Pflanzenschutz zwischen Kröten und Bienen
Landwirtschaft
Pflanzenschutz ist mehr als Chemie
Landwirte und Imker sprechen sich auch schon mal über die Anwendungszeit für Pflanzenschutzmittel ab. Wenn tagsüber die Bienen fliegen, fährt der Landwirt nachts über das Feld. Damit aber auch die Knoblauchskröte in Brandenburg bei ihrer nächtlichen Wanderung nicht mit Pflanzenschutzmitteln besprüht wird, empfiehlt Holger Pfeffer vom Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) die Anwendung am Tag.
Was auf den ersten Blick keine Lösung bietet, deckte dann doch die Diskussion zum Thema „Pflanzenschutz und Umweltschutz“ auf dem Dialogforum der Brandenburgischen Landwirtschaftsausstellung BraLa am vergangenen Wochenende auf.
„Mit einer breiten Fruchtfolge hole ich mir weniger Probleme auf den Betrieb“, benannte Peter Kaim von der Havellandhof Ribbeck GbR die Betriebsstrategie für mehr Pflanzenschutz. Darüber hinaus werden Anwendungen streng nach Schadschwellenprinzip mit knapper Dosis ausgeführt. Damit spart er Geld durch knappe Mittelanwendung und verringert die Gefahr der Windverdriftung.
Hilfe findet er beim Pflanzenschutzwarndienst. Sylvia
Knopke vom Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und
Flurneuordnung beschreibt, wie die Landesämter die Populationen der einzelnen
Schaderreger vom Pilz bis zum Frasskäfer überwachen. Am Ende holen sich die
Landwirte auch schon mobil auf dem Feld die aktuellen Hinweise,
Bekämpfungstipps und Aufwandmengen auf das Smartphone.
Alte Pflanzenschutzspritzen
als Rückentraggerät.
Was damit wohl ausgebracht wurde?
In Brandenburg sind die mehr als 50.000 Kleinstgewässer zwar landschaftlich eine prägende Kulisse sowie Heimat vieler Pflanzen- und Tierarten, aber für die Landwirtschaft ein schwer berechenbares Hindernis. Vielfach gibt es keine eng definierbare Gewässergrenze. Nach ergiebigem Niederschlag breitet sich das Kleingewässer schon mal um das Mehrfache aus, berichtet Pfeffer. Was dem Landwirt hilft: Die Amphibienforschung hat Kröten und Lurche fest im Blick. Sie wandern zwar auch weite Strecken über Land, aber auf einigermaßen festen Wanderrouten. Die können in das GPS-Systems des Traktors eingespeichert werden, um sie bei der Anwendung auszusparen.
So hilft die Technik auch den tagsüber herumschwirrenden Bienen. Sie besuchen die gelb leuchtende Rapsblüte, während die modernen Düsen der Pflanzenschutzspritzen tiefer gehängt werden können. Damit wird ein Fungizid dort gezielt hingebracht, wo es hin gehört: An den Stengel, fordert Dr. Jens Radtke vom Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf.
Hinter solchen Lösungen stehen Grundlagenforschung und Kommunikation zwischen allen Akteuren. Dr. Radtke sieht Defizite in Brandenburg. In den Nachbarbundesländern werde er als Bienenexperte zu mehr Runden Tischen eigeladen als in der Mark. Er unterstreicht aber Kaims Bemühungen, dass Pflanzenschutz nicht nur „Chemie“ ist, Die Gute Fachliche Praxis hat etliche Werkzeuge, wie die Fruchtfolge, im Koffer.
Er bedauert, dass die Forschung im Pflanzenschutz in der Hand der Verkäufer liegt. Er bedauert auch den Rückgang der Offizinalberatung, was Sylvia Knopke vom LELF unterstreicht. Mehr Personal gehe bei den vorhandenen Budgets nicht. Weitere Einschnitte vertrage aber das unabhängige System nicht mehr.
Am Ende geht es nicht nur um Blühsteifen und Ökolandbau. Der Umweltschutz wird zaghaft über seine Leistungen bezahlt. Obsterzeuger zahlen Imkern vereinzelt eine Prämie für die sonst kostenfrei beanspruchte Bestäubungsleistung der Bienen.
Die Ausstellung zeigte, wie der Pflanzenschutz technisch vor einigen Jahrzehnten noch aussah. Nicht nur die Wirkstoffe werden modernisiert. Heute überfliegt ein Agrokopter mit bis zu 80 km/h ein Rapsfeld und wirft Kugeln aus biologisch abbaubarem Mais mit Trichogramma-Schlupfwespen aus Foto). Der Maiszünsler ist eine der Plagen im Maisanbau. Innerhalb von vier Minuten hat der Agrokopter eines Maschinenrings einen Hektar überflogen und wirft bis zu 220.000 Trichogrammen ab. Zwei Anwendungen decken die gesamte Flugperiode der Maiszünsler ab. Aus jeder Kugel schlüpfen zwei Wochen lang Schlupfwespen, die den Mais nach Zünslern absuchen. In dem Tier legen sie ihre Eier ab und die heranwachsende Trichogramma zerstört den Zünsler.
Roland Krieg; Fotos: roRo