Polens ehrgeizige Ziele

Landwirtschaft

2010: 15.000 Ökobetriebe auf 300.000 Hektar

>Auch in Polen übt der Verbraucher an der Ladenkasse eine Macht aus. Er entscheidet was er kauft und was produziert wird. Das polnische Landwirtschaftsministerium will die Verbraucher besser über Ökoprodukte informieren, so Staatssekretär Jan Krzysztof Ardanowsky auf der Nürnberger Biofach. Die Voraussetzungen seien gut: Saubere Luft und sauberes Wasser. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen wird nicht gefördert und die Bauern bekommen bei der Umstellung große finanzielle Hilfen.
Auf der Ost-West-Konferenz der Ökomesse legte
Dr. Wieslaw Podyma, stellvertretender Leiter der Abteilung Pflanzenbau und Pflanzenschutz des Ministeriums, die rechtlichen Grundlagen für den Ökolandbau in Polen dar. Basis ist die EU-Ökoverordnung 2092/91 der EG, der in Polen am 20. April 2004 eine nationale Verordnung folgte. Am 15. September 2004 folgte die Regelung, Kooperativen bilden zu können, die auch juristische Personen umfassen darf. Am 09. Februar 2005 folgte für den Biobereich eine Präzisierung, dass Ökobetriebe mit mindestens 25 Hektar und mindestens fünf Betriebe kooperieren dürfen. Generell zeigen polnische Bauern traditionell wenig Bereitschaft für die Bildung von Kooperativen. Damit soll 2010 das ehrgeizige Ziel erreicht werden 15.000 Ökobetriebe auf 300.000 ha zu erreichen. Heute sind es 6.800 Höfe auf etwa 83.000 ha. Die Kooperativen können sich horizontal untereinander oder auch vertikal entlang der Wertschöpfungskette zusammen schließen und haben das Ziel, so Dr. Podyma, dem einzelnen Betrieb mehr wirtschaftliche Bedeutung zu geben und sich den Notwendigkeiten der Märkte zu stellen. Insgesamt gibt es ein neues Förderprogramm der Regierung mit einem Volumen von 11 Millionen Euro, sagte er.

Kleine Nachfrage und irritierte Verbraucher
Agrarstaatssekretär Ardanowsky sieht in der Wahl Polens zum Land des Jahres auf der BioFach eine Wertschätzung der ökologischen Anstrengungen. Mittlerweile gibt es auch Ökobier und Ökowodka. Aber die Betriebe sind mit durchschnittlich knapp über 20 Hektar zu klein, obwohl fast doppelt so groß wie die konventionellen Höfe, das Warenangebot ist nicht flächendeckend und die für den Markt produzierte Menge ist zu wenig - das meiste wird auch noch selbst verzehrt.
Dr. Sylwia Zakowski-Biemans von der Universität in Warschau belegte, dass Obst und Gemüse den größten Anteil an der Biowarenpalette haben. Produzierte Ökomilch müsse zumeist konventionell verkauft werden. Generell haben die Bauern zu hohe Transportkosten, eine unterentwickelte Vermarktungsstruktur und zu wenig Lagerkapazitäten. Sie erreichen die Verbraucher zumeist über Direktvermarktung.
Dabei ist das Image der Ökoprodukte beim polnischen Verbraucher gut. Drei Viertel können mit dem Begriff etwa anfangen und verbinden damit Natürlichkeit, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Aber Dr. Zakowski-Biemans schränkt ein: Ein Teil der Bevölkerung denkt, dass bei ökologischer Produktion synthetische Düngemittel, Pestizide und Hormone erlaubt seien.
Der typische polnische Biokonsument ist weiblich, weil Frauen fast überall das Einkaufen übernehmen, hat eine höhere Bildung, lebt in der Stadt und ist jünger als 40 Jahre. Es werden zwar mehrfach die Woche Biowaren eingekauft, aber der Durchschnittsbon liegt bei 2,50 Euro. Zudem sind Verbraucher irritiert: Generell beklagt die Professorin, dass die Etikettierung der Ware oft mangelhaft und falsch sei. Das mindert das Vertrauen bei den Käufern. Zukünftig werden die kleinen Naturkostläden die Direktvermarktung in ihrer Bedeutung ablösen, so ihre Prognose - aber die Läden müssen sich anstrengen. Oft ist nur die Hälfte der Ware ökozertifiziert. Der Rest ist Babynahrung und vegetarische Kost. Die Verbraucher glauben aber, dass alle Waren in diesen Geschäften ökologisch produziert seien.
Daher ist es mindestens genauso wichtig neben der Stärkung der Produzentenseite, den Markt durch Verbraucherinformation und richtige Etikettierung zu fördern. Dr. Zakowski-Biemans sieht dabei die Regierung in der Pflicht: Wer die Erzeugerseite fördert, der muss auch an die Verbraucher denken.

Heimische Produktion ist saisonal
In Polen selbst werden fast nur Agrarprodukte erzeugt. Verarbeitete Produkte wie Tiefkühlkost, Babynahrung oder Müsli werden hingegen importiert. Die kleinen Betriebe haben m Gemüsebau kaum Folien oder gar Gewächshäuser, weswegen das heimische Angebot ausgesprochen saisonal ist. So klagen die Verbraucher auch darüber, dass Ökoware nicht immer verfügbar ist, in vielen Regionen überhaupt nicht vertreten und auch zu teuer sei. Das allerdings entspricht nicht unbedingt der Realität, wie Joanna Idczak von der Universität in Poznan darlegte. Es gibt teure Produkte wie die Gewächshausgurke deren Kilopreis bei 1,50 Euro liegt. Konventionelle Gurken kosten etwa einen Euro. Hingegen gibt es bei dem meist nachgefragtem Gemüse wie Weißkohl oder Kartoffeln nur geringe Preisunterschiede zwischen 10 und 11 Eurocent je Kilo. Deutlicher wird es aber wieder bei Polens Lieblingsobst, den Äpfeln: Das konventionelle Kilo kostet 0,60, die ökologische Variante 1,00 Euro. Als Ausweg sieht Joanna Idczak die Stärkung der Angebotsseite: eine Ausdehnung der Betriebsgröße senke die Stückkosten und erhöhe das Marktangebot.

Zwei aktuelle Trends
Auch wenn viele wieder schließen oder schnell den Besitzer wechseln: Die Naturkostläden haben sich in den überall aus dem Boden sprießenden Einkaufscentern niedergelassen. Sie wechseln dabei ihr Image vom "Gesundheitsladen" zum Delikatessengeschäft.
Polen hat gegenüber den anderen osteuropäischen Beitrittsländern noch ein weiteres Zugpferd: Gegenüber Herd-und-Hof.de bestätigt Dr. Zakowski-Biemans die Verbindung zwischen regionaler Biovermarktung und Landtourismus. Die Regierung stellt diesen Bauern vergünstigte Kredite zur Verfügung.

Roland Krieg

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