Pflanzrechte, Semisubsistenz und Agrar-Arbeitsprogramm
Landwirtschaft
Pflanzrechte, Semisubsistenz und Agrar-Arbeitsprogramm
Am Mittwoch hatte der EU-Agrarausschuss ein volles Arbeitsprogramm.
Pflanzrechte
Der irische Rats-Vorschlag für die Pflanzrechte von
Weinreben, dass nur noch mit administrativer Genehmigung gepflanzt werden darf,
die auch nur drei Jahre Gültigkeit besitzt und Sanktionen nach sich zieht, wenn
der Winzer die Bewilligung nicht ausnutzt, stößt in dieser Form im
EU-Agrarausschuss auf Kritik. Vor allem die Sanktionen hält der französische
Christdemokrat Michel Dantin für übertrieben. Das Volumen von Pflanzrechten für
große Anbauländer wie Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Rumänien und
Deutschland bei 0,5 und für kleine bis zu zwei Prozent liegt im Geschmack des
Europaparlaments. Michael Häusling (Grüne, Deutschland) betonte zwar, dass 0,5
Prozent für Deutschland rund 1.000 Hektar bedeuteten, was große Auswirkungen
auf den Markt hätte, aber die Mehrheit scheint für eine zweiteilige
Volumenangabe zu votieren. Die Christdemokratin Astrid Lulling aus Luxemburg
schlug vor, 0,5 Prozent fix zu machen und eine freiwillige Erhöhung auf ein
Prozent nach Ländergusto zuzulassen.
Herbert Dorfmann (Italien, Christdemokrat) plädierte für
das Einschwenken auf die Ratssicht, statt ein neues System zu erfinden. Aber es
sollte auch im Sinne der High Level Group verbessert werden, die ähnliche
Ansichten wie das Parlament vertritt. Die Mehrheit sieht in dem Pflanzsystem
keine Übergangsregelung vor einer Liberalisierung, sondern will das System so
lange wie möglich erhalten. Nur die britische Konservative Anthea McIntyre
wollte von jeglicher Mengenregelung absehen und zu den Beschlüssen von 2008
zurück, die das Pflanzrecht ganz aufgeben wollte.
Astrid Lulling allerdings blickte zurück auf die
Weinseen und die Überproduktion. Die Marktbereinigung hat die EU 1,24
Milliarden Euro gekostet. Es wurden europaweit 261.000 Hektar Rebflächen, rund
4,6 Prozent, gerodet, um den Markt zu bereinigen. Forderungen für eine Freigabe
der Pflanzrechte würden die Bemühungen ins Absurde führen.
Wichtiges Element ist die kostenfreie Zuteilung der
neuen Rebflächen.
Landwirtschaftliche Semisubsistenz
Sophia Davidova, Professorin für Europäische
Agrarpolitik an der Universität Kent, stellte eine neue Studie zur
Semisubsistenz der Landwirtschaft in Europa vor. Semisubsistent sind Bauern,
die weniger als die Hälfte ihrer Produktion auf dem Markt verkaufen und im
eigenen Haushalt verwenden. Davon gibt es in der EU27 rund 12 Millionen
Betriebe, von denen 5,8 Millionen weniger als zwei Hektar Land aufweisen. Die
meisten gibt es in Osteuropa, vor allem in Rumänien, aber auch etliche in Italien
und Schottland.
Diese Betriebe haben bislang alle Strukturpolitiken der
EU überlebt, so erklärte Prof. Davidova. Sie besitzen eine erhebliche soziale
Pufferfunktion gegen Armut und bieten Ernährungssicherheit. Diese kleinen
Betriebe halten sich vor allem in den entlegenen Regionen, erhalten die
flächendeckende Landwirtschaft und Artenvielfalt. Meist sind es Betriebe mit
gemischter Produktion und geringem Input. Sie erfüllen gesellschaftliche
Aufgaben und stellen noch Arbeitskräfte für außerlandwirtschaftliche
Tätigkeiten in der Region. Insgesamt bilden die semisubsistenten Betriebe einen
eigenständigen Wert, der sich in der Gemeinsamen Agrarpolitik niederschlagen
sollte.
Allerdings profitieren sie kaum von den Direktzahlungen
der ersten Säule und auch die zweite Säule geht mit ihrer Wettbewerbsfixierung
an den kleinen Betrieben vorbei. Das Kleinbauernprogramm in der nächsten
Förderperiode sei das erste, das auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sei. Prof.
Davidova fordert, dass die politischen Rahmenbedingungen mehr auf die semisubsistenten
Betriebe eingehen sollten. Aber es fehlen Daten über die Betriebe. So sei es
nicht einfach herauszufinden, ob sie sich beispielsweise einen „Gemeindetraktor“
teilen.
In manchen Ländern hat die Zahl der
landwirtschaftlichen Kleinbetriebe in der Finanzkrise sogar noch zugenommen,
ergänzte Martin Häusling. Sie sollten in der Agrarpolitik ernst genommen
werden. Herbert Dorfmann berichtete aus Italien, dass Kleinbauern oftmals ihre
geringen Produktionsmengen über Vermarktungsorganisationen bündeln und
Marktzugang erhalten. Das sollte stärker gefördert werden.
Agrar-Arbeitsprogramm
Im Rahmen des strukturierten Dialogs berichtete
EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos über das Arbeitsprogramm der nächsten Monate.
Für das Jahr 2014 steht eine Revision der Verordnung zum Ökolandbau an. Die
Branche ist in den letzten Jahren gewachsen, die Nachfrage steigt, aber die
Importe aus Drittländern nehmen zu. Wichtig bleiben die Kontrollen für das
Vertrauensverhältnis zu den Verbrauchern. Insgesamt müsse die bestehende
Verordnung den neuen Zeiten angepasst werden.
Im Fokus stehen auch neue Promotionskampagnen. Vor
allem Auslandsmärkte sollen stärker beworben werden. Weil aber die
Mittelverfügbarkeit noch nicht feststeht hat die Kommission noch keinen
Legislativvorschlag unterbreitet. Im Herbst soll es einen geben.
Im Rahmen der Marktordnung für Obst und Gemüse wurden
die Möglichkeiten für die Stärkung von Erzeugergemeinschaften geschaffen. Doch
während im Norden etwa 44 Prozent der Bauern organisiert sind, steht der
europäische Süden schwächer da. Es sollen neue Programme zur Verfügung gestellt
werden.
Noch für den Sommer hat Ciolos den Start für ein
europaweites Forstprogramm angekündigt. Waldstarke Länder haben schon eigene
Strategien aufgelegt, doch sollen die Vorstellungen europaweit ausgeführt
werden. Das begrüßte ausdrücklich die christdemokratische Österreicherin
Elisabeth Köstinger. Dort sind die meisten Bauern auch Waldbesitzer.
Bis spätestens Anfang 2014 soll konkret über eine
Lösung der Fehlermargen bei der Mittelverteilung diskutiert werden.
Wünsche der Parlamentarier
Seitens der Parlamentarier wurde der Beginn der
Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA
thematisiert. Martin Häusling teilt nicht die überwiegend positiven Ansichten der
Kommission über die Auswirkungen. Die Europäer geben viel Geld für eine
nachhaltige Landwirtschaft aus, die nicht geopfert werden solle. Elisabeth
Köstinger drängt Ciolos, eine starke Position für die Landwirtschaft
einzunehmen, die Handelskommissar Karel De Gucht zu wenig beachte.
James Nicholson, britischer Konservativer, erinnerte
Ciolos an die zunehmenden Wetterextreme. Aus einem Füllhorn von Lebensmitteln
könne schnell eine Knappheit werden. Daher solle die Kommission prüfen, ob die
einseitige Förderung des Ökolandbaus die richtige sei. Die EU brauche alle
Formen der Landwirtschaft.
Lesestoff:
Thema war auch der Kommissionsvorschlag zum Olivenöl-Kännchen in der Gastronomie. Das Thema bekam hier einen eigenenArtikel.
Roland Krieg