Platzieren sie ihren Stall!
Landwirtschaft
Standorte für Tierhaltungsanlagen
Ein kleines Dorf mit einigen Straßen, viel Äcker und
Weiden rundherum, Waldinseln, ein kleiner Fluss. Idyllisch sieht die Landschaft
auf dem großen Touchscreen aus. In dem Dorf wohnt Bauer Müller. Er will einen
Stall bauen – und damit fangen heutzutage die Probleme an.
Es sind nicht nur die großen Ställe, gegen die sich
schnell Bürgerinitiativen bilden. Landbewohner beschweren sich auch gegen die
Staubbelastung, wenn Neuland mit einer Auslauffläche von vier Quadratmetern je
Huhn einen neuen Hühnerstall plant, erklärte Dr. Thomas Jungbluth, Präsident
des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL).
Tierhaltungsanlagen in der Kritik
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz planen eine
Bundesratsinitiative zur Deckelung von Tierhaltungsanlagen. Dabei geht es um
Tierschutz, um Emissionen und Gerüche. Es geht aber auch um Strukturen, weil
sich die großen Anlagen auf Kosten der kleinen Betriebe ausdehnen. Vor allem
die Kommunen sollen Steuerungsinstrumente in die Hand bekommen, besser planen
zu können.
Geändert werden soll das Baugesetzbuch, das den
Landwirten ein Privileg zum Bauen im Außenbereich zugesteht. Doch reicht das
aus?
Tierschutz- und Umweltfragen über das Baugesetzbuch zu
lösen reiche nicht aus, erklärt Dr. Heinrich de Baey-Ernsten von der KTBL. Das
ist das Ergebnis eines Fachgespräches während der Grünen Woche. Aus rechtlicher
Sicht wäre eine Änderung des Planungsrechtes „nur ein „Herumdoktern“ an einem Einzelproblem“.
Neuland als Fachverband für artgerechte Tierhaltung sieht eine nachhaltigere Lösung
der Probleme in den Produktionsverfahren und der Haltungssysteme. Vereinzelt
könne das Baugesetzbuch helfen, wenn es um viehintensive Regionen gehe. Dort, so
die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, könnte das Landwirte-Privileg an
die regionale Viehbesatzdichte gebunden werden. Kommunale
Steuerungsmöglichkeiten seien zwar möglich, teilte der Deutsche Landkreistag mit,
doch müssten die Instrumente verbessert werden. Tierhaltungsanlagen müssen sich
im Wettbewerb mit Wohn-, Gewerbeflächen und Naherholungsfunktionen messen.
Es wurde auch klar, dass Tierschutz und Umweltschutz
nicht ein Frage der Stallgröße sind. Moderne Technik und Gestaltung erfüllen in
kleinen und großen Ställen die Wünsche er Gesellschaft.
Bewertungsrahmen
Um die verschiedenen Interessen gegeneinander abzuwägen
muss ein Bewertungsrahmen her. Den gibt es für Tierhaltungsanlagen zwar auf
europäischer Ebene: Die EG-Richtlinie 96/61 beschreibt die „Integrierte
Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung“. Sie wird vom
Bundesumweltamt auch in Merkblätter für die „Beste verfügbare Technik“ (BVT)
übersetzt – doch liegt nach Prof. Jungbluth darin auch die Schwäche. Die Vorgaben
in der EU-Richtlinie werden bald verbindlich sein, beziehen sich aber nur auf
Anlagen, die nach Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungspflichtig sind. Das
scheint nicht mehr auszureichen. Das KTBL hingegen hat 2006 ein Standardwerk
veröffentlicht, in dem mehr als 80 Experten 139 Haltungsverfahren aus dem
konventionellen und ökologischen Landbau bewerten, ergänzt Dr. de Baey-Ernsten.
Der Ansatz für die kommenden Herausforderungen besteht
darin, dass sich die Kommunen, Landwirte und Planer konkret mit einer
Haltungsform auseinandersetzen können und sehen, welche Auswirkungen dieses
Verfahren hat und ob es daher in die Region passt.Ewald Grimm Leiter des
KTBL-Teams Standortentwicklung sieht in dem Standardwerk ein Instrument, dass
die Diskussion auf eine sachliche Basis stellen kann. Insoweit hinkt die
Wissenschaft der Politik und dem Vorstoß in den Bundesrat nicht hinterher,
entgegnete Prof. Jungbluth Herd-und-Hof.de.
Das Werk kann mit der Weiterentwicklung der
Stalltechnologie fortgeschrieben werden.
Und Bauer Müller?
Speziell für die Grüne Woche hat das KTBL einen großen
Touchscreen gebaut. Neben Phantasiedörfern, die Interessenten das Prinzip der
Standortsuche erläutern, kann auch realistisches Kartenmaterial geladen werden.
Dann können Bürgermeister, Bürgerinitiativen, Planer und Landwirte gemeinsam
einen Rinder-, Schweine- oder Geflügelstall mit dem Finger auf dem Touchscreen
platzieren. Grüne, gelbe und rote Kreise zeigen parallel zu Tabellen an, ob der
Stall konfliktfrei gebaut werden kann. Beim Schweinestall gibt es zu
Demonstrationszwecken einen Stall mit und ohne Abluftsystem. Mit solchen
technischen Ergänzungen kann auch die Technik in die Planungen einbezogen
werden.
Der Tisch fand großen Anklang, erläuterte Margit
Scheller, die am Stand die Gäste in die Materie einführte. Nicht nur Politiker
auf ihrem Hallenrundgang und Planer, die schon ganz konkrete Problemstellungen haben,
auch Besucher haben durch das Verschieben der Ställe einen Einblick in die
Problematik erhalten.
Und darum geht es nach Prof. Jungbluth auch. Planungen
müssen die Bevölkerung von Anfang mit einbeziehen. Und damit sie sachlich
argumentieren können, müssen sie einen Einblick in die Fragestellung erhalten.
Der Touchscreen kann das liefern.
Kommunen und Landesregierungen, die Interesse an einer
Präsentation haben, können das Modell der digitalen Stallplatzierung bei der
KTBL anfragen.
Lesestoff:
Bundesratsinitiative zu Tierhaltungsanlagen
Roland Krieg (Text und Fotos)