Regenhochwasser

Landwirtschaft

Konnte vor dieser Flut geschützt werden?

Am Montag gab es Entwarnung an der Steinbachtalsperre nahe Euskirchen. Der Damm hat sich nach Ablassen von ausreichend Wasser stabilisiert. Ansonsten sind seit Mitte der vergangenen Woche die Bilder südöstlich von Köln und in Rheinland-Pfalz kaum zu ertragen. So viele Tote durch ein Unwetter und seinen Folgen sind in Deutschland schon ewig nicht mehr zu beklagen gewesen. Während die Bilder Nordrhein-Westfalen  langsam einen Überblick gewährten, rief das Technische Hilfswerk Bayern am Sonntag Katastrophenalarm in Berchtesgaden aus. Auch die Niederlande und Belgien meldeten Land unter, Häuser stürzten ein und beklagten Tote. Die Pegel in Passau haben sich unterhalb der Katastrophenmake stabilisiert. Sachsen und auch Österreich meldeten Murenabgänge und Überflutungen. Die Hochwasserlage in der Schweiz hingegen klang bis zum Wochenende ab und spitze sich nur noch Neuenburger See und in Yverdon-les-Bains zu. Der Fluss Bise jedoch treibt das Hochwasser weiter ins Land rein.

Wie vorbereiten?

Die mit ansteigenden Zahl und Starkregenfällen verbundenen Überflutungen haben zu einem Umdenken im Hochwasserschutz geführt. Auch bei vorhandenen Lücken, haben Politik und Wissenschaft Polder an den großen Flussläufen im Griff. Allerdings hat das Beispiel Landshut gezeigt, dass Land und Stadt unterschiedliche Ansätze für Rententionsflächen brauchen [1]. Doch die Katastrophe ereignete sich in Regionen, in denen sich Regenwasser erst sammelt und den größeren Flussläufen zustrebt. Können sich also auch Dörfer besser vorbereiten? Die Antworten von Experten an das Science Media Center sind ernüchternd.

Kaum ein Umbau möglich

Diese Form des Starkregens hat nach Prof. Dr. Boris Lehmann vom Fachgebiet Wasserbau und Hydraulik an der Technischen Universität Darmstadt „binnen kürzester Zeit“ große Wassermengen auf den Boden gebracht. „Solche Niederschläge sind so konzentriert, dass es bei dem vielen Wasser kaum zur Versickerung kommt, wie das bei langandauernden  „normalen“ Regenfällen der Fall ist.“ Zudem sammele sich das Wasser entlang des Reliefs im Gelände und fließt über Gefälle von Straßen und Wege ab. Dabei ist die Regenwasserkanalisation „rasch erschöpft“. Die siedlungswasserwirtschaftlichen und wasserbaulichen Grundsätze reichen bei weitem nicht für solche Niederschlagsmengen aus. Es ist „fachlich, wirtschaftlich und lebenspraktisch auch gar nicht  möglich, alle Elementen unserer Kultirlandschaften und Infrastrukturen wegen solcher Extremereignisse nun pauschal neu zu bemessen, umzubauen und abzusichern.“

Dr. Lehmann schlägt vor, neuralgische Punkte schon vor Eintrag der Regenmengen in ein Gewässer ausfindig zu machen und anhand von Lastfällen, Konzepte zur Wasserführung, -umleitung auf einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen auszurichten. Planer können auf ihrer Kommunikationsplattform die bundesweite Gefahrenkarte mit installierten Hochwasserschutzanlagen einsehen [2]. Die dort verzeichneten Pegel von bis zu vier Meter zwischen Euskirchen und Erfttal waren jedoch nicht ausreichend. Mangels unsicherer Rechtslage können auch nicht alle Infrastrukturmaßnahmen veröffentlicht werden: „Hier ist der Gesetzgeber gefordert, Klarheit zu schaffen“, sagt Lehmann. Mit Hilfe der Versicherer sind Risikoeinschätzungen für jede Liegenschaft zu prüfen. Gebäude sollten Hochwasser angepasst gesichert werden, Öltanks sind zu sichern. Die Schadenssumme bei Gebäuden erhöht sich bei einem Ölschaden um das 1,5 bis dreifache. Allerdings geht Lehmann hier noch von einem Aufschwimmen der Tanks aus. Viele wurden von der Kraft des Wassers aus den Verankerungen gerissen und fortgetragen.

Infrastruktur erneuern

Für Prof. Dr. Christian Kuhlicke, Leiter der Arbeitsgruppe „Umweltrisiken und Extremereignisse“ vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig zeigt das Unwetter, dass die Infrastrukturen auf eine neue Wetter-Dynamik umgestellt werden müssen. „Die vor Dekaden gebaute und alternde Infrastruktur gilt es, in den nächsten fünf bis zehn Jahren umzubauen.“ Die kritischsten Infrastrukturen sind Verkehrsadern, Umspannwerke, Kommunikationsknotenpunkte und Brücken. Der Bau von Rückhaltebecken sollte „wo immer möglich“ umgesetzt werden. Kuhlicke weist aber auch auf die Probleme hin, den Prozess der Umsetzungen „zäh“ machen. Ein klarer gesetzlicher Rahmen mit eindeutigen Regeln müsse festlegen, wer zuständig ist und wer für den Unterhalt zahlt. „Jeder Kubikmeter Wasser, der nicht über die Kanalisation in Flüsse eingeleitet wird, trägt zur Abflachung von Hochwasserwellen bei.“

Versickerung

Prof. Dr. Lamia Messari-Becker von der Universität Siegen und ehemalige Sachverständigenrat für Umweltfragen nimmt den letzten Punkt auf. Es gelte, Wassermassen nicht zu beschleunigen. Neben dem Wasser- und Deichbau gehört auch die Renaturierung der Flusslandschaften dazu. Es müssen auch flächig mehr sickerfähige Oberflächen angelegt werden. Wetterextreme und Naturkatastrophen gehören nach Messari-Becker zur Menschheit dazu, werden aber durch den Klimawandel verstärkt. Voraussagen, wo sie eintreffen sind nicht möglich. „Treffen sie zudem auf begünstigende Verhältnisse wie die Nähe zu Flüssen, Eingriffe in die Natur, Versiegelung oder eine unzureichende Infrastruktur, sind Katastrophen vorprogrammiert.“ Auch dafür heißt es Solidarität als nationale Aufgabe üben. Denn: „Haushaltsschwache Kommunen können plötzlich die teuersten Maßnahmen finanzieren müssen.“

Lesestoff:

[1] Polder stehen wieder im Blickpunkt: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/polder-nach-unwettern-stehen-wieder-im-blickpunkt.html

[2] https://www.wasserblick.net

Roland Krieg

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