Politische Diskussion zum Nitratproblem

Landwirtschaft

Düngerverordnung: Jetzt!

Düngeverordnung

„Die Novellierung des Düngerechtes ist überfällig!“ Unter diesem Motto lud das niedersächsische Landwirtschaftsministerium am Dienstagabend zu einer munteren Diskussion in seine Landesvertretung in Berlin. Gerade Niedersachsen hat mit der Plaggenwirtschaft eine ganze Kulturlandschaft geprägt [1]. Die Nutzung organischer Düngung wurde erst durch das Haber-Bosch-Verfahren zur Gewinnung von Ammoniak aus Luftstickstoff im großtechnischen Verfahren abgelöst. Die Nebeneffekte große Düngermengen auf Gewässer und Landschaft fallen der Landwirtschaft heute auf die Füße [2]. Doch gerade das Thema Stickstoff ist in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt, erklärte Harald Kächele, Bundesvorsitzender der Deutschen Umwelthilfe. Doch auch der in Niedersachsen beheimatete Automobilkonzern hat im Eigentlichen ein Stickstoffproblem: Es geht um Stickoxide.

Fehlende Sanktionen

Dabei ist das Thema nicht neu. Der Biologe Heinz Ellenberg hat bereits in den 1970er Jahren den maximalen Stickstoffwert in Abhängigkeit vom Standort mit fünf bis 30 kg N pro Hektar angegeben. Danach kippe das System. Kächele wird deutlich: „Wir haben kein Erkenntnisproblem.“ Die EU hat das Thema Stickstoff in breiter Form aufgenommen. Die Niratverordnung wird in diesem Jahr bereits 25 Jahre alt. Das Fachrecht zur Umsetzung, die Düngeverordnung jährt sich zum 20. Mal. Das Thema Stickstoff spielt in der Wasserrahmenrichtlinie, bei der Luftreinhaltung und beim Meeresschutz ebenfalls eine Rolle. Die Düngeverordnung wird das Schlüsselelement zur Umsetzung eines ordentlichen N-Kreislaufes, erklärte Kächele. Es gibt ein Umsetzungsproblem, weil dem Gesetz Sanktionen und Kontrolle fehlen.

Prof. Dr. Friedhelm Taube

Ziel verfehlt

Mit rund 100 kg N pro Hektar Überschuss ist das Ziel von 2010 um 20 kg noch immer verfehlt. Nur zweimal wegen besonders guter Ernten und einmal wegen außerordentlicher Düngekosten kamen die deutschen Bauern im Durchschnitt an die Zielgrenze heran, erklärte Prof. Dr. Friedhelm Taube von der Universität Kiel. Der Stickstoff-Überschuss von 100 kg entspreche Düngekosten in der Größenordnung von jährlich 1,6 Milliarden Euro oder 225.000 Lkw voll mit Kalkammonsalpeter.

Ein Anerkennungsproblem für unerwünschte Nebeneffekte bestehe darin, dass die deutsche Landwirtschaft mit einem weltweit geringen Anteil von 0,8 Prozent am Bruttoinlandsprodukt bei einem durchschnittlichen Zollsatz von 18 Prozent einen sehr hohen Außenschutz genieße. Der Boden hat bis in die 1990er Jahre hinweg noch Stickstoff aufnehmen können. Seitdem habe er seine Kapazität erschöpft. Lediglich noch 5 Prozent des Überschusses verbleiben vor Ort, 17 Prozent gehen in das Sickerwasser, 30 Prozent als Ammoniakemissionen in die Atmosphäre und acht Prozent sind Lachgasverluste. Die sozialen und Umweltkosten beziffert Prof. Taube mit 200 bis 300 Euro je Hektar. Er fordert einen Paradigmenwechsel von der betrieblichen Ertragsoptimierung hin zu einer sozialen Stickstoffoptimierung. Betriebe, die eine wirkliche Gute Fachliche Praxis einhalten, sollten belohnt werden.

Landwirtschaftsminister Christian Meyer Niedersachsen

Keine Besserung in Sicht

In diesem Jahr hat Niedersachsen seinen dritten Nährstoffbericht vorgestellt, der zwar keine Verschlechterung, aber eben auch keine Besserung aufzeigt [3]. Landwirtschaftsminister Christian Meyer kritisiert, dass rund 34 Millionen Tonnen Gülle innerhalb Niedersachsens transportiert werden. Neben den viehdichten Regionen haben sich die Regionen mit einer hohen Biogasanlagendichte und hohem Maisanteil mit ihren Gärresten dazugesellt. Im Vergleich zum Gülleanfall sei Niedersachsen derzeit rund 40.000 ha zu klein. Der „Fehlbedarf“ nach der Düngeverordnung stiege auf 116.000 ha. „Wir brauchen ein Bündnis der seriösen Partner“, forderte Meyer. Es ist nicht immer klar, wie viel Gülle auf einem Betrieb anfällt und wohin sie verbracht werde. Derzeit müssen die Daten aus verschiedenen Quellen plausibel zusammengetragen werden. Abhilfe würde ein betrieblicher Güllekataster schaffen – gegen den sich aber Betriebe und Gülletransporteure wehren.

„Machen sie sich ehrlich“

Holger Hennies vom Landvolk Niedersachsen befürchtet, dass vor allem in den Regionen wo es keine Nitratprobleme gibt, die Hälfte der Tierhaltungen bei Verschärfung der Düngeverordnung und des Düngegesetzes aufhört. Politisch will mit Blick auf die Praxis kaum jemand Verantwortung übernehmen. Die agrarpolitischen Sprecher der großen Koalitionsparteien Wilhelm Preismeier (SPD) als auch Franz-Josef Holzenkamp (CDU) können sich kaum einigen. Strittig bleibt die Hoftorbilanz ohne innerbetriebliche Nährstoffverwendung und „die nicht anrechenbaren Futterverluste“. Für Prof. Taube sind das Hintertüren, mit denen Bilanzen „schön gerechnet werden können.“ Seine Forderung: Mit echten Bruttonährstoffwerten rechnen.“ „Machen Sie sich ehrlich“, fordert auch DUH-Chef Kächele. Zumal die ersten Trinkwasserbrunnen geschlossen werden mussten, sagte Heiko Albers, Präsident des Wasserverbandstages. Wegen zunehmender Starkregenereignisse fließt mehr Wasser oberirdisch ab und dient nicht mehr der Grundwasserneubildung. Dadurch erhöht sich die Nitratkonzentration.

Podium Düngergesetzgebung
Voll das Podium: v.l.: Prof. Taube (Uni Kiel), W. Priesmeier (SPD), H. Hennies (Landvolk), C. Meyer (Agrarminister), H. Aeikens (BMEL), H, Albers (Wasserverband), H. Kächele (DUH)

Dr. Hermann Onko Aeikens, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, zeigt sich optimistisch, dass noch n diesem Herbst der Bundesrat das Thema abschließen wird. In den nächsten Tagen stehen weitere Gespräche mit den Ländern an.

Das ist aber nur Augenwischerei. Die EU wird noch in dieser Woche die Nitratklage beim Europäischen Gerichtshof einreichen. Zudem hat sie die Vorstufe davon, das Pilotverfahren, wegen Nichteinhaltens der Wasserrahmenrichtlinie eröffnet. Jahrelange Versäumnisse haben die Bundesrepublik und am Ende auch die Landwirte unter Druck gesetzt. IN diesem Jahr muss Deutschland seinen Nitratbericht an die Kommission senden. Nach Priesmeier stehen keine Verbesserungen drin. Das heißt: Die mühsame und schmerzhafte neue Gesetzgebung hat einen eingebauten Countdown, weil in eineinhalb Jahren wegen weitergehender Versäumnisse die nächste Verschärfungsstufe ansteht.

Lesestoff:

[1] Plaggenesch – Boden mit Kulturgeschichte

[2] Versäumnisse bei Nitrat enden vor Gericht

[3] Nährstoffbericht Niedersachsen

Nährstoffbericht Schleswig-Holstein

Roland Krieg

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