordamerikanischen New Jersey ausgesetzt und hat sich ihrem Temperaturoptimum wie erwartet in westlicher Richtung ausgebreitet. Nicht allerdings in den „kälteren Süden“. Wärmere Jahreszeiten zeigen, dass die Wespe den Temperaturen nach Norden folgt und Läuse die freigewordenen südlichen Regionen neu besetzen. Haye führte zwei weitere Probleme bei Nützlingen auf. Der Klimawandel verschiebe die Zyklen von Nützling und Schädling, so dass sie geografisch oder zeitlich nicht mehr aufeinandertreffen. Gezüchtete und freigesetzte Nützlinge sind genetisch weniger variabel und reagieren auf sich verändernde Umweltbedingungen träger als Schadinsekten, die ständigem Jagddruck unterliegen.
Der Klimawandel bringt aber differenzierte Ergebnisse hervor.. Im Rahmen des Projektes Klimafolgenforschung (KLIFF) an der Georg-August-Universität Göttingen hat Andreas von Tiedemann Kartoffelkrankheiten in Sachsen-Anhalt untersucht. Die Sklerotina-Fäule wird durch den Klimawandel beispielsweise nicht profitieren können. Bei Weizen wird er nur auf Jungpflanzen und bei längerfristigen Temperaturerhöhungen negative Effekte hervorrufen. Das aktuelle Greening in der Agrarpolitik könnte mit dem vermehrten Einsatz von Leguminosen sogar der Pflanzengesundheit dienen.
In diese Richtung geht auch Jay Ram Lamichhane vom französischen Nationalinstitut für Agrarforschung (INRA). Die Landwirtschaft sollte vor dem Hintergrund des Klimawandels ihre Fruchtfolgen überdenken und über die Fruchtfolge hinweg widerstandsfähige Rotationen entwickeln. Lamichhane sieht in der Züchtung langfristig höhere Erfolge als durch den Wettlauf mit chemischen Pflanzenschutzmitteln.
Roland Krieg