Pflanzenschutzmittel und Bienengesundheit

Landwirtschaft

Fresenius-Konferenz PSM und Bienengesundheit

Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (PSM) nach EU-Verordnung EG 1107/2009, aktuelle Erkenntnisse bei Umweltverträglichkeitsprüfungen für Pestizide und Biozide oder die Entwicklung von neuen, spezifischen Leitfäden für die Industrie - Themen für die 12. Internationale Fresenius-Konferenz unter dem Titel „Aquatic and Terrestrial Ecotoxicology and Risk Management“ gab es viele. Das Fachtreffen von Experten aus Industrie, Forschungseinrichtungen und Regulierungsbehörden, das am 27. und 28. November 2012 in Mainz stattfand, beschäftigte sich dabei insbesondere mit neuen Ansätzen und Modellen zur Bewertung von Risiken. Einen besonderen Schwerpunkt bildete dabei der Themenkomplex „Bienengesundheit“.

Schwerpunkt Bienengesundheit

Der geplante EFSA-Leitfaden zur Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln und deren Auswirkungen auf die Gesundheit von Bienen erregte besonders viel Aufmerksamkeit. Das Dokument, das noch für Ende 2012 erwartet wird, hat vor allen Dingen das Fortbestehen und die gesunde Entwicklung der europäischen Bienenkolonien sowie, damit verbunden, die Sicherung der Honigproduktion zum Ziel. Mark A. Clook (Chemicals Regulation Directorate, CRD/Health and Safety Executive, HSE, UK) und Jos Boesten (Alterra/Wageningen Universität & Forschungszentrum, Niederlande) erklärten in ihren Vorträgen das Vorgehen der EFSA. Der generelle Ansatz bestehe darin, die Exposition mit den Effekten zu verbinden, d.h. das gleiche Prinzip anzuwenden, das auch schon im Leitfaden für aquatische und Boden-Organismen zum Tragen gekommen sei, so Boesten. Ziel der Expositionsbewertung sei es, 90 Prozent aller Bienenstöcke, die an behandelte Flächen angrenzten, schützen zu können. Hierfür sei es besonders wichtig zu definieren, welche Art von Stoff-Konzentration ökotoxikologisch relevant sei, ergänzte Clook. Diese als ERC (ecotoxicologically relevant type of concentration) bezeichnete Konzentration sei bei Bienen die durchschnittliche Konzentration von Pestiziden, welche innerhalb des Bienenstocks in eingebrachtem Nektar und Pollen zu finden sei. Über diese könne das Risiko von erwachsenen Bienen und Larven kalkuliert werden. Die durchschnittliche Konzentration in der gesammelten Nahrung variiere danach, wie hoch die Konzentrationen im Sammelgebiet, d.h. in der Umgebung des Bienenstocks, ausfielen, erklärte Boesten. Bei der Expositionsabschätzung bringe man daher verschiedene Anwendungsmethoden (Sprays, Granulate und Feststoffe) mit dem erwarteten Level an Rückständen in Nektar und Pollen bestimmter Pflanzenarten in Verbindung. Entscheidend sei dabei, wie hoch die Attraktivität der verschiedenen Pflanzen für die Insekten sei. Bei Pflanzen, für welche kein Interesse beobachtet werde, müsse dementsprechend keine Expositionsbewertung vorgenommen werden, so Boesten. Wichtig sei es ebenso, zwischen den einzelnen Bienenarten bei der Bewertung zu unterscheiden, da die Attraktivität einzelner Pflanzenarten von der jeweiligen Bienenart (Honigbiene, Hummel, Solitärbiene) abhänge.

Bewertung von PBT- und vPvB-Stoffen muss harmonisiert werden

Mittlerweile ist man sich generell darüber einig, dass PBT- bzw. vPvB-Stoffe in Europa der Regulierung durch die Behörden bedürfen. PBT-Substanzen sind beständig, bioakkumulativ und giftig - vPvB-Substanzen sogar sehr beständig und sehr bioakkumulativ. In vielen EU-Gesetzen wurde das Thema bereits aufgegriffen, wodurch heute eine Fülle verschiedenartiger Ansätze zur PBT/vPvB-Bewertung existiert. Caroline Moermond (Nationales Institut f. Gesundheit und Umwelt, RIVM, Niederlande) machte auf der Konferenz deutlich, dass eine europaweite Harmonisierung von Bewertungskriterien und Leitfäden zur Dateninterpretation dringend notwendig sei, um die Forschung im Fachgebiet voranzutreiben und die unterschiedlichen Rahmengesetze einander anzupassen. Obwohl die Unterschiede hinsichtlich der Bewertungskriterien zwischen den einzelnen EU-Gesetzen relativ klein seien, könnten Abweichungen bei Details des Bewertungsprozesses dazu führen, dass die Endergebnisse von Untersuchungen im Bereich der PBT- und vPvB-Stoffe substanziell voneinander abwichen, so Moermond. Selbst bei gleichen Kriterien sei eine große Varianz in den Bewertungsergebnissen möglich, da nicht in jedem Bewertungsprozess auf umfangreiche Untersuchungsdaten zurückgegriffen werden könne und die vorhandenen Informationen zudem nicht überall in gleicher Weise verwendet würden. Um Ergebnisse mit allgemeingültiger Aussagekraft zu erhalten, müsse man daher weg von der Vielfalt der Bewertungsverfahren hin zu einem einheitlichen EU-Ansatz finden.

Toxische Effekte verstehen und vorhersagen

Thomas G. Preuss (RWTH Aachen) stellte in seinem Vortrag die neuen Möglichkeiten vor, die sich aus dem Gebrauch toxikokinetischer und toxikodynamischer Modelle ergeben. Bei beiden Ansätzen gehe es darum, die Interaktion zwischen einem Organismus und einem Gift näher zu beleuchten, begann Preuss. Während sich die Toxikokinetik (TK) damit beschäftige, wie der Organismus Gifte aufnimmt, untersuche die Toxikodynamik (TD), was diese genau mit dem Organismus täten. Anhand von TK- bzw. TD Modellen könne man für alle denkbaren Konzentrationen Zeitkurven erstellen, welche den Verlauf der Toxizität abbildeten, so Preuss weiter. Auf diese Weise sei es möglich, toxische Effekte nicht einfach nur zu beschreiben, sondern in der Tiefe zu verstehen, zeitabhängige Toxizitätsparameter abzuleiten, zeitlich schwankende Exposition zu interpretieren und Vorhersagen für bislang nicht-untersuchte Situationen zu machen. Viele Modelle seien bislang veröffentlicht worden, sodass sich die Frage stelle, welcher Zusammenhang zwischen ihnen bestünde. Ein TK-/TD-Modell, dass alle verfügbaren Ansätze miteinander verbinde und explizite Annahmen tätige, sei das GUTS-Modell. GUTS sei ein mathematisches Gerüst, das den Vergleich verschiedener Effekt-Modelle ermögliche und auch für standardisierte Biotests eingesetzt werden könne. Verknüpfe man GUTS mit Populationsmodellen wie IDAmP könne man nicht nur Effekte auf Populationen, sondern auch deren Erholungsprozesse beschreiben. Der Einsatz von TK-/TD-Modellen könne damit für die Forschung einen gewaltigen Schritt nach vorne bedeuten und die Risikobewertung erheblich verbessern, verdeutlichte Preuss abschließend.

Lesestoff:

Den Tagungsband können Sie unter www.akademie-fresenius.de erwerben

Dr. Lars-Peter Linke (Fresenius)

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