Ratlos gegen Blauzungenkrankheit

Landwirtschaft

Blauzunge in ganz Deutschland: Impfen oder nicht?

Ende 2006 waren die Tierärzte noch gedämpft optimistisch, dass mit sinkenden Temperaturen die erstmals in Mitteleuropa aufgetretene Blauzungenkrankheit auch wieder zurück gehen könnte. Ende 2007 hat Karte FLI Blauzungeder Düsseldorfer Parasitologe Prof. Dr. Heinz Mehlhorn jedoch bereits ganz Deutschland als Verbreitungsgebiet der Viruserkrankung ausgemacht. Neuinfektionen im Hochsommer 2007 haben dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) von der Insel Riems gezeigt, dass das Blauzungenvirus in Mitteleuropa überwintern konnte.

Immer noch mehr Fragen als Antworten
Mitte Dezember musste das Institut eingestehen, dass „trotz umfangreicher epidemiologischer Untersuchungen nicht geklärt werden“ konnte, wie der Serotyp 8 in den Niederlanden auftauchen konnte. Möglich bleiben illegale Importe infizierter Tiere oder der Eintrag infizierter Vektoren, den zwei bis drei Millimeter langen Gnitzen, die mit Waren oder Tiertransporten mitreisten. Die letzen Fälle traten in Bayern, Sachsen und im Berliner Raum auf. Befallene Schafe sterben zu 30, befallene Rinder etwa zu vier Prozent. Der aktuelle Stand am 14. Dezember 2007 zählte 199.332 Fälle.

Die Blauzungenkrankheit wurde Ende des 18. Jahrhunderts in Südafrika das erste Mal beschrieben, nachdem englische Merinoschafe importiert wurden. 1943 wurde die Blauzunge erstmals auf Zypern gemeldet und trat nachfolgend zwischen den USA und Indien auf. Bislang war der Virus lediglich zwischen dem 40. nördlichen und 35. südlichen Breitengrad verbreitet. Das bestätigte den Verdacht von FAO und Internationalem Veterinärinstitut, dass das Virus bei ausreichender Wiederkäuerdichte eng an seine klimatische Zone gebunden ist. Es tritt in stabilen Ökosystemen auf und vollzieht möglicherweise eine Ko-Evolution mit den Überträgern. Nur in besonders günstigen Jahren wurde es auch bereits jenseits seines Hauptverbreitungsgebietes gefunden: 1956 auf der iberischen Halbinsel, 1999 in Bulgarien und dem griechischem Festland als auch 2000 auf Sizilien und Süditalien.
nach FAO

Impfstoff in Sicht
Auch wenn die Werbeanzeige von Bayer zunächst glauben macht, es gäbe ein Mittel gegen die Blauzungenkrankheit – dem ist nicht so. Das Mittel wird den Tieren aufgeträufelt. Wirkstoff ist Cyfluthrin, das zur Gruppe der Pyrethroide zählt. Wie Permethrin, Deltamethrin oder Fenvalerat sind Pyrethroide Insektengifte, die dem natürlichen Chrysanthemengift Pyrethrum nachgebaut sind, aber nur noch eine entfernte chemische Verwandtschaft besitzen. So sind Teppichböden mit Wollsiegelqualität immer mit Permethrin behandelt, da diese Mottenschutzbehandlung Pflicht für das Siegel ist.
Pyrethroide wirken breit und daher auch gegen Gnitzen, stellt das FLI fest. Sie bieten aber „keinen sicheren Schutz“.
Werbung gegen WeidefliegenGegen das Virus gibt es bislang keine Bekämpfung. Möglicherweise werden aber 2008 die ersten Impfstoffe zugelassen. Im Gespräch sind Tot- und Lebendimpfstoffe. Die inaktivierten Impfstoffe beinhalten ganze tote Viren, sind sicher, aber die Impfung muss bei Rindern ein halbes Jahr später wiederholt werden. Abgeschwächte Lebendimpfstoffe können die gleichen Wirkungen hervorrufen wie der Virus selbst und sich sogar mit dem Feldvirus neu kombinieren.
Während die einen die Impfung befürworten, weil es nahezu aussichtslos ist, ausschließlich gegen die Gnitzen vorzugehen, fürchten Impfgegner, dass nicht genug Impfstoff für alle Schafe zur Verfügung stünde und bei Rindern die Impfung unwirtschaftlich sei. Von den amtlich erfassten Fällen beziehen sich nur 18.000 auf Rinder.
Für Praktiker ist die Antwort eindeutig: „Wir brauchen einen Impfstoff, und zwar so schnell wie möglich“, forderte Schafhalter Wolfgang Menzel aus dem rheinischen Lohmar im August. Die Herden von ihm und seinen Berufskollegen wurden im vergangenen Jahr vom Virus betroffen, obwohl sie Mittel gegen Weidefliegen und Gnitzenfallen einsetzten. Auch wenn die Bauern für verendete Tiere aus der Tierseuchenkasse entschädigt werden, so bleiben sie auf den Kosten für Medikamente und Tierärzte sitzen, sowie müssen für die erkrankten und eingestallten Tiere zusätzliche Futterkosten aufwenden.

Am 07. Juni 2008 findet im Centro Pastorale Paolo VI im italienischen Brescia das Bluetongue Satellite Symposium EPIZONE statt. Vorträge und eine Posterausstellung beschäftigen sich mit den Themen Interventionsstrategie, Diagnose, Forschung über Gnitzen und wirtschaftliche Folgen. Details: www.epizoneeu.net/bluetongue/default.aspx

Die Ausbreitung der Blauzungenkrankheit führt Dr. Mehlhorn hauptsächlich auf den Transport von Tieren zurück, die zwar den Virus in sich trugen, aber keine Symptome aufwiesen.

Roland Krieg; Fotos: Karte: FLI (rote Punkte: Vorfälle; gelb: Beobachtungsgebiet); Werbung: roRo

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