Rechtfertigung ist keine Öffentlichkeitsarbeit

Landwirtschaft

Agrarverbände müssen mehr Sympathiewerbung vetreiben

Eine zusätzliche Steuer auf Pflanzenschutzmittel verteuern die Produkte. Teure Produkte werden ersetzt. Also werden weniger Pflanzenschutzmittel auf die Felder verbracht. Verbrauchern, die eine ablehnende Haltung zum chemischen Pflanzenschutz einnehmen, kam vor zwei Jahren die Besteuerungsstudie des Umweltforschungszentrums Halle im Auftrag des grünen Agrarministers Robert Habeck in Schleswig-Holstein gerade recht. Nebden dem „Ja“ zur Studie hat sich alsbald eine differenzierte Meinung gebildet [1]. Der Industrieverband Agrar (IVA) hat die Studie als „sehr fordernd“ empfunden, wie Präsident Dr. Helmut Schramm gegenüber Herd-und-Hof.de sagte.

Zur Grünen Woche hat der Verband mit einer Studie geantwortet, die als Dialog mit dem UFZ verstanden werden soll. Prof. Oliver Mußhoff will sein Werk ausdrücklich nicht als Gegenstudie verstanden wissen, betonte er. Seine Studie im Auftrag des IVA wollte den Leser der UFZ-Studie nicht mit ihren Nachlässigkeiten alleine lassen. Hätten die Betroffenen einmal Prof. Dr. Andreas Hensel gelauscht, hätten sie sich das Geld für die Studie möglicherweise gespart. Der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung plädiert ausdrücklich dafür, fachliche Gegenäußerungen außerhalb der Öffentlichkeit zu betreiben. Denn das führe zu nichts. Laien- und Fachpresse sind gleichermaßen überfordert, im Spiel von Gutachten und Gegengutachten ab der dritten Replik noch den eigentlichen Sinn zu entdecken. Das BfR hat das Thema mit dem Wirkstoff Glyphosat gerade erst hinter sich. Und dennoch hat das aktuelle Europaparlament mit nur wenigen Agrarfachleuten im Plenum dem Wirkstoff sieben weitere Jahre Nutzung gewährt. „Das gute Argument zählt“, wie der agrarpolitische Sprecher der europäischen Christdemokraten Albert Dess auf dem Milchforum des Bauernverbandes aufführte.

Die Studie des IVA verharrt durch die Aufzählung von Misständen in der UFZ-Studie in der Rechtfertigungsecke und erzählt ihre Geschichte aus der Defensive heraus.

Die Fleischbranche hat das mittlerweile erkannt und geht einen radikal anderen Weg, wie das Fleischforum auf der Grünen Woche aufzeigte. Veganer und Vegetarier setzen Deustchlands wertvollste Agrarbranche mit dem „Töten von Tieren“ unter Druck. Ein Nachgeben würde die Einstellung der Fleischproduktion bedeuten. Harm Böckmann bezeichnet sich als „Wurstnerd“ und steht mit seinem Team im Direktverkauf von Fleisch und Wurst. Der „Super Meat Boy“ bringt alleine durch sein Naturell den Spass an tierischem Protein wieder auf den Teller. Er setzt sich mit seinen Partnern sogar intensiv mit den sozialen Medien auseinander und stellt Kritiker mit Schwung und Augenzwinkern seine Gegenposition gegenüber. Ohne „gewinnen“ zu wollen.   

Dazu braucht es nicht nur viel Selbstbewiusstsein und Zeit. Aber landauf und landab öffnen Tausende von Landwirten ihre Hoftore und zeigen den Konsumenten, wie sie produzieren [2]. Sie stellen sich den gesellschaftlichen Wünschen und versuchen das Idyll „bäuerliche Landwirtschaft“ zu entmythologisieren. Denn die Landwirtschaft befindet sich in einem natürlichen Prozess der Transformation mit zunehmender Technologie und Produktivität. Selbst die „kleinen Betriebe“ verändern sich, hin zu „biologischen Manufakturen“, wie Prof. Dr. Alfons Balmann es nannte. Der Ökonom ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik. Der Anteil an Fremdarbeitskräften steigt, ein Arbeitsplatz in der Landwirtschaft kostet heute rund eine halbe Million Euro. Zudem entsteht ein Rechtfertigungsdruck, weil Landwirte über die erste Säule Direktzahlungen erhalten und Privilegien im Bau-, Erb- und Umweltrecht besitzen.

Sich aber nur zu rechtfertigen und zu verteidigen sei gegenüber der Öffentlichkeit wenig zielführend. Die Landwirtschaft kann Image hinzugewinnen, wenn sie freiwillige Leistungen herausstellt. Je freiwilliger besondere Werte im Allgemeinen umgesetzt werden, desto anerkannter sind die Tätigkeiten durch die Gesellschaft. Balmann kritisiert, dass die Landwirtschaft zu sehr auf Gesetze wartet, bevor sie etwas ändert und endlich aus ihrer Opferrolle heraus muss.

In der Fleischbranche hat Vion das verstanden und zeigt auf ihrer neuen Webseite sogar den Schlachtprozess [3]. Mitbewerber Clemens Tönnies sieht Defizite der Medienarbeit mehr bei den Verbänden, denn bei Erzeugern und Verarbeitern. Er plädierte im Fachforum für eine selbstbewusste „Gegenbewegung“, um die Deutungshoheit über die Landwirtschaft wieder zurück zu gewinnen.

Nicht, dass der IVA keine publikumswirksamen Ideen hätte. Das Projekt „Schau ins Feld“ wurde bislang jährlich wiederholt [4]. Doch statt einer „Bashing-Studie“ wäre mehr Fokus auf die eigenen Leistungen des modernen Pflanzenschutzes wünschenswert. Auch Dr. Schramm weiß: Pflanzenschutz alleine und ausschließlich reicht nicht aus. „Es gibt vereinzelt zu wenige Fruchtfolgen, es gibt eine Resistenzproblematik und vor allem müssen wir die Problematik Ackerfuchsschwanz und Windhalm angehen.“ Das schließt Erkenntnisse aus einer nicht aus: Landwirte reagieren beim Kauf von Pflanzenschutzmitel preisunelastisch. In Dänemark ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nach Einführung der Steuer nicht zurückgegangen. Oder: Einem möglichen Nutzen könnten die Kosten durch stärkere Verunkrautung gegenübergestellt werden.

Lesestoff:

[1] PSM-Steuer nur schwarz-weiß bewertet: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/psm-steuer-nur-schwarz-weiss-bewertet.html

[2] Offene Ställe gibt es landauf und landab: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/konsumenten-koennten-es-besser-wissen.html

[3] Transparenz-Initiative von Vion erntet viel Lob: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/vion-zeigt-wie-geschlachtet-wird.html

[4] „Schau ins Feld“ auch 2016: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/schau-ins-feld-auch-2016.html

Roland Krieg

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