Pilze wachsen anders

Landwirtschaft

Calziumkonzentration am Zellende bestimmt das Wachstum

Ein Protein (rot gefaerbt) sitzt an der Spitze einer Hyphe von Aspergillus nidulans und kontrolliert das Wachstum; Foto: KIT

Was die meisten Menschen als Pilze bezeichnen ist lediglich der Fruchtkörper, der sichtbar aus dem Waldboden ragt und einen Hut ausbildet. Pfifferlinge und andere Pilze wurden früher den Pflanzen zugeteilt – heute wissen die Experten, dass sie den Tieren viel ähnlicher sind. Daher bilden die Fungi ein eigenes Reich, das mit mehr als fünf Millionen Pilzarten mehr Arten als Pflanzen und Insekten aufweist.

Die meisten Pilze sind Hyphenpilze. Den Namen erhalten sie von ihrem weitläufigen Geflecht, das Myzelien unter der Erde ausbildet. Das kann sehr groß werden, wie ein Hallimasch in Kanada belegt, dessen einzelner und individueller Organismus einen Durchmesser von 17 Kilometer beträgt. Der Pilz ist mindestens 2.400 Jahre alt.

Die Fruchtkörper des Hallimasch sind essbar. Besser schmecken Champignons. Pilze anderer Natur sind die bei Landwirten gefürchteten Rostpilze im Getreide, die parasitisch im Zellzwischenraum des Gewebes leben und hohe Ertragsausfälle bedingen können. Zur Bekämpfung ist es wichtig, die Lebensweise von Pilzen zu entschlüsseln. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben jetzt herausgefunden, wie und warum Pilze wachsen. „Baumaterialien“ werden durch röhrenförmige Zellen an die Hyphenspitze transportiert und in Abhängigkeit von der Calziumversorgung an der Spitze verbaut. Dadurch dehnen sich die Hyphen endlos aus.

Wachstumsweltmeister

Normalerweise wächst ein Organismus durch Zellteilung. Bei Pilzen findet ein schubweises Hyphenwachstum statt. „Da die Hyphen sich nur an der Spitze ausdehnen, stellte sich zunächst die Frage, woher wissen die überhaupt, wo die Spitze ist“, fragt sich Prof. Reinhard Fischer vom Institut für Angewandte Biowissenschaften (IAB). Die Spitze wird durch spezielle Proteine gekennzeichnet. Angeliefert wird das benötigte Baumaterial in Vesikeln, kleinen Bläschen, die auf Motorproteinen sitzen, die wiederum auf langen Schienen laufen. An der Spitze angekommen, heften sich die Vesikel an die Zellwand an und verschmelzen mit dieser, so dass sie sich weiter ausdehnt. Gesteuert werden die Wachstumsschübe mittels Calciumkonzentration am Hyphenende. „Ist die Konzentration gering, startet die Transportphase. Gibt es einen Calciumpuls, verschmelzen die Vesikel mit der Zellmembran und geben ihren Inhalt nach außen.“ Ebenfalls bemerkenswert: Die Zellwand besteht aus Chitin, dem gleichen Material, aus dem die Panzer der Insekten aufgebaut sind.

„Hyphen können mehr als einen Mikrometer pro Minute wachsen; bei einem Durchmesse von drei Mikrometer“, staunt Fischer. „Das ist, als ob wir Menschen pro Minute zehn Zentimeter dicker werden.“ Pilze sind aber nicht nur Parasiten, sondern leben auch symbiotisch mit Pflanzen im Wurzelbereich zusammen. Sie werden mit Assimilaten von der Pflanze versorgt und helfen ihr Nährstoffe aus dem Boden aufzuschließen. „Für jeden Meter Pflanzenwurzel gibt es einen Kilometer symbiotischer Pilzhyphen.“

Sichtbar gemacht wurde der Wachstumsprozess mit Hilfe von fluoreszenten Proteinen. Die Experten hoffen, dass die Erkenntnisse helfen, schädliche Pilze bei Nutzpflanzen und in Krankenhäusern effizienter zu bekämpfen.

Roland Krieg; Foto: KIT

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