Politik soll auf die Wertschöpfungskette Bio setzen

Landwirtschaft

Grüne Woche startet mit grünem Appell

Traditionell ist die Pressekonferenz des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft BÖLW) die erste und legte gleich den Vorwärtsgang ein. Der Nachfragemarkt „Bio“ wächst weiter und zieht eine große Umstellungswelle nach sich. In Hessen stellten im letzten Jahr  Betriebe und 155 damit rund 10.000 Hektar auf ökologische Landbewirtschaftung um. Den gleichen Flächenbetrag erzielten in Niedersachsen 140 Betriebe. In Rheinland-Pfalz wuchs die Bio-Fläche zwischen 2010 und 2015  um 43 Prozent. Für BÖLW-Vorstand Felix Prinz zu Löwenstein ist das ein deutliches Signal: „Das Modell der industrialisierten Landwirtschaft funktioniert nicht mehr!“. Die Dauerniedrigpreise haben seit zwei Jahren den Strukturwandel mehr als verdoppelt und selbst spezialisierte Schweinehaltungsbetriebe haben in der Größenordnung von fünf Prozent ihre Stalltüren für immer verschlossen. Die ökologische Landwirtschaft ist ein „Lösungsinstrument“ Als Beispiel für Vermeidung externer Kosten führte Löwenstein Wasserwerke an, die freiwillig den Ökolandbau in ihrem Wassereinzugsgebiet fördern, um nicht eine zusätzliche Klärstufe im Klärwerk finanzieren zu müssen. Eine detaillierte Wirtschaftsstudie dazu soll das Bundesumweltministerium noch in diesem Sommer vorstellen.

Externe und interne Hindernisse

Da sind Hindernisse für die umstellungswilligen Landwirte störend. Unter anderem gilt die Planung einer neuen EU-Ökoverordnung dazu, die derzeit auf Eis gelegt wurde. Löwenstein appelliert an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, bei seiner ablehnenden Haltung zu bleiben. Die Vorstellungen von weniger Kontrollen oder eigenen Grenzwerten würde den Weg für mehr Bio aufhalten. Das Europaparlament folgt den Agrarministern. Nur die Kommission gibt die Reform noch nicht auf.

Was die Biobranche so populär macht ist das Image der gesamten Wertschöpfungskette. Erzeuger, Verarbeiter und Händler gehen anders miteinander um, als im konventionellen Bereich. Das führe zu einem „Gründungsboom handwerklicher Betriebe“, wie der Neue im BÖLW-Vorstand, Molkereichef Paul Söbbeke, anführt. Was die Landwirte an Verantwortung gegenüber ihren genutzten Ressourcen treibt, habe sich auch die Verarbeitungsindustrie in der Branche zu Eigen gemacht. „Es ist entscheidend, die ganze Wertschöpfungskette zu betrachten.

Ganz so rosig sind die Perspektiven in der Biobranche allerdings nicht. Schon heute beklagen sich Landwirte über einen Preisdruck durch die wachsende Branche und auch über Qualitätsvorstellungen. „Krummes Gemüse“ kann vereinzelt schick sein, aber auch der konventionelle Lebensmittelhandel will, oder braucht, genormte Mengen für Logistik und Verpackung. Für Elke Röder sind das Allerdings keine „zentrifugalen Kräfte“, wie sie gegenüber Herd-und-Hof.de sagt. Das Wachstum bringe neue Akteure ins Spiel, die auf Traditionalisten treffen. Diskussionen um die Weiterentwicklung der Branche definiert die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN) als Kreativität. Die habe es in der Branche schon immer gegeben. Regionalität, Qualität und Transparenz bleiben spannende Entwicklungen für die Zukunft. „Wir fürchten uns nicht vor Marktdifferenzierungen“, ergänzt Prinz zu Löwenstein. Die Besonderheiten der Wertschöpfungskette blieben weiterhin bestehen. „Wir wollen Vielfalt“, sagt Söbbeke. Nur so komme die Branche aus der Nische heraus. Da seien die Akteure auch von neuen Ansätzen getrieben.

Zukunftssicher machen

Um die Zukunftssicherheit der Biobranche zu gewährleisten hat der BÖLW ein Grundsatzpapier zur Grünen Woche vorgestellt. Jetzt soll die Forderung nach 20 Prozent Bioanteil im Markt endlich umgesetzt werden. Neben einer ordentlichen EU-Ökoverordnung soll ein „Bio-Gründungsfonds“ innovative ökologische Leistungen an den Markt bringen. Dazu gehöre eine Stärkung der Öko-Forschung. Für Verbraucher soll eine Tierhaltungskennzeichnung, adäquat zur Eierkennzeichnung, für Transparenz sorgen. Die Null steht für „Bio“, die „Eins“ für den Zugang zum Außenbereich, die „Zwei“ für eine Aufstallung auf Stroh und die „Drei“ für den gesetzlichen Mindeststandard.  Ebenfalls sollten Bioprodukte durch eine Halbierung des ermäßigten Steuersatzes auf 3,5 Prozent den Verbrauchern auf Produkte hinweisen, die durch geringere gesellschaftliche Umweltkosten erzeugt werden.

Am Ende müsse die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2020 grundsätzlich umgebaut werden. Heute wird der internationale Dachverband der Bio-Organisationen IFOAM ein entsprechendes Papier vorstellen. Jan Plagge, Bioland-Vorstand, hat es kurz vorgestellt. Es basiert auf dem Prinzip „Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen“. Demnach wird die erste Säule der Direktzahlungen komplett abgebaut. Die dann übrig gebliebene Säule der Agrarumwelt- und Klimaleistungen verteilt die Gelder anhand von Gegenleistungen, zu denen sich die Landwirte verpflichten. Wie etwa Blühflächen oder bodenschonende Bearbeitungsverfahren.

Roland Krieg

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