Pflanzenzucht gegen Versalzung
Landwirtschaft
Pflanzenhaare werden Blasen für Salzablagerungen
Bei der Frage, wie zehn Milliarden Menschen ernährt werden können, wird oft vergessen, dass die Menschen jedes Jahr 15 Millionen Hektar fruchtbaren Ackerboden verlieren. Ein Grund für die knapper werdende Fläche ist die Versalzung des Bodens. Ein wichtiger Faktor der Versalzung ist eine falsche Bewässerung. Um richtig zu bewässern, muss auch richtig entwässert werden. Verbleibt das Wasser an der Oberfläche verdunstet es und die darin enthaltenen Salze reichern sich im Zeitablauf im Boden an. Bei zu starker Bewässerung kann der steigende Grundwasserspiegel auch Salze aus dem Ortsgestein lösen und in der Wurzelzone anreichern. Eine andere Form der Versalzung ist die Umwandlung von niederschlagsarmen Regionen in Ackerland. Dabei bringt der steigende Grundwasserspiegel die Salze in den Oberboden.
Leben im Salz
Pflanze haben in der Evolution verschiedene Praktiken entwickelt, mit hohen Salzkonzentrationen umzugehen. Mangroven beispielsweise haben Salzdrüsen über sie sie aktiv Salz ausscheiden können. Dazu braucht die Mangrove allerdings Energie. Die Mehrheit der Pflanzen scheidet aktiv Natrium- und Chlorid-Ionen über ihre Wurzeln aus. Das sind so genannte „Excluder“, die mit niedrigen Salzgehalten konfrontiert werden. Sukkulenten haben Vakuolen ausgebildet, in denen sie Salz einlagern können und so aus ihrem Stoffkreislauf entfernen.
Deutsche und Australische Wissenschaftler haben noch andere Pflanzen im Blickfeld. Die gehören zu den Halophyten, die in ihrem Namen schon sagen, dass sie besonders Salztolerant sind. So weisen Verwandte der Zuckerrüben und Quinoia ballonartige Strukturen auf, die das Salz von den stoffwechselaktiven Zellen fernhalten. Der Durchmesser dieser Blasen ist rund zehnmal größer als der von Epidermiszellen. Sie können also 1.000 Mal so viel Salz aufnehmen wie eine normale Zellvakuole.
Gegen die Versalzung
Versalzung ist ein komplexer Vorgang, der nicht so leicht aufzulösen ist. Je nach Ursache, Region oder wirtschaftlicher und technologischer Ausstattung sind mehrere Schritte in ariden und unseren Regionen bekannt [1]. Eine andere Möglichkeit ist die Pflanzenzüchtung. Dazu haben der Würzburger Biophysiker Prof. Rainer Hedrich und seine Kollegen Sergey Shabala und Jayakumar Bose von der Universität Tasmanien einen Artikel in der aktuellen Ausgabe des Cell Press Journals „Trends in Plant Science“ veröffentlicht [2]. Die Universität Würzburg hat Prof. Hedrich in einem Interview nach seinen Vorstellungen befragt, wie Nutzpflanzen salztoleranter gemacht werden können. Herd-und-Hof.de gibt das Interview im Wortlaut wider:
Uni Würzburg: Professor Hedrich, in dem Artikel in Cell
plädieren Sie und ihre Kollegen dafür, spezielle Pflanzen zum Vorbild zu
nehmen, die schon jetzt in einer salzhaltigen Umgebung gut gedeihen. Was darf
man sich darunter vorstellen?
Prof. Hedrich: Wir schlagen vor, dass wir von der Natur lernen und Kulturpflanzen dazu bringen das zu tun, was eine spezielle Art von Halophyten – Pflanzen, die an eine salzhaltige Umgebung gewöhnt sind – schon immer tut: Das Salz aus dem Boden zwar aufzunehmen, es aber an einem sicheren Platz zu deponieren, an dem es der Pflanze nicht schaden kann – in ballonähnlichen Strukturen auf der Blattoberfläche, die man Salzblasen nennt.
Uni Würzburg: Wie soll das funktionieren?
Prof. Hedrich: Im Prinzip muss man dafür „nur“ die entsprechenden Gene in traditionellen Nutzpflanzen einkreuzen. Die Pflanzen entwickeln dann an die erwähnten Blasen und damit Mechanismen zur Salzabscheidung – ohne dass dies einen besonderen Einfluss auf Wachstum und Ertrag hat.
Uni Würzburg: Das klingt ein wenig nach Science Fiction. Wie müssen die notwendigen Schritte aussehen?
Prof. Hedrich: Seit Kurzem ist beispielsweise das Genom der Zuckerrübe bekannt. Diese gehört zu einer Pflanzenfamilie, in der auch Blasen-tragende Halophyten vorkommen und die entfernt verwandt ist mit dem Getreide Quinoa. Züchtet man nun Quinoa-Pflanzen mal in einer salzreichen, mal in einer salzarmen Umgebung und vergleicht anschließend das Profil der in den Blasenzellen arbeitenden Gene, weiß man hinterher, welche Gene für die Transportmechanismen relevant sind. Denn das ist die Hauptaufgabe: Die Mechanismen zu identifizieren, mit denen diese Pflanzen Salz in externen Speicherorganen absondern.
Uni Würzburg: Und diese Gene wollen Sie dann in andere Pflanzen reinbringen?
Prof. Hedrich: Genau gesagt einkreuzen oder wecken, wenn sie noch im Hintergrund von Kulturpflanzen schlummern. Wenn die molekularen Mechanismen der Transportsysteme von Salz in die Salzblasen aufgeklärt sind, könnten diese von Züchtern dafür genutzt werden, traditionelle Getreidearten wie Weizen oder Gerste in die Lage zu versetzen, Salz von den photosynthetisch aktiven und salzempfindlichen Gewebestrukturen fern zu halten. Dies könnte einen neuen Weg öffnen, hin zu Getreidesorten mit einer hohen Salz-Toleranz.
Uni Würzburg: Das ist alles?
Prof. Hedrich: Nicht ganz: Wir müssen diese Pflanzen auch dazu bringen, Blasenzellen zu entwickeln. Was schwierig, aber nicht unmöglich ist. Blasenzellen sind speziell differenzierte Blatthaare, die es an vielen Pflanzen gibt. Die einzelnen Schritte der Haarentwicklung kennen wir bereits von der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. In Zusammenarbeit mit Experten der Blatthaarentwicklung, geht man dann auf die Suche nach Mutanten, bei denen der Schalter im Quinoa-Genom für die Weiterentwicklung des Blatthaar-Vorläufers zu einer Blasenzelle ausgefallen ist. Die Idee ist nun, diese Gene in Salz-sensitive Pflanzen zu übertragen, sodass sie dem Blatt quasi Salz entziehen, wenn die Pflanzen mit einer hohen Salzkonzentration konfrontiert werden.
Uni Würzburg: Welche Pflanzen könnte man auf diese Weise verändern?
Prof. Hedrich: Im Grunde genommen kann man das mit allen Pflanzen machen. Dazu muss man wissen: Es gibt Pflanzentypen, die keine Haare besitzen, weil ihnen ein bestimmter Transkriptionsfaktor fehlt. Kreuzt man dieses Gen ein, entwickeln auch sie Haare. So könnte man auch mit den spezifischen Genen für die Blasenbildung vorgehen und so 'normale' Pflanzen Salz-resistent zu machen.
Uni Würzburg: Wie lange kann das Ihrer Meinung nach dauern, bis die ersten veränderten Pflanzen auf dem Acker stehen?
Prof. Hedrich: Der Grundlagenwissenschaftler äußert sich auf solche Fragen nur ungern. Im Labor wird es bei entsprechender Ausstattung etwa ein Jahr dauern, bis man die Gene identifiziert hat, die salzinduziert stärker exprimiert werden. Nach etwa zwei weiteren Jahren sollte man dann sämtliche Stadien so gut untersucht haben, dass man die an der Entwicklung von Salz- speichernden Blasen beteiligten Schlüsselgene kennt. Haare zu erzeugen, halte ich für überhaupt kein Problem. Die Umdifferenzierung von Haaren in Blasenzellen mit Salzspeicherfunktion wird der schwierigste Schritt. Für unser Pilotprojekt, das darauf angelegt ist, beispielsweise Zuckerrüben mit Quinoa-ähnlichen Blasen auszustatten, würde ich erwarten, dass man nach etwa drei Jahren Testpflanzen im Gewächshaus stehen hat.
Uni Würzburg: Wenn man solche Pflanzen hat: Ist dann das Problem mit den versalzenen Böden gelöst?
Prof. Hedrich: Nein, natürlich verschwindet das Salz nicht. Aber man könnte so bislang Salz-sensitive Nutzpflanzen anbauen, die, wie beispielsweise Quinoa, auf tolerabel versalzten Böden überleben und Ertrag bringen. Denn die Alternative dazu ist momentan: Es wächst dort gar nichts, was Ertrag für menschliche Lebensmittel liefert.
Lesestoff:
[1] Einen guten Übersichtsartikel bietet die ETH Zürich an: www.ifu.ethz.ch/GWH/education/SimSalin/bodenversalzung
[2] “Salt Bladders: Do they matter?”, Sergey Shabala, Jayakumar Bose, and Rainer Hedrich, Trends in Plant Science
Roland Krieg; Robert Emmerich (Uni Würzburg); Foto: Gunnar Bartsch