Reden wir mal über … Wasser

Landwirtschaft

Auftakt zum nationalen Wasserdialog

Wasserdialog

Das kleine Wassermolekül ist schon ein bisschen verrückt. Als einziges dehnt es sich aus, wenn es friert und wird kleiner bei Erwärmung. Andererseits ist genau das die Kraft, die Felsen sprengt. Landwirte nutzen das mit der Herbstfurche aus. Der Frost im Winter sprengt die Erdschollen, so dass die Bauern zum Frühjahr ein lockers Saatbett bereiten können.

Doch Wasser ist mehr: Katalysator, Lösungsmittel, Transportmedium und natürlich das „Lebensmittel Nummer eins“. Ohne Wasser ist nach menschlichem Ermessen kein Leben vorstellbar. „Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.“ So steht es in dem Diskussionspapier des Umweltbundesamtes.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze

Auftakt zum Dialog

„Jedem sollte klar sei, dass wir die Ressource Wasser schützen müssen“, sagte am Dienstag Bundesumweltministerin Svenja Schulze zum Auftakt des 1. Nationalen Wasserforums. Ein Dialogprozess soll die zahlreichen Nutzungskonflikte ansprechen und das Thema Wasser vor allem in die Köpfe der Bundesbürger bringen. „Der Sommer 2018 hat gezeigt, dass auch das wasserreiche Deutschland vom Regen abhängt“, führte Schulze an.

Das Wasserforum ist in den nationalen Wasserdialog eingebunden. Den haben das Ministerium und das Bundesumweltamt zum Auftakt der UN-Wasserdekade begonnen. Die Vereinten Nationen wollen zwischen März 2018 und März 2028 eine nachhaltige Entwicklung durch die integrierte Bewirtschaftung der Ressource Wasser erreichen, bestehende Programme umsetzen und vorantreiben sowie die mit Wasser verbundenen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 erfüllen. Dazu müssen die Akteure ihre Erfahrungen miteinander teilen, die Wissenschaft muss Wissenslücken füllen und die Bevölkerung über Kommunikationsmaßnahmen eingebunden werden.

Der Klimawandel, die demografische Entwicklung, veränderte Landnutzung und neue Technologien fordern speziell die Wasserwirtschaft heraus. Beim Workshop des Wasserforums waren aber weit mehr Akteure eingebunden, als die „üblichen Verdächtigen“ der Branche. So nahmen auch ein Vertreter des Deutschen Bauernverbandes und einige Vertreter aus Landesagrarministerien teil.

Im Vorfeld und mit Hilfe einer Online-Befragung haben sich fünf Cluster wie Infrastruktur oder Landwirtschaft herausgebildet. Möglicherweise führt der Dialog zu einer Neuverteilung oder Änderung der Unterpunkte. Auch wenn der Wasserdialog „national“ besetzt wird, geht es am Ende auch um globale Themen. Nutzungskonfliklte in Wassereinzugsbereiche stehen heute bereits auf der Tagesordnung, erklärte Schulze. Der zweijährige Dialogprozess soll Handlungsziele für die Agenda 2030 hervorbringen. Die Sozialdemokratin will noch in dieser Legislaturperiode eine Zukuntsstrategie Wassernutzung vorlegen. Dabei steht der Schutz der wertvollen Ressource im Fokus, die Sicherung des Wassers für die heutige und die künftigen Generationen, sowie die Entwicklung einer naturverträglichen Wirtschaftsweise.

Beispiel Infrastruktur

In Deutschland gibt es rund eine Million Kilometer Abwasserkanäle und 500.000 Kilometer Trinkwasserrohre. Die Kanalnetze sind eigentlich ab 30 Jahre sanierungsbedürftig. Nach Schätzung der Wasserwirtschaft jedoch sind sieben Prozent bereits älter als 100 Jahre. Grenzwertüberschreitungen von Rückständen sind im Trinkwasser selten. Im Rohwasser hingegen gewinnt die Rohstofffracht an Bedeutung. Rund zehn Milliarden Kubikmeter Wasser werden in großen Kläranlagen pro Jahr gereinigt. Die dreistufige Abwasserbehandlung ist für die Reduzierung von Nährstoffen optimiert – doch schwer abbaubare Schadstoffe und ständig neu hinzukommende Medikamente können kaum noch eliminiert werden.

Die Zunahme von Extremniederschlägen überlastet die Kanalnetze und es kommt immer häufiger zu Mischwasserüberläufen mit negativen Folgen. Die Wasserrückhaltung und Versickerung auf Flächen müssen erhöht werden. Beruhigend: „Die Trinkwasserversorgung in Deutschland ist großräumig und dauerhaft nicht durch den Klimawandel und Dürren beeinträchtigt.“

Erlernte Sorglosigkeit

Das Thema Wasser ist bei den meisten Menschen keines. Viele kennen auch die Wasserpreise nicht. „Erst wenn wir kein Wasser mehr haben, wissen wir, wie gut wir es hatten“, warnte Karsten Specht, stellvertretender Vorsitzender des Verbands kommunaler Unternehmen. Das ist durchaus auf den Erfolg der Wasserwirtschaft zurückzuführen. „Wir haben es viel zugut gemacht.“ Verbraucher kennen oft die Folgekosten wie dem Aufbau der Reinigungsstufe vier in den Klärwerken nicht. Undine Kurth vom Deutschen Naturschutzring will den Dialog als Appell an die Bevölkerung verstehen, das Wasserthema kennen zu lernen. „Die Zeit ist überreif“, ergänzt Martin Grambow. Der Wasserexperte aus dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit sieht im föderalen System auch kein Problem. „Es funktioniert ja viel“ und jedes Land kann seine individuelle Technologie einsetzen. Das wird zwar auch kritisch gesehen, doch die Föderalismusreform 2006 hat die Gesetzgebungskompetenz beim Bund belassen. Die Länder dürfen Vorschriften erlassen, aber nur solange der Bund es zulässt. Bei stoff- und anlagenbezogenen Regelungen ist das allerdings nicht möglich.

Regeln und Kontrollen gibt es offenbar genug. Vielfach wurde zum Auftakt ein Vollzugsdefizit registriert. Svenja Schulze will im Bereich „Governance“ prüfen, ob die Verwaltung für die kommenden Herausforderungen ausreichend ausgestattet sind. Dazu gehört auch die umstrittene Wasserrahmenrichtlinie der EU. Schulze hält sie für wichtig, will sie erhalten und umsetzen. „Wir sind aber zu langsam.“ Nach 2030 könnte sie sogar noch weiterentwickelt werden. Nach Karsten Specht war die Düngeverordnung wichtig und eigentlich 20 Jahre zu spät. Die Wasserwirtschaft will kein Reparaturbetrieb sein. Um Verschmutzung zu vermeiden müssen alle Wirtschaftssektoren in die Vorbeugung einbezogen werden.

Landwirtschaft

„In welcher Wasserwelt wollen wir leben?“, fragte Martin Grambow. Die Antwort komme aus einem gesellschaftlichern Prozess. Die Landwirtschaft gehört dazu. Es geht dabei nicht nur um Nährstoffeinträge. Wie in der Humanmedizin rücken auch Rückstände aus der Tiermedizin in den Fokus der Öffentlichkeit. Die Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist dabei nur ein Aspekt. Der politische Schlüssel liegt in der Gemeinsamen Agrarpolitik, sagt Undine Kurth. Der Gewässerschutz sollte in der aktuellen Diskussion um die neue Förderperiode berücksichtigt werden. Im Diskussionpapier steht aber auch ein weiterer wichtiger Satz, der die Landwirtschaft nicht nur als Verursacher sieht: „Was muss in Deutschland passieren, damit die Landwirtschaft stärker als Teil des Umwelt- und Gewässerschutzes wahrgenommen wird?“

Wie geht es weiter?

Diese Woche wurde mit dem Workshop die Auftaktphase des nationalen Wasserdialogs abgeschlossen. Bis zum Dezember 2019 finden fünf themenspezifische Wasserdialoge statt. Die Handlungsempfehlungen werden im Herbst 2020 auf dem 2. Nationalen Wasserforum vorgestellt.

Lesestoff:

https://www.bmu.de/wasserdialog/

Roland Krieg; Fotos: roRo

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