Rauhwoller von der Ostseeküste

Landwirtschaft

Das Rauhwollige Pommersche Landschaf

„Wir unterstützen diese Aktivitäten, weil die alten Rassen ein Stück gemeinsames Kulturgut sind.“ Das sagte Agrarminister Dr. Till Backhaus aus Schwerin im Oktober 2004 als erstmals wieder 36 Rauhwollige Pommersche Landschafe (RPL) auf die Reise in die Wojewodschaft Szczecin gingen. 33 Lämmer und drei Zuchtböcke Rauhwollige Pommersche Landschafe Foto LBV MVumfasste das Wiederansiedlungsprojekt des Instituts für Tierproduktion in Dummerstorf, der Universität in Stettin und des Schafzuchtverbandes Mecklenburg-Vorpommerns. Bis zum zweiten Weltkrieg gab es östlich von Stettin noch rund 40.000 RPL. Typisch für die Landschaft zwischen Pommern und Ostpreußen ist das Salzgrasland mit widrigem Wetter im Dünenbereich der Ostsee. Den Schafen hat es ihre sprichwörtliche Genügsamkeit und Wetterhärte eingebracht. Die Namensgebung verrät, dass diese Schafe sehr standorttreu gehalten wurden.

Der weiße Fleck
Das die Tiere überhaupt noch exportiert werden konnten, verdanken sie engagierten Züchtern des Gutes Ummanz zu Beginn der 1980er Jahre. 1982 gab es nur noch 46 Mutterschafe und sieben Böcke von einer Population, die 1950 noch 110.000 Tiere groß war. Merinos und Milchschafe aber lieferten Milch, Fleisch und Wolle zu günstigeren Bedingungen und verdrängten die RPL. Bald gab es kein Zuchtbuch mehr und nur noch rund 10 Halter hielten die Tiere mehr aus Familientradition. Dann rief eine Arbeitsgruppe der UNO zur Erhaltung alter Landrasse der Haustiere auf und führte dazu, dass wieder ein Zuchtbuch für die Tiere eingeführt wurde. Vormals wurden die Tiere in kleinen Gruppen für den Eigenbedarf an der Küste gehalten und dienten in erster Linie für den Eigenbedarf der Schäfer. Fischer wussten die wind- und wasserabweisende grobwollige Kleidung der RPL zu schätzen. Durch die Haltung in Kleinstherden wurden die Tiere jedoch nie züchterisch intensiv bearbeitet.
Das änderte sich dann ab 1982 und mit Hilfe der Linienrotationskreuzung wurde vermieden, dass die wenigen Tiere, die es noch gab, Inzuchteffekte aufweisen. Sieben rassetypische Böcke, die nicht miteinander verwandt waren, wurden ausgesucht. Die Mutter- und Jungschafe wurden jeweils mit dem Bock der nächsten Linie verpaart. Damit erschien frühestens in der vierten Generation wieder ein Ahne der gleichen Linie.
Siegfried Dettmann vom Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei (LaLLF) in Rostock schreibt in der Extra-Ausgabe „Schafe - aktuell“ für die MeLa in Mühlengeez, dass die Tiere in der Zeit vor 1982 den so genanten Flaschenhals zu überwinden hatten. Damit bezeichnen die Tierzüchter die Verringerung der Population unter einen kritischen Wert. Nach dem Flaschenhals können die Tiere Eigenschaften aufweisen, die vormals nicht rassetypisch gewesen sind. So gab es immer mal wieder RPL mit einem weißen Fleck unter den Augen, aber in den 1980er Jahren tauchte dieser in Beschreibungen als rassetypisches Merkmal auf. „Ein Irrtum, bedingt durch die Wirkungen eines Flaschenhalses?“, fragt Dettmann. Schwieriger sind Beurteilungen über Merkmale, die nicht so leicht zu sehen sind, wie die Fruchtbarkeit, Krankheitsresistenzen oder Wollqualität.

Rauhwolliger Exportschlager
Heute gibt es alleine auf dem Gut Ummanz wieder 264 Mutterschafe, die gegenüber der Herdenleistung in MV deutlich besser abschneiden. Es werden höhere Befruchtungsziffern, Fruchtbarkeits- und Produktionszahlen erreicht. Seit fünf Jahren wird die Ummanzer Herde ökologisch gehalten und auf Weiden getrieben, die im Rahmen des Programms der naturschutzgerechten Grünlandnutzung bewirtschaftet werden.Portrait RPL
Fast gleichzeitig als Gut Ummanz wieder mit der Zucht begann, meldeten sich auch bereits die ersten Interessenten aus Westdeutschland. 1984 wurden die ersten Zuchtböcke tatsächlich verkauft und zusammen mit der Erholung der Population sind die RPL mittlerweile in allen deutschen Schafzuchtverbänden eingeführt. Die aktuellen Herdbücher weisen insgesamt 3.654 Mutterschafe und Jährlinge bei 144 Züchtern aus.

1. Bundesschau für das MeLa – Tier 2006
Die meisten Muttertiere gibt es natürlich in MV mit 1.786 Tieren. Aber auch Sachsen-Anhalt, der Zuchtverband Skudden, Niedersachsen und Brandenburg haben viele Tiere. Bisher wurden die Zuchtschauen für die RPL zusammen mit anderen Schafwettbewerben ausgeführt. Auf der MeLa allerdings gibt es am Sonntag ab 08:00 Uhr den ersten Bundeswettbewerb für das Rauhwollige Pommersche Landschaf, dass in Tradition bei der Landwirtschaftsmesse als „Tier des Jahres“ ausgesucht wurde. Dafür reisen Züchter aus Baden-Württemberg und Hessen nach Mühlengeez und zeigen damit ihr Engagement für die Tiere, sagte Siegfried Dettmann zu Herd-und-Hof.de.

Bewahren durch Aufessen
Während die Schäfer früher mit den Tieren meist ihren Eigenbedarf an Fleisch, Wolle und Milch deckten, dient das RPL heute überwiegend als Landschaftspfleger. Der Anteil am Gesamtschafbestand in MV liegt zwar nur bei drei Prozent, wird aber in Zukunft weiter steigen. Die Tiere werden die Deiche pflegen und Trocken- sowie Magerrasen beweiden. Für das Salzgrasland im Dünenbereich gibt es an der Ostseeküste keine besseren Wollträger.
Traditionelles SpinnenNeben der Stabilisierung der Gesamtherde gibt es jedoch auch bereits weitere wirtschaftliche Zukunftsaufgaben, die in den Mittelpunkt rücken. Fleisch, Wurst und Schinken der RPL sind etwas besonderes. Daher sollen Vermarktungsstrukturen mit der Schlachterinnung und dem Gaststättengewerbe aufgebaut werden, um den Tieren ihren Charakter als traditionelles Nutztier wieder zu geben. Das könnte auch die Entwicklung einer Direktvermarktung bei den Schäfereien beinhalten – da weiß der Verbraucher auch, woher die Tiere kommen.
Anschauen können Sie sich das Tier noch bis Sonntag auf der MeLa (s. Terminvorschau). Damit es Ihnen auch schmeckt gibt es auf einem neuen Flyer des Landesschafzuchtverbandes über das RPL folgendes Rezept:
Gesülztes Lammfleisch mit Gemüse und Viermus:
Zutaten (für vier Personen)
600 g Lammfleisch aus der Schulter, 4 EL Essig, 1 TL Zucker, 2 Möhren, 4 Zwiebeln, ¼ Sellerieknolle, 2 Gewürzgurken, 6 Blatt weiße Gelatine, Salz, estragon-, Dill- und Kerbelblätter
Zubereitung:
Das Fleisch in einen Topf mit zwei Litern Wasser geben, Salz, Essig, Zucker, Möhren Sellerie und Zwiebeln bei 60 °C fünfzig Minuten gar ziehen lassen. Fleisch und Gemüse in kleine Würfel schneiden. Den Sud durch ein feines Sieb gießen. Eingeweichte Gelatineblätter darin zergehen lassen. Alle Zutaten in einen feuerfeste Ofenform geben, die sich gut zum Stürzen der fertigen Sülze eignet.
Viermus (typische Beilage in Pommern):
Eingekochte Birnen, Äpfel, Preiselbeeren und Heidelbeeren werden zu dickem Mus mit Zucker, Zimt und Rum vermischt.

Lesestoff:
Die Ausgabe „Schafe - aktuell“ 3/2006mit dem Schwerpunkt RPL zur MeLa, sowie das Heft „Rauhwollige Pommersche Landschafe“ mit zahlreichen Tabellen, wie beispielsweise den Wollqualitäten, kann beim Landesschafzuchtverband MV in Karow bezogen werden (E-Mail: schafzucht@rinderzucht-mv.de)

Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) in Witzenhausen können sie unter www.g-e-h.de besuchen. Die Gesellschaft stellt in jedem Jahr auf der Internationalen Grünen Woche jeweils die gefährdete Nutztierrasse des Jahres vor. 2006 ist es das Deutsche Sattelschwein
2005 war das Lewitzer Pony Tier der MeLa gewesen.
2004 war die Pommernente das erste MeLa-Tier

Roland Krieg
Fotos: Herde: Bauernverband MV; Portrait und Spinnräder: Siegfried Dettmann

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