Pflanzenschutz wird anspruchsvoller

Landwirtschaft

Zulassung Pflanzenschutzmittel neu geregelt

Ab heute gilt die EU-Verordnung 1107/2009, mit der die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln neu geregelt wird. Das Gesetz ist ein Teil des Gesamtpakets zum Pflanzenschutz der EU und will die Zulassung innerhalb Europas harmonisieren und entbürokratisieren. So steht noch aus, dass Europa in drei Zonen aufgeteilt wird, in denen vergleichbare klimatische Bedingungen herrschen und daher die Zulassung vereinheitlicht werden soll: Hat ein Land ein Pflanzenschutzmittel zugelasen, dann gilt diese für alle Länder der gleichen Zone.
Kritik an dem neuen Gesetz gilt aber der Risikobeurteilung der Wirkstoffe. Die Agrarindustrie sieht einen Paradigmenwechsel. Künftig wird die Gefährdung eines Wirkstoffs nicht mehr anhand seiner Dosis eingeschätzt, sondern mit Hilfe so genannte „cut off“-Kriterien, die der Wirkstoff als Reinstoff alleine verursacht. Im Zulassungsverfahren wird die Toxizität, das Rückstandsverhalten, die Ökotoxizität, physikalisch-chemische Eigenschaften, als auch carzinogene-mutagene-reproduktionstoxische Auswirkungen sowie Wirkungen auf das endokrine System des Menschen.

Wirkstoffverluste

Mit dem neuen Gesetz drohen Wirkstoffe verloren zu gehen. Der Industrieverband Agrar (IVA) kritisiert, dass es keine Rolle mehr spiele, ob bei einer sachgemäßen Anwendung überhaupt ein Risiko bestehe. Die EU stelle das Prinzip des Paracelsus auf den Kopf, nach dem alleine die Dosis entscheide, ob ein Wirkstoff ein Gift ist.
Der IVA prognostiziert sinkende Erträge und steigende Erzeugerpreise. Bei den Herbiziden und Insektiziden fallen bis zu 10 Prozent und bei Fungiziden bis zu 32 Prozent der Pflanzenschutzmittel weg. Bei Raps soll von elf verfügbaren Mitteln gegen den Rapsglanzkäfer nur noch eines übrig bleiben. Laut Fachausschuss des Deutschen Bauernverbandes sind die Ökowinzer bedroht, denn sie dürfen keine Kupfer-Verbindungen mehr gegen den Falschen Mehltau einsetzen. Rund ein Zehntel des in den Boden eingetragenen Kupfers stammt aus dem Ökolandbau1).

Kaum über Höchstwerte

Das aktuelle Monitoring des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das auch für die Zulassung und Kontrolle von Pflanzenschutzmittel zuständig ist, hat zeigt, dass kaum noch die zugelassenen Höchstwerte an Pflanzenschutzmittelrückständen überschritten werden. Rund 40 Prozent der rund 17.000 Proben waren sogar rückstandsfrei. Im Jahr 2007 wurde bei 2,7 Prozent der Proben die zulässige Höchstmenge überschritten, sind es aktuell nur noch 1,6 Prozent.
Die Obst- und Gemüsebauern in der EU nähern sich dabei den deutschen Realitäten an. Lagen Proben aus anderen EU-Ländern im Jahr 2007 noch zu fünf Prozent über dem Höchstwert, sind es 2009 nur noch 1,5 Prozent.

Landwirtschaft komplex

Welche Lücken tatsächlich entstehen und welche Auswirkungen auftreten, das steht noch nicht fest. Es gibt aber Alternativen: Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) schlägt zunächst einmal eine Analyse der Auswirkungen des Gesetzes auf Haupt- und Nebenkulturen vor. Daraus soll eine Innovations- und Beratungsstrategie für die Landwirtschaft entwickelt werden.

Reblausgesetz und Indikationszulassung

Um 1860 wurde die Reblaus aus Nordamerika eingeschleppt und trat 1863 erstmals in französischen Weinbergen um Marseille auf. 1897 traten auf einem Drittel der französischen Weinberge Reblausschäden auf. In der Zwischenzeit wurde sie auch schon bei Bonn am Rhein gefunden. Am 06. Juni 1904 wurde das so genannte Reblaus-Gesetz erlassen. Danach können die Weinberge amtlich auf Rebläuse untersucht werden. Sind sie vorhanden, dann werden die Reben vernichtet, der Boden entseucht und ein Sicherheitsgürtel zu anderen Weinbergen von zehn Meter eingerichtet. Schon damals war der Fund einer Reblaus Anzeigepflichtig. Winzer, bei denen die Reben vernichtet werden mussten bekamen eine Entschädigung aus der „Reblauskasse“ des jeweiligen Bundeslandes.
Pflanzenschutz war damals schon ein internationales Thema. Im Jahr 1912 hat die USA bereits ein Pflanzenquarantänegesetz erlassen, das die Einfuhr von Pflanzen und Pflanzenteilen untersagen kann, drohte damit die Einschleppung von Schädlingen. Baumschulmaterial durfte ab 1913 nur mit einem Gesundheitszeugnis der Ausfuhrländer eingeführt werden. Daher hat der Reichskanzler am 21. Mai 1913 einen Erlass herausgegeben, der Sachverständige für die Pflanzenbesichtigung benennen sollte. Oberaufsicht hatte die 1905 in Berlin-Dahlem gegründete „Kaiserlich Biologische Anstalt“– der Großvater des heutigen Julius Kühn-Instituts2).
1914 tagten in Rom internationale Phytopathologen, die eine internationale Phytopathologische Konvention vorschlugen. Alle Teilnehmer sollten sich verpflichten, ein Pflanzenschutzgesetz zu erlassen.
In Deutschland dauerte es durch Kriegswirren und nachlassendem Interesse am Pflanzenschutz bis zum 05. März 1937, als das „Gesetz zum Schutze der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen“ erlassen wurde.
Auf dieser Basis erweiterte sich das Gesetz in den 1960er Jahren auf den Verbraucher- und Umweltschutz. 1968 wurde das Pflanzenschutzgesetz erlassen und 1986 umfassend novelliert. In den 1990er Jahren wurde der Pflanzenschutz erstmalig in der EU harmonisiert und das deutsche Pflanzenschutzgesetz führte 1998 die Indikationszulassung ein. Damit wurden Pflanzenschutzmittel nicht mehr generell, sondern nur noch für spezifische Anwendungen zugelassen. Die heute in Kraft tretende Verordnung geht auf das EU-Pflanzenschutzpaket von 2009 zurück. Die Verordnung 1107/2009 regelt die Zulassung, die Verordnung 128/2009 die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Die zonale Zulassung steht noch aus.

Lesestoff:
1) Jänsch, Stephan: Einsatz von Kupfer als Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff: Ökologische Auswirkungen der Akkumulation von Kupfer im Boden; Umweltbundesamt 2009
2) Riehm, E: Das Gesetz zum Schutz der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen vom 5. März 1937; Journal of Pest Science, vol. 13, no. 6, 69-71 DOI:10.1007/BF02338035

Roland Krieg

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