Pharming
Landwirtschaft
Memorandum der Europäischen Akademie zum Pharming
Ein Memorandum will zum Denken anregen und zum Handeln veranlassen. Die Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen aus Bad Neuenahr-Ahrweiler sieht die „Pflicht der Wissenschaft gegenüber der Öffentlichkeit darzustellen, was in ihr geschieht“. Und das auf der Basis seriöser Grundlagenforschung, so Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann am Donnerstag Abend bei der Vorstellung der neuesten Studie in Berlin.
Die Folgen, die durch Wissenschaft ausgelöst werden, müssen interdisziplinär abgeschätzt werden. So ist die neueste Studie der Akademie über die Risikoabschätzung des „Pharming“ kein Sammelband, sondern das Ergebnis echter interdisziplinärer Studien eines internationalen Forscherteams.
Mischung aus grüner und roter Gentechnik
„Die Vorstellung, pharmakologisch wirksame Proteine und Peptide in Tieren oder Pflanzen kostengünstig in bedarfsgerechter Menge zu produzieren, war eine der wesentlichen Motivationen für den Fortschritt der Gentechnik im Agrarbereich.“1)
Der Begriff Pharming bezeichnet die Mischung aus grüner und roter Gentechnik, so Dr. phil. Margret Engelhard von der Europäischen Akademie. Ein menschlicher Blutgerinnungshemmer, der aus der Milch von genetisch modifizierten Ziegen gewonnen wird, ist das erste zugelassene Medikament, das mit Hilfe von Pharming genutzt wird.
Der Markt für Biopharmazeutika ist groß. 2004 wurde er auf rund 33 Milliarden US-Dollar geschätzt, im letzten Jahr stieg er auf 40 Mrd. und gegen Ende der aktuellen Dekade werden es wohl 70 Mrd. US-Dollar sein. Arzneien aus Pflanzen und Tieren können den steigenden Bedarf der Medizin eher decken als Zellkulturen. Zudem ist die Kostenstruktur wesentlich günstiger. Monoklonale Antikörper aus menschlichen Zellgeweben kosten aktuell zwischen 300 und 3.000 US-Dollar je Gramm. Aus einer transgenen Ziege gewonnen, reduzieren sich die Kosten auf 105, aus transgenem Mais gewonnen auf 50 US-Dollar je Gramm.
Welche Risiken gibt es?
Die Studie untersucht sachlich, welche Risiken bei der Produktion von Arzneimitteln entstehen können und welche Hemmnisse es zu überwinden gilt.
Im Pflanzenbau ist die Bildung von Arzneimitteln den Umwelteinflüssen ausgesetzt, bei den Tieren stehen tiergesundheitliche Aspekte im Vordergrund. Zum einen darf der Wirkstoff nicht in die Umwelt gelangen, zum anderen darf der gebildete Wirkstoff nicht während der Vegetationsperiode in seiner Wirkung nachlassen. Wirkstoffe können wie bei der grünen Gentechnik umweltbedingt durch Pollenflug in die Umwelt gelangen, oder durch menschliches Handeln, wenn es zu Vermischungen mit anderem Saatgut kommt, fasst Dr. Engelhard zusammen.
Prof. Rafael Pardo Avellaneda von der Fundación BBVA im spanischen Madrid, stellte die Umfrageergebnisse aus 15 Ländern zur Akzeptanz des Pharming vor. Gegenüber der grünen Gentechnik mit einer eher ablehnenden Haltung, ändern sich die Stimmungen, wenn es um die Gentechnik im Humanmedizinischen Bereich, der roten Gentechnik geht. Werden die Medikamente durch Pflanzen produziert, wird das eher akzeptiert als über Tiere.
Die deutlichste Ablehnung des Pflanzenbaus kommt dabei aus Deutschland, Japan und Österreich. Franzosen und Spanier stehen zusätzlich dem tierischen Produktionsweg skeptisch gegenüber.
Geht es um Medikamente, die gegen eine Seuche oder gegen Kinderkrankheiten wirken, ist das Pharming eher akzeptiert. Genauso sinnvoll sei ein Einsatz für preiswerte Medikamente in Entwicklungsländer. Dem Gewächshaus geben die Menschen gegenüber dem Freilandanbau den Vorzug.
Rechtlicher Rahmen
Die rund 400-seitige Studie befasst sich überwiegend mit den Risiken des Pharming – mehr als die Autoren zu Beginn der Studie dachten, bekennt Prof. Dr. jur. Eckhard Rehbinder, der den Vorsitz des Autorenteams innehat. Nach der Beschreibung der Technologie folgen gleich die Kapitel der Risikoabschätzung bei der Tiergesundheit, die Ergebnisse der öffentlichen Meinungen, die ethischen Ausarbeitung der Umsetzung, Gedanken über die Wirkung von Patenten beim Pharming und die Analyse des rechtlichen Rahmens.
Prof. Rehbinder sieht beispielsweise die vorhandenen Richtlinien zur grünen Gentechnik dem Pharming nicht ausreichend angepasst. Eine Weiterentwicklung der Regeln sei jedoch möglich.
Werden heute bereits gentechnisch veränderte Pflanzen strikt von konventionellem getrennt, so müssen Züchtung, Transport, Verarbeitung und Anbau mit eigenen Abstandsregeln bei Pharma-Pflanzen einen dritten, getrennten Wertschöpfungsweg einhalten.
Weil aber das wissenschaftliche Wissen über die Risiken noch gering ist, bleibt der Anbau derzeit noch mit hohen Unsicherheiten behaftet: Daher fordern die Autoren, „dass „Pharming“ nur nach einer Einzelfallprüfung und unter starken Sicherheitsmaßnahmen angewandt werden soll“.
Noch viele Testreihen notwendig
Bevor Pharming jedoch allgemeine Akzeptanz erreicht hat und durchgängig produziert werden kann, ist es noch ein langer Weg, so die Studie. Pflanzenbauer wissen, dass beispielsweise die Backqualität von Weizen von Jahr zu Jahr und von Standort zu Standort variieren kann. Herd-und-Hof.de wollte daher wissen, wie es mit der Qualität pharmazeutischer Produkte vom Feld steht. Um diese Fragen beantworten zu können, müssen noch viele Versuche durchgeführt werden, antwortet Rikke Bagger Jorgensen vom Riso National Laboratory im dänischen Roskilde. Derzeit könne man diese Fragen noch nicht beantworten.
Die Analyse der Umfrageergebnisse hat auch hervorgebracht, dass eine höhere Bildung nicht zwingend in eine höhere Akzeptanz des Pharming mündet. Aber ein Minimum wird helfen, ungerechtfertigte Ablehnung zu überdenken. Dieses Buch hilft, ein profundes Wissen über Vor- und Nachteile zu schaffen. Aber es ist auch wegen der englischen Sprache eine schwere Kost.
Lesestoff:
E. Rehbinder, M. Engelhard et al.: Pharming. Promises and risks of biopharmazeuticals derived from genetically modified plants and animals. Band 35 der Schriftenreihe “Ethics of Science and Technology Assessment”. Hrsg.: C. F. Gethmann, Springer-Verlag, Berlin 2009. ISBN 978-3-540-85792-1; 80,20 Euro
Intenetseite der Akademie: www.ea-aw.de
1) Zitat aus: „Literaturstudie zum aktuellen Stand der Anwendung von Gentechnik und Genanalytik in der Tierproduktion. Themen-Nr. 95.03.520 / 2005; Thüringische Landesanstalt für Landwirtschaft: www.tll.de /ainfo/pdf/gent0506.pdf
Roland Krieg