Praxis und Grenzen der Bio-Zertifizierung

Landwirtschaft

Zertifizierungsinstrumente gänzlich ausnutzen

In den letzten Monaten sind die Betriebskontrollen durch falsche Bioeier, Aflatoxin und Pferdefleisch in die Kritik geraten. Vor allem die Ökokontrollen stehen unter öffentlichem Druck, weil sich der Bioanbau per se eine Vorreiterrolle in Sachen Nachhaltigkeit zuschreibt. Das aber sind die „Schmerzen, die entstehen, wenn einen Nischenproduktion in die Fläche geht“, erläuterte Florian Schöne, Agrarreferent des NABU-Bundesverbandes am Dienstag in Berlin. Eingeladen hatte die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL), um über Praxis und Grenzen der Bio-Zertifizierung zu diskutieren. Vor allem die Biobranche lebe vom hohen Gut der Glaubwürdigkeit, so Schöne. Die Zertifizierung ist das Fundament für die Vermarktung, ergänzt FÖL-Geschäftsführer Michael Wimmer.

Caroline Köhler und Aniko Hielscher von der Ökoprüfstelle Grünstempel aus Wanzleben bei Magdeburg legten zunächst die Kontrollpraxis dar. Ausschließlich auf staatliche Kontrollen greifen in der EU Dänemark und Finnland zurück. In Deutschland sind auch private Zertifizierer unterwegs. Sowohl Kontrollstelle als auch Kontrolleur brauchen eine Zulassung von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). In Deutschland sind 22 Kontrollstellen nach der Norm EN 45011 zugelassen. Im Mai 2012 wurden die Vorgaben noch einmal verschärft.

Die Kontrolleure prüfen die Dokumente des Betriebes auf Anbauplanung, verwendeten Betriebsmitteln, Zu- und Verkäufe und besichtigen vor Ort die Hofstelle, Flächen und Maschinen. Der Inspektionsbericht wird nach Plausibilität der vorgefundenen Daten erstellt und entscheidet über Zuteilung eines Biosiegels oder einem abgestuften Sanktionskatalog. Dieser reicht von Hinweisen bei leichten Fehlern über ein Vermarktungsverbot bis zur Aberkennung eines Siegels bei schweren Mängeln.

Dennoch sind die falschen Bioeier und Fehlbelegungen in den niedersächsischen Betrieben aufgetreten. Nach Aniko Hielscher sind bei so einer kriminellen Energie mit doppelter Buchführung, wo Erzeuger und Verarbeiter auch noch in einer Hand zusammengeführt sind, auch die Kontrolleure machtlos. Da höhle nur der stete Tropfen den Stein.

Es sind aber mehr die kleinen Verfehlungen, die Kontrolleuren und Betrieben das Leben schwer machen. „Der Dokumentationsumfang zermürbe manchen Biobauern“, gab Hielscher zu. Die meisten Fehler entstehen durch die Komplexitäten der EU-Bio- und mittlerweile mehreren Ergänzungsverordnungen. Über falsche Betriebsmittel, Flächenangaben oder Verbote sind sich die Bauern in ihrem Alltag oft nicht bewusst. Eine einfachere Verordnung steht daher auf der Wunschliste für geringeren Kontrollaufwand und höheren Praxisbezug an erster Stelle.

Nach Florian Schöne kann auch die Rückbesinnung auf die ökologischen Grundprinzipien der Ökobranche zu mehr Reputation verhelfen. Bestandsobergrenzen, das Verbot von Teilumstellungen und Trennung von Produktion und Verarbeitung erleichterten Praxis und Kontrollen.

Mehr Kontrollen in Umfang und Dichte, wie sie derzeit von der Politik gefordert werden, lehnt Aniko Hielscher ab. Die Instrumentarien reichten aus, um schwarze Schafe vom Markt zu nehmen. Nachholbedarf sieht die Kontrolleurin eher im Sanktionsbereich.

Lesestoff:

Wie viel Label braucht die Nachhaltigkeit

Interview mit Marlehn Thieme, Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung

Immer mehr Hofkontrollen

Roland Krieg

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