Reform 2005

Landwirtschaft

Der schwierige Weg zum Markt

> Vielen Menschen ist die Agrarpolitik kaum noch verständlich. Bürokraten haben aus dem ursprünglichen Säen und Ernten der Bauern eine Szenerie geschaffen, die Geld kostet, unverständliche Regeln produziert und nur einem Bruchteil der Bevölkerung dient.
Am 25. März 1957 gründeten Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande und Luxemburg die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG). Ziel der so genannten Römischen Verträge war die Sicherstellung der Energie und der Nahrungsmittelversorgung – etwas, dessen sich kaum noch einer heute sorgt. Allerdings hat der technische Fortschritt und die Förderungspolitik schnell dazu geführt, dass bald mehr produziert als verbraucht wurde. Gerade für die 1960er Jahren gilt die „Stickstoffpeitsche“, günstiger Mineraldünger, als Ertragsbringer. Seit dem wurde der Markt und der Preis amtlich geregelt – und unbezahlbar. 1992 wurde die gemeinsame Agrarpolitik hinsichtlich der Budgetkonsolidierung reformiert, mit der Agenda 2000 der landwirtschaftliche Betrieb für den Wettbewerb fit gemacht und die ländliche Entwicklung in den Vordergrund gestellt, während die „Reform der Reform“ mit den Luxemburger Beschlüssen 2003 Verbraucherrechte, Erhaltung der Nachhaltigkeit der Produktion und Marktorientierung verfolgt wird.

Reformierte Reform
Das die Agenda 2000 als Reform der Agrarpolitik korrigiert werden muss, ergab sich aus den Befürchtungen, dass die mittlerweile durchgeführte EU-Erweiterung finanziell nicht tragbar sein könnte, die bisherigen Schritte der Globalisierung nicht weit genug für den internationalen Rahmen sind und das wegen BSE auch der Verbraucherschutz verstärkt aufgenommen werden muss.
Internationaler Rahmen: Interne Agrarstützungen, die eine marktverzerrende Wirkung haben, werden durch die Welthandlesorganisation WTO nicht mehr geduldet. In die so genannte „green box“ kommen nur noch die Unterstützungen die keine handelsverzerrende Wirkung haben, was bereits mit der Mac Sherry – Reform der EU 1992 beabsichtigt gewesen ist. Nach außen werden die Exportunterstützungen langfristig auch keinen Bestand mehr haben können. Das die EU bereit ist, diese Markteingriffe abzubauen, liegt an der Perspektive „Nichthandelsaspekte“ in der WTO zu verankern. Dann könnten europäische Leitbilder des Tierschutzes, der Umwelt und auch Sozialstandards von anderen Ländern eingefordert werden können.
Zahlungen an die Bauern: Dieses Thema ist bei den meisten Verbrauchern kaum noch nachvollziehbar. Auf der einen Seite werden Subventionen gekürzt und auf der anderen Seite wieder als Ausgleichszahlung weitergeleitet. Die Entkoppelung der Zahlungen von der Produktion und die Entlohnung für nicht marktgängige Leistungen prägen das Bild der Landwirtschaft der Zukunft.
Hier greifen vor allem Landschaftspflegemaßnahmen, wie Setzen und Erhalten von Hecken, je nach Region auch Sölle oder Knicks genannt, Streuobstwiesen und Kleinwälder. Das Land gewinnt damit neben der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion vor allem für den erholungssuchenden Städter eine andere Bedeutung.
Entlastung der Märkte: Butterberge und Milchseen waren in den 1980er Jahren die Schreckensbilder der europäischen Agrarpolitik und Zeichen eines Politikversagens. Die Landwirtschaft erzielt durch einen normalen technischen Fortschritt eine jährliche Produktionssteigerung von bis zu zwei Prozent. Immer weniger Fläche wird für die Erzeugung gebraucht. Die Entlohung für die Landschaftspflege und die Entkoppelung der Gelder von der Produktion gibt den Bauern erstmals die Chance nur noch das zu produzieren was der Markt auch absetzen kann. Gerade Biomasse als regenerative Energie erhält eine Chance in die Produktion aufgenommen zu werden, wenn sie nicht mehr gegen starke Marktfrüchte wie Getreide oder Zuckerrüben konkurrieren muss. Die Bauern gewinnen an unternehmerischer Entscheidungsfreiheit und produzieren nicht mehr nur das, was die höchsten Prämien sichert.
Cross Compliance: Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Bindung der neuen Direktzahlungen an 19 europäische Rechtsvorschriften, die Grundanforderungen an die Betriebsführung in den Bereichen Umwelt, Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz. Beispielsweise muss die Hälfte der Ackerfläche in der Zeit vom 1. November bis 15. Februar entweder mit Pflanzen bewachsen sein, oder die auf der Oberfläche verbleibenden Pflanzen- und Erntereste dürfen nicht untergepflügt werden, um Erosion zu vermeiden. Außerdem ist die Beseitigung von Terrassen verboten, die auf hängigen landwirtschaftlich genutzten Flächen den Zweck erfüllen, Erosionen effektiv zu vermeiden.
Zum Erhalt der organischen Substanz im Boden und der Bodenstruktur muss eine dreigliedrige Fruchtfolge eingehalten werden. Alternativ kann durch eine Humusbilanz oder durch Bodenuntersuchungen nachgewiesen werden, dass der Humusgehalt der Ackerflächen nicht abnimmt.

Chancen nutzen
Die Länder sehen die Reform durchaus positiv. Brandenburgs Agrarminister Dr. Dietmar Woidke sieht in der Reform einen weiteren Abbau der Überschussproduktion und damit stabilere Preise für die Bauern. Sein Kollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Till Backhaus, betont: „Auf Grund der Agrarreform wird für die Landwirte neben der Lebensmittelproduktion oder Produktion von landwirtschaftlichen Energie- und Rohstoffen auch seine Rolle als Landschaftspfleger im rein pflegerischen Sinne gestärkt werden.“ Vor allem die vorgesehene Gleichstellung des Grünlandes mit dem Ackerbau führt zu einer ökologischen Aufwertung der Wiesen und Weiden. Alexander Müller, Staatsekretär des Verbraucherministeriums sieht in der Beweidung durch Schafe und Ziegen die Sicherung eines attraktiven Landschaftsbildes. Darauf basiert ein erhebliches touristisches Potenzial der ländlichen Räume.
In den Genuss der vollen Direktzahlungen kommen nur die Bauern, welche die Rechtsvorschrfiten auch einhalten. Daher ist es notwendig, so Niedersachsens Landwirtschaftsminster Hans-Heinrich Ehlen, die betrieblichen Abläufe zu dokumentieren und auszuwerten. „Das ist für die Betriebe ein gewaltiger Aufwand, der nicht nur mit viel Dokumentation verbunden ist, sondern auch hochspezialisiertes Fachwissen ... erfordert“, so der Minister. Die Behörden werden die Einhaltung der Vorschriften kontrollieren.

VLE

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