Pflanzenzüchtung ist wichtig für Wirtschaft und Umwelt
Landwirtschaft
Wirtschaftsfaktor Zuchtfirmen in der EU
Innovation ist der Schlüssel für Nachhaltigkeit. Das gilt auch für die Pflanzenzüchtung. Im Rahmen des Green Deals müssen die Emissionen aus der Landwirtschaft reduziert werden. Zusammen mit weiteren Umweltanforderungen wie der Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmittel, Düngemittel unter Beibehaltung der Ernährungssicherheit steht die Pflanzenzüchtung vor großen Herausforderungen. Pflanzen sollen bei gleichen Erträgen weniger Ressourcen nutzen. Dieses Ziel der Pflanzenzüchtung geht mit der Frage der Eigentumsrechte einher. Das Büro für der Sortenrechte bei Pflanzen (Community Plant Variety Rights (CPVO) hat in diesem Jahr eine Studie erstellt, die im Agrarausschuss des Europaparlamentes (Agri) am Dienstag diskutiert wurde. Mit im Boot sitzt das Europäische Büro für Eigentumsrechte (EUIPO).
Züchterprivileg oder Patente?
Hintergrund der gemeinsamen Studie aus dem Oktober 2022 ist die Überarbeitung der bestehenden EU-Regeln. Die Basis ist die EU-Verordnung 2100/94 die mittlerweile 28 Jahre alt ist. Die Überarbeitung des Sortenrechtes wurde von der EU-Kommission gerade erst in verschoben. Diese Regelung geht auf die Vereinbarung der Internationalen Union des Sortenschutzes 1961 zurück, die ihren Sitz in Genf hat. Diese Vereinbarung wurde in den Jahren 1972, 1978 und 1991 überarbeitet. Im Jahr 2005 trat die EU der UPOV bei. Mit den so genannten DUS-Anforderungen sind „neue Sorten“ definiert. Sie müssen sich gegenüber den vorhandenen Sorten unterscheiden (Distinctness), die Sorte muss uniform in ihrer Erscheinung sein (Uniformity) und über die Nachkommenschaft sich als stabil erweisen (Stablity).
Bei den Rechten fangen die Unterschiede allerdings schon an. Was in den USA üblicherweise als Patent angemeldet wird, ist in Deutschland das Züchterprivileg. Züchter dürfen mit am Markt vorhandenen Sorten weiter züchten. Noch schwieriger wird es mit Hybridpflanzen. Die spalten sich in der F2-Generation schon wieder auf und verlieren die Überexpression von Eigenschaften aus der mütterlichen und väterlichen Linie. In der Züchterpraxis in Deutschland ist eine Zunahme der Hybridsorten zu verzeichnen. Für die Züchter müssen die Landwirte bei Nutzung der Sorten eine Lizenz entrichten, die den Aufwand der Zuchtfirmen entschädigen soll. Das ist zwar umstritten, aber Alternativen haben sich bislang noch nicht durchgesetzt. Landwirte selbst werden kaum eine Züchtungsarbeit durchführen, denn von Jahr zu Jahr unterscheidet sich die angebaute Sorte durch natürliche Mutation immer weiter von der „Ausgangssorte“. Vor allem negative und nicht sichtbare Mutationen, wie das Auftreten von Bitterstoffen oder Krankheitsanfälligkeiten fallen erst auf, wenn es zu spät ist. Demgegenüber sichert das „Z-Saatgut“ bewährte Eigenschaften wie Keimfähigkeit und Feldaufgang zu.
Das CPVO hat mit 52,9 Prozent aller Sortenzulassungen die meisten im Zierpflanzenbau eingetragen. Im Bereich des Ackerbaus sind es 25,5 Prozent. Gemüse (14,6 Prozent) und Obst (6,7 Prozent) folgen auf den Plätzen. Basis sind rund 76.000 Zulassungen in den Jahren 1995 bis 2021.
Es geht aber nicht nur um die Sorte an sich. In der EU gibt es alleine für den Ackerbau 951 Unternehmen vom Züchter über die Vermehrer bis zum Saatguthändler, mit mehr als 70.000 Angestellten, jährlich einen Umsatz von 35,4 Milliarden Euro erwirtschaften.
Züchtung ist Teil der Lösung
Die Pflanzenzüchtung erfüllt nach Franceso Mattani vom CPVO gleich mehrere UN-Nachhaltigkeitsziele. Mit gesteigerter Produktivität können Landwirt weltweit Einkommen gegen die Armut erzielen (Ziel 1) und für Ernährungssicherheit sorgen (Ziel 2). Die Arbeitsplätze werden im Sinne der Beschäftigungsziele im Agrarbereich und Gartenbau ermöglicht (Ziel 8) und weil die Produktivität Ressourcen schont, ist das Nachhaltigkeitsziel 12 erfüllt. Der Hintergrund der Ressourcenschonung (Ziel 13) sorgt für die wirtschaftliche und soziale Belebung des ländlichen Raums (Ziel 15).
Damit rundet die Pflanzenzüchtung zahlreiche Effekte für die Wirtschaft und Umwelt ab. Beispielsweise bieten neue Sorten eine verbesserte Wassernutzungseffizienz, brauchen weniger Düngung und halten Trockenheit und Hitze besser stand. Krankheitstoleranz ist einer der neuesten Herausforderungen im voranschreitenden Klimawandel mit neuen Schaderregern und Begünstigung von Viren übertragenden Blattläusen durch Wärme und Trockenheit.
Ohne den züchterischen Fortschritt lägen die Erträge im Ackerbau um 6,4 Prozent niedriger, bei Obst wären es 2,6 Prozent, bei Gemüse 4,7 und bei Zierpflanzen satte 15 Prozent weniger. Die CVPO-Abschätzung hat das EUIPO auf wirtschaftliche Effekte hochgerechnet, wie Nathan Wajsman (EUIPO) berichtete. Alleine durch die zusätzlichen Ackerbauerträge konnten 57 Millionen Menschen in der EU mehr ernährt werden. Die Wertschöpfungskette inklusive Obst und Gemüse erfreut sich über einen zusätzlichen Umsatz von 13 Milliarden Euro.
Im Vergleich haben neue Sorten den Betriebsmitteleinsatz für Saatgut, Dünger, Pflanzenschutz, Arbeit und Kapital um 0,2 bis 0,4 Prozent gesenkt. Im Gartenbau liegen die Effekte zum Teil doppelt so hoch.
Neue Sorten reduzieren die Emissionen aus der Landwirtschaft in Größenordnung Portugals um jährlich 62 Millionen Tonnen Kohlenstoffäquivalent. Mit n14 Milliarden Kubikmeter Wassereinsparung würde der Bodensee um ein Drittel gefüllt und die Flächeneffizienz umfasst die Größe Irlands mit 6,5 Millionen Hektar weltweit.
Züchtung ist ein KMU-Business
In der Öffentlichkeit ist das Bild von großen Saatgutmultis entstanden, was in der Europäischen Union falsch ist, wie Mattani und Wajsman aufzeigen. 60 Prozent der Firmen sind kleine und mittlere Unternehmen, die zusammen die Rechte an 90 Prozent der geschützten und eingetragenen Sorten tragen. Das sind in der EU mehr als 1.000 Unternehmen.
Herbert Dorfmann von EVP aus Italien begrüßt die Studie, die Klarheit über die Sinnhaftigkeit und Größenordnung der Unternehmen aufzeigt. Für die EU bestehe die nächste Aufgabe, die neuen Züchtungstechniken in die geschützten Sorten einzubinden.
Sarah Wiener von den österreichischen Grünen sieht fast ausschließlich die politische Sicht und kritisiert die vielen Ausnahmen und Patente mit denen der Saatgutmarkt überschwemmt werde. Landwirtschaft und Gartenbau setzen auf Heterogenität und Biodiversität und wollte von den Experten wissen, wie eine Monopolisierung des Saatgutes zu verhindern sei. Diese Sorgen trugen nur noch Ivan David von tschechischen Identitäten und Bert-Jan Ruissen von den niederländischen EU-Reformisten vor.
Die Studie eignet sich nach Ansicht von Peter Jahr (CDU) für „die Notwendigkeit, das Thema Züchtung mehr in die Öffentlichkeit zu tragen.“ Die Antwort wie aber die KMU gesichert werden sollten, wie Marlene Mortler von der CSU fragte, blieben Mattani und Wajsman schuldig. Wajsman sagte, politische Antworten waren nicht Gegenstand der Studie und nach Mattani arbeitet das CVPO mit dem Europäischen Patentamt zusammen, die Fragen zu klären.
EU ist nicht Amerika
Es sind also bei den Nutzungsrechten noch drängende Fragen offen, die aber nicht mit Blick auf den US-amerikanischen Markt gestellt werden sollten. Deutschland und die EU unterscheiden sich allein durch das Züchterprivileg deutlich von dem Patentmodell der USA. Der züchterische Fortschritt zeigt, dass das nicht zuvorderst eine Frage gentechnischer Verfahren ist. In der Praxis stellen Landwirte sich überwiegend andere Fragen, wie der Blick in die Beschreibende Sortenliste zeigt. Allein für den Ökolandbau stehen den Landwirten in Deutschland knapp 80 Maissorten zur Verfügung, die auf lokale Gegebenheiten zugeschnitten sind und bei denen Ökolandwirte auch vermehrt auf Hybridsorten zugreifen, weil die kontinuierliche Qualitätsmerkmale, wie Ertrag und Krankheitstoleranzen aufweisen. Gemäß den DUS-Regeln der CVPO.
Lesestoff:
[1] Studie: Impact of the Community Plant Variety Rights System on the EU Economy and the Environment. ISBN 978-92-9156-318-0 doi: 10.2814/467391 https://cvpo.europa.eu
[2] www.upov.int
Roland Krieg
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