Reaktionen zum GAP-Kompromiss
Landwirtschaft
GAP-Kompromiss bringt überwiegend nur Gewinner hervor
Am späten Montagabend haben sich die Länder auf einen Kompromiss zur nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik geeinigt [1]. Die Reaktionen zeigen, dass (fast) jeder mit dem Kompromiss umgehen kann.
Einstiegsszenarium
Für Jan Plagge, Präsident vom Anbauverband Bioland, ist der Kompromiss ein „Einstieg für eine ökologische und gerechtere Verteilung der Agrargelder“. Der mögliche Ausgleich über die GAK komme dem ländlichen Raum zugute. Auch Felix Prinz zu Löwenstein vom Vorstand des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft spricht von einem „Einstieg in den Systemwechsel in der Landwirtschaft“. Die umgeschichteten Mittel sollen vor allem der ökologischen Landwirtschaft zugute kommen. Das wünschten sich auch die Verbraucher, ergänzt Hans Hohenester, Ökobauer und Vorsitzender von Naturland. Ob der Einstieg gelinge, liege an den Bundesländern: Die „haben es nun selbst in der Hand, ihre Programme im Bereich der ländlichen Entwicklung so zu gestalten, dass das gesellschaftlich gewünschte Mehr an Ökologie und Tierschutz auch wirklich erreicht wird.“ Auch die konkrete Ausgestaltung des Greenings zeige, ob es in diese Richtung weiter gehe, oder die Entwicklung stehen bleibe.
Verbesserungen
Martin Häusling, für „Die Grünen“ im Europaparlament,
zeigt sich eher unzufrieden, da die Kappung vom Tisch ist und die Einschnitte
in das Agrarbudget zu hoch sind. Insgesamt sei der Kompromiss aber eine entscheidende
Verbesserung der bisherigen Vorschläge. Vor allem die Umschichtung von 4,5
Prozent der Mittel in die zweite Säule könne kofinanzierungsfrei für eine
nachhaltige Landwirtschaft eingesetzt werden.
„Die Mittel verbleiben im jeweiligen Bundesland und
sollen zweckgebunden für eine nachhaltige Landwirtschaft eingesetzt werden“,
ergänzt Frank Kupfer (CDU), Landwirtschaftsminister in Sachsen. Bis Ende 2019
sinkt die Prämie für Sachsens Bauern von heute 359 auf 269 Euro je Hektar.
Weil die extremen Positionen weg gefallen sind, sei ein
Kompromiss, aber kein „großer Wurf“ herausgekommen, beklagt der Bundesverband
Deutscher Milchviehhalter (BDM). Die Umschichtung der Mittel bedeute mehr
Gestaltungsraum: „Allerdings müssen wir sehr genau darauf achten, dass das Geld
auch tatsächlich bei den Landwirten ankommt und dass die entsprechenden
Förderprogramme auch im Sinne der konventionellen Landwirte praxistauglich
ausgestaltet werden“, erklärte BDM-Vorsitzender Romuald Schaber. Selbst in
guten Jahren machen die Fördergelder die Hälfte des Einkommens der Milchbauern
aus. Daher müsste eine „Gemeinsame Marktordnung“ für die Erzielung der Gewinne
über den Markt ausgestaltet werden.
Johannes Remmel, grüner Landwirtschaftsminister in
Nordrhein-Westfalen sieht Verbesserunen auf ökonomischer Seite. NRW habe zehn
Jahre lang durch einen unfairen Verteilungsschlüssel eine Benachteiligung
hinnehmen müssen. Erste Berechnungen zeigten, dass die Gelder für die ländliche
Entwicklung von 52 auf 93 Millionen Euro aufgestockt werden. „Der ländliche
Raum ist für ein Industrieland wie Nordrhein-Westfalen immens wichtig“, betonte
Remmel.
Jörg Vogelsänger, Landwirtschaftsminister in
Brandenburg (SPD), zeigte sich zufrieden mit der Aufstockung des GAK-Budgets.
Brandenburg ist ab dem 01. Januar kein Ziel-1-Fördergebiet mehr und daher auf
einem zusätzlichen Ausgleich angewiesen.
Verbesserungen aus anderer Richtung sieht Franz-Josef
Holzenkamp, agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. „Ein gutes Ergebnis
für die Landwirtschaft ist, dass die grünen Agrarminister mit ihrem Versuch
gescheitert sind, landwirtschaftliches Einkommen in erheblich größerem Umfang
in die Haushalte der Bundesländer umzuleiten.“
Bäuerliche Reform
Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium,
Peter Bleser (CDU), sieht in dem Ergebnis vor allem eine Zusatzförderung der
kleinen und mittleren Betriebe“. Damit stehe einem Plus an Umwelt und
Nachhaltigkeit nichts mehr im Wege. Bleser warnte die Länder, wegen der
zusätzlichen Gelder nicht an anderer Stelle Kürzungen vorzunehmen.
Daher fordert die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau
Berlin-Brandenburg (FÖL) Potsdam auf, ein deutliches Signal für eine Agrarwende
in Brandenburg auszusenden. Die Zweckbindung der umgeschichteten Gelder könnte
den kleinen Betrieben zwischen den oft 1.000 Hektar großen Gesellschaften wirklich
helfen. Dazu brauche das finanzschwache Bundesland keine zusätzlichen Mittel in
die Hand zu nehmen. Am ehesten sollte die Erhöhung der Beibehaltungsprämie
umgesetzt werden. Auch bei der Umstellungsprämie liege das Land am unteren
Förderende, obwohl der Markt bundesweit zweistellig wachse.
Planungssicherheit
Bauernpräsident Joachim Rukwied beklagt zwar die Einschnitte in Höhe von bis zu 20 Prozent, die Landwirte hinnehmen müssen, zeigt sich aber über den Kompromiss erleichtert. Die Bauern haben nun Klarheit und Planungssicherheit, wie die Direktzahlungen bis 2020 ausgestaltet sind. Es fehle jetzt nur noch die „praxistaugliche Ausgestaltung des Greenings“.
Mehr als zufrieden
Robert Habeck aus Schleswig-Holstein (Bündnis 90/Die Grünen)
zeigte sich bereits am Montag mehr als zufrieden. Dr. Till Backhaus aus dem Nachbarland
Mecklenburg-Vorpommern (SPD) am Dienstag ebenfalls. In der ersten Säule sind
keine neuen gekoppelten Zahlungen eingeführt worden. Die Umschichtung hätte höher
sein können. Backhaus will die Gelder für eine „ziel- und leistungsorientierte
Politik“ einsetzen. Für MV stehen 108 Millionen Euro mehr auf dem Programm, die
in Weidehaltung, Klima- und Umweltprogramme fließen sollen.
Lucia Puttrich (CDU), Landwirtschaftsministerin in
Hessen, zeigte sich ebenfalls zufrieden. Durch die Verteilung der Mittel und
Förderung der kleinen Betriebe wird die Landwirtschaft in Hessen besonders
gefördert. Die hessischen Bauern dürfen sich auf steigende Hektarzahlungen bis
2019 freuen. In Hessen sind rund 4.500 Kleinbetriebe über eine
Pauschalförderung in Höhe von 1.250 Euro von zusätzlichen Umweltauflagen und
Kontrollen befreit. „Das ist ein Beitrag zum Bürokratieabbau.“
Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen), Landwirtschaftsminister
in Niedersachsen, ist sogar „hoch erfreut“: „Für die gesamte Förderperiode von 2014 bis 2020 erhält Niedersachsen aus
dem ELER-Topf mehr als 1,1 Milliarden Euro“, machte Meyer klar. Das sei ein riesiger Erfolg im
Vergleich zu den ursprünglichen Bestrebungen des Bundes: „Das Bundesmodell hätte für Niedersachsen eine
Kürzung um 86 Millionen Euro auf dann 889 Millionen Euro bedeutet“, so Meyer. „Stattdessen erhalten wir nun rund 230 Millionen
Euro mehr. Das ist klasse für unsere Landwirte und den ländlichen Raum.“
Meyer habe auch durchsetzen können, dass die Angleichung der Prämien später und
sanfter vorgenommen werden. Damit hätten seine Kollegen „parteiübergreifend auf die besondere Rolle
Niedersachsens als Agrarland Nummer 1 in Deutschland Rücksicht genommen“.
Aber auch „herb enttäuscht“
„Herb enttäuscht“ von den Beschlüssen zeigte sich der
BUND. Die stärkere Ausrichtung auf eine ökologische Landwirtschaft wurde nicht
genutzt. Dazu hätten mehr Gelder umgeschichtet werden müssen. Der Koalitionsvertrag
der neuen Bundesregierung könnte hier nachbessern: 30 Prozent der
Direktzahlungen für kleine Betriebe und 15 Prozent aus der zweiten Säule für
den Ökolandbau“, forderte Prof. Dr. Hubert Weiger. BUND-Agrarreferentin
Reinhild Benning kritisiert das Aus für die Kappung: „So könne die
Konzentration von Land und Geld in den Händen weniger Großempfänger“ nicht
aufgehalten werden und schade Tier- und Umweltschutz.
Auch der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) reagierte
überwiegend unzufrieden: Die Umverteilung der Direktzahlungen führe zu Lasten
einzelner Betriebsformen. Besonders die Agrargenossenschaften im Osten seien
davon betroffen. „Sie müssen nach dieser Entscheidung schmerzliche Kürzungen
der Direktzahlungen hinnehmen.“
Lesestoff:
Roland Krieg, VLE