Reaktionen auf die GAP-Vorschläge

Landwirtschaft

GAP-Reform produziert nicht nur Gewinner

Die ersten Legislativvorschläge von EU-Kommissar Dacian Ciolos vom gestrigen Mittwoch (s. Sondermeldung Herd-und-Hof.de) produzierten erwartungsgemäß nicht nur Gewinner. Die Richtung Ökologisierung ist eingeleitet, kleine und große Betriebe sollen sich in der Reform wiederfinden und Marktsicherungsmechanismen bleiben den Marktteilnehmern erhalten. Die Reaktionen im Einzelnen:

Richtige Ziele mit offenen Fragen

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte angesichts der Vorlage: „deutschland unterstützt die grundlegende Ausrichtung der Reform-Vorschläge. Das Ziel der EU, die Umweltbeiträge der Landwirtschaft weiter zu steigern, ist richtig. Es muss jedoch einen wirklichen Mehrwert für Umwelt und Natur bringen.“ Deutschland sei schon sehr weit, denn die EU-Förderung kurbele die Produktion nicht mehr an, sondern entlohne die Landwirte für ihre Umweltbeiträge.
Die Reform müsse sich daran messen lassen, dass sie Fragen klärt, wie beispielsweise auf den bestehenden Flächen mehr nachhaltig produziert werden könne.
Kritik übte sie an der Bindung der Kappung an Arbeitskräfte. Das würde mit der „Förderung von Arbeitskräften in der Landwirtschaft“ ein neues Fördersystem schaffen. Auch die Kleinbauernregelung hat die Ministerin nicht überzeugt. Das Ministerium arbeite an einem anderen Vorschlag für Ciolos.

Kleiner Wurf gelungen

Nach Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus (SPD, Mecklenburg-Vorpommern) ist kein großer Wurf gelungen. Das Greening allerdings werde die gesellschaftliche Akzeptanz der Transferzahlungen sicher stellen. Deutschland würde nach seinen Berechnungen auch nur vier Prozent seiner Gelder aus der ersten Säule verlieren. Das sei moderat. Deutschland könnte rund 200 Millionen Euro verlieren, Mecklenburg-Vorpommern rund 18 Millionen Euro.
Die Ciolos-Vorschläge des Greenings, sieben Prozent ökologische Vorhaltflächen und maximal 70 Prozent Anteil einer Feldfrucht in der Fruchtfolge stellen die Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern vor keine Hürde.
Die Kappung sieht der Minister zweiteilig. Es sei nicht gerecht, dass große Betriebe benachteiligt würden, ohne das ein kleinere einen Cent mehr sähe, doch die Freiraumgrenze auf Grund der Beschäftigtenzahl reiche aus, dass in Mecklenburg-Vorpommern die Betriebe keine Nachteile erhalten würden. Generell fürchtet Backhaus aber einen Präzedenzfall: Erst „einmal im europäischen Recht verankert, können die Bedingungen bei weiteren Reformschritten leicht verschärft werden.“ Dann könne es für die Betriebe auch existenzbedrohend werden.

Greening wirkt in NI stärker

Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) erwartet von der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013 eine Stärkung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in Europa. „Das europäische Agrarmodell hat weltweit Vorbildcharakter und muss mit der anstehenden Reform weiter gestärkt werden", so Lindemann. In diesem Sinne müssten die Reformvorschläge der Kommission weiterentwickelt werden, ohne den Agrarsektor bürokratisch zu bevormunden. Würden die Legislativvorschläge der Kommission ohne Änderungen umgesetzt, dann würde die vorgesehene Basisprämie in Niedersachsen künftig rund 200 Euro je Hektar und die Greening-Prämie rund 100 Euro je Hektar betragen. Niedersachsen würde durch die Umverteilung zugunsten anderer Mitgliedstaaten jährlich auf rd. 40 Mio. Euro an EU-Mitteln verzichten. 42 % (rd. 14.500) aller Landwirte, die mehr als 3 ha Ackerland bewirtschaften, wären von den Greeningvorgaben betroffen. Von der gestaffelten Kürzung der Prämienzahlungen oberhalb von 150.000 Euro je Betrieb, wären höchstens 70 Landwirte betroffen, von der Kappungsregelung oberhalb von 300.000 Euro weniger als 10 Unternehmen.

Keine Benachteiligung

Thüringens Agrarminister Jürgen Reinholz (CDU) hält das Greening für einen richtigen Schritt, lehnt aber die Kappung der Direktzahlungen strikt ab: „Niemand darf wegen seiner Betriebsgröße benachteiligt werden.“ ende des Monats findet in Suhl die nächste Agrarministerkonferenz unter dem Vorsitz Thüringens statt. Reinholz will sich für eine gemeinsame Position gegenüber Europa stark machen.

Mehr Geld

Vor dem Hintergrund des Klimawandels, dem Verlust an Biodiversität, notwendigen Schutz der Lebensgrundlagen sowie der Schaffung vitaler ländlicher Räume ist nach Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) ein vollständiges Agrarbudget wichtig. Die angedachten realen Kürzungen lehne er ab. Die grünen Minister haben im September einen 20-Punkte-Plan für die Agrarreform vorgelegt.

Keine Entbürokratisierung

Für Lucia Puttrich, Landwirtschaftsministerin aus Hessen (CDU), hat der Vorschlag das Ziel Entbürokratisierung verfehlt: „Die Beantragungen und Auszahlungen in der 1. Säule stellen nach 2013 eine zusätzliche Herausforderung für Landwirte und Verwaltung dar, die sich nur mit hohem Mehraufwand in den Betrieben und Verwaltungen bewältigen lassen wird.“ Nach Puttrich kämen in Hessen viele Nebenerwerbslandwirte mit der Fünf-Prozent-Umsatzregel in Konflikt.

Gebietskulisse erhalten

Helmut Brunner, bayerischer Agrarminister (CSU), kann sich die sieben Prozent ökologische Vorrangfläche für das klein strukturierte Bayern nicht vorstellen und stehe im Widerspruch zum steigenden Bedarf an Lebensmitteln. Als völlig inakzeptabel bezeichnete Brunner die Vorschläge zur Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete. Die von Brüssel geplanten Kriterien würden zu starken Verwerfungen und Ungerechtigkeiten für die Bauern führen, so der Minister. Er kündigte an, weiter für den Erhalt der bisherigen Gebietskulisse zu kämpfen. Schließlich sei die Ausgleichszulage in den benachteiligten Gebieten ein unverzichtbares Instrument zur Sicherstellung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung.

Politik kein Unternehmensberater

Jörg Vogelsänger, Landwirtschaftsminister aus Brandenburg (SPD), nimmt in seiner Bewertung die Kappung ins Visier. Die Ausgestaltung der GAP nimmt Einfluss auf die Agrarstruktur. Die Brandenburger Betriebe haben bislang von der europäischen Agrarpolitik profitiert. Zu diesen seit 1990 geltenden Rahmenbedingungen gehöre aber auch „der Konsens, dass sich die Politik nicht zum Unternehmensberater aufschwingt und den Landwirten vorschreibt, in welcher Rechtsform und in welcher Struktur sie wirtschaften müssen.“

Fehlende Eiweißstrategie

Ulrike Höfken, grüne Landwirtschaftsministerin aus Rheinland-Pfalz, vermisst in der Reform eine Eiweißstrategie Europas. Deutschland solle sich dafür einsetzen, dass der Anbau heimischer Futterpflanzen als Greening-Maßnahme aufgelistet wird. Höfken betonte auch die Bedeutung des ländlichen Raums. Europaweit solle der nicht nur in Deutschland, sondern auch in Griechenland, Spanien und Portugal stärker gefördert werden, um die Finanzkrise zu überwinden. Damit würden Wirtschaft und Arbeitsplätze erhalten, so Höfken.

Überwiegend gute Vorschläge

Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linken findet in den Brüsseler Vorschlägen viele eigene Forderungen wieder: „Die Einbeziehung des Faktors Arbeit, das Greening und die Definition der aktiven Landwirte sind richtungsweisend.“ Der Faktor Arbeit unterstreiche die Bedeutung der Landwirtschaft als Arbeitgeber. Allerdings lehnen Tackmann die Kappung generell ab. Nach dem Prinzip „öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen“ müsse jeder Hektar gleich behandelt werden.

Richtige Ideen, falsche Wege

Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht die Grundausrichtung der Vorschläge als richtig an, aber die konkreten Vorschläge gehen den falschen Weg, erklärte DBV-Präsident Gerd Sonnleitner. Der Begriff „Greening“ wecke bei den Verbrauchern falsche Vorstellungen. Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 hat die Agrarwirtschaft durch eine gute Nutzung ihrer Produktionspotenziale zum Aufschwung beigetragen: „Das ist grünes Wachstum“, so der DBV. Greening im Sinne einer Extensivierung sei erzwungener Stillstand der Produktion. Die sieben Prozent vorrangfläche bezeichnet der DBV als Stillegungsfläche. Sie würde in Deutschland rund 600.000 Hektar umfassen und die „Teller-Tank-Diskussion“ verschärfen.
Den aktiven Landwirt über Umsatzzahlen zu definieren hält der DBV für zu bürokratisch. Ein Ende der Zuckerquote hält der DBV für falsch. Die Wein- und Zuckermarktregeln sollen bis 2020 fortgeschrieben werden. Der DBV warnt davor, zu früh ins Detail zu gehen. Was umgesetzt werden kann, hänge vor allem vom zur Verfügung stehenden Budget ab – und das ist nicht festgelegt.

Sieben besser als nichts

Zehn Prozent ökologische Vorrangfläche hat der BUND aus Mecklenburg-Vorpommern gefordert. Immerhin sieben sind es geworden. Ein „echter Gewinn für mehr Biodiversität“ erklärte Dr. Burkhard Roloff. Als weiteren Vorteil der Vorschläge sieht Roloff den erhalt des Dauergrünlandes und die Kopplung der Basisprämie an ökologische Vorgaben an. Alles zusammen leite den Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft ein.

Gelder bleiben in der Landwirtschaft

Dass nur derjenige in den Genuss kommt, Gelder von der EU zu erhalten, der mindestens fünf Prozent seines Einkommens aus der Landwirtschaft bezieht begrüßt der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Dadurch werden Golfplatzbetreiber und andere Großverdiener aus anderen Sektoren von den Agrarzahlungen fern gehalten und das Geld bei den Bauern gelassen.
Allerdings überlasse Ciolos die Rahmenbedingungen für die nationalen Märkte den „Global Playern der Ernährungsindustrie“, kritisierte BDM-Präsident Romuald Schaber. Eine soziale und umweltgerechte Landwirtschaft stehe dabei nicht im Mittelpunkt. Das Greening sei dann nur „Kosmetik“.
Kritisch sei auch der Freibetrag, den die Großbetriebe für die Kappung erhalten können. Nicht die Lohnsumme sei entscheidend, sondern der konkrete Bezug zum Arbeitsaufwand, so Schaber. „Der kalkulatorische Arbeitsaufwand ist seit kurzer Zeit Grundlage der Berechnung der Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung.“ Diese Rechnung sollte auch bei den Freibeträgen hinzugezogen werden.

Zu wenig Markt

Deutliche Kritik äußerte Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes. Kappung und Ökologisierung der Landwirtschaft seien „vorrangig auf vordergründige, mediale Diskussionen innerhalb der EU“ zurückzuführen. Stattdessen vermisst Nüssel klare Signale für mehr Markt, um die Ernährungsfrage zu lösen. Es könne auch nicht sein, dass Vermarktungsunternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz von jeglicher Förderung ausgeschlossen werden sollen.

Kein Systemwechsel

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sieht in den Vorschlägen keinen Systemwechsel, der aber notwendig sei. „Mit ihren Vorschlägen tritt die Kommission weitgehend auf der Stelle, ein Systemwechsel hin zu einer umweltfreundlichen und bäuerlichen Landwirtschaft in Europa ist so nicht zu bewirken“, erklärte Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des BÖLW. Die von Ciolos festgelegten Kriterien reichen aber nicht aus, die gewünschten Ziele zu erreichen. Eine „beherztere Bindung der Zahlungen an gesellschaftliche Leistungen“ wären besser gewesen. Alleine die Vorgabe, dass eine Frucht auf bis zu 70 Prozent der Felder stehen dürfe, sei „völlig ungeeignet, den schädlichen Trend der Ausbreitung von Monokulturen“ zu bremsen. Auch der Stichtag 01. Januar 2014 für ein Umbruchverbot von Grünland sei viel zu spät.

VLE

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