Reif für das Ökoschwein?

Landwirtschaft

Lohnt sich das Umstellen auf Bio-Schweine?

Ein Blick auf die Nachrichten reicht: Bio ist im Trend, Verbraucher wollen wissen, was auf dem Teller liegt und ökologische Anbauverbände suchen umstellungswillige Schweinehalter. Doch wie realistisch ist eine Umstellung auf die ökologische Schweinehaltung wirklich? Die Weltleitmesse für den biologischen Landbau, die Biofach in Nürnberg, bot Gelegenheiten, Experten nach ihrer Meinung zu fragen und hinter die Statistik zu schauen.

Qualitatives Marktwachstum

Im letzten Jahr hat der Umsatz der Bio-Branche nur um zwei Prozent zugelegt. 5,9 Milliarden Euro Gesamtumsatz reichen zu einem Marktanteil von drei bis vier Prozent vom gesamten Lebensmittelmarkt. Stärkster Träger des Wachstums ist der Naturkostfachhandel, der um acht Prozent zulegen konnte. Ein Zeichen, dass Verbraucher nicht nur die anonyme Bio-Ware im Discount, sondern zusätzlich Beratung und Fachinformationen verlangen. Thomas Dosch, Präsident von Bioland, bezeichnet das als „qualitatives Wachstum“.
Das Wachstum bei den einzelnen Bio-Produkten ist aber sehr unterschiedlich und gerade Fleischwaren und Wurst mussten ein Minus von rund sieben Prozent verzeichnen. Frischfleisch ohne Geflügel sogar noch mehr.
Trotzdem suchen ökologische Anbauverbände händeringend nach umstellungswilligen Schweinehaltern. Der Anteil von Ökoschweinen beträgt gerade einmal ein Prozent. Hier geht immer noch etwas. Zumal ab Hof jedes Kilo Schlachtgewicht rund doppelt so hoch entlohnt wird, wie auf dem konventionellen Markt. Der Preis von 2,88 Euro wurde zudem fast gleichmäßig über das Jahr 2010 ausgezahlt.
Verbraucher haben gelernt, was sie beim nächsten Lebensmittelskandal machen müssen. Das Stichwort Dioxin hat dem Naturkosthandel 12 Prozent mehr Kunden beschert, von denen nach Elke Röder, Geschäftsführerin vom Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) auch ein Drittel dem Biomarkt erhalten bleiben. Mit einem Umsatzplus von 15 Prozent im Januar und Februar hat sich die Branche einen Dioxin-Bonus zu Eigen gemacht. Das Fachgeschäft löst bei Verbrauchern das Vertrauen ein, dass sie sich vorher aufgebaut haben.
Die Nachfrageseite sendet auf jeden Fall Umstellungssignale aus. Auch wenn der Markt noch klein ist. Die Stabilität der Nachfrage resultiert aus der Anzahl von echten oder vermeintlichen Lebensmittelskandalen.

Fördergelder

Die widersprüchlichsten Signale für eine Umstellung kommen aus der Politik. Der Ökolandbau fand auf der Internationalen Agrarministerkonferenz auf der Grünen Woche keine Erwähnung, zur Biofach hingegen betonen Landesminister und Bundesministerin die Marktchancen. Die Fördergelder stehen kurz vor der Kürzung. Baden-Württemberg will nur noch bis 2011fördern, Bayern hingegen über die Reformzeit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hinaus. Jedes Bundesland hat eigene Fördersätze.
Was wirklich ab 2014 auf EU-Ebene passiert ist offen. Nach einer Umfrage des Johann Heinrich Thünen-Institut sind gerade die politischen „Wechsel-Kurse“ das Haupthemmnis für eine Umstellung. Nach Prof. Dr. Hiltrud Nieberg sind die Unsicherheiten gegenüber der EU-Agrarpolitik, der Förderpolitik und der Ausgestaltung bei Agrarumweltmaßnahmen größer als die Unwägbarkeiten der Gentechnik oder der Instabilität der Absatzmärkte. Nach Dr. Nieberg heißt das aber auch: Wer einen vertrauenswürdigen Markt hat, kann sich weniger um die politischen Rahmenbedingungen kümmern. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner warb auf der BioFach darum, die Produktion nicht „prämienfixiert“ auszurichten, sondern nach dem Markt.
In dem Zusammenhang hinterfragte der agrarpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Friedrich Ostendorff das Risiko: Nicht nur der neue Ökobauern trägt das Risiko der Marktnische, auch der konventionelle Schweinemäster trägt das nicht minder schwere Risiko der Exportabhängigkeit. Was passiert, wenn Russland seinen Markt für eine Weile schließt?

Die Hälfte der Schweine raus?

Nachfrage- und Politiksignale zeigen, dass eine Umstellung zunächst im Kopf beginnt. Einfach nur die Hälfte der Schweine aus dem Stall rausnehmen und die Wand für den Auslauf zu durchbrechen, reicht nicht.
Wenn der Wunsch schon mal da ist, folgt der Blick auf den eigenen Betrieb. Oft kann nur noch die Stallhülle für die neue Produktionsrichtung übernommen werden. Wer die letzte Intensivierungsform nicht mehr mitgemacht hat und einen Stall von vor 20 Jahren hat, der kommt mit weniger Umbau aus, erklärt Naturland-Fachberater Werner Vogt-Kaute. Ein erstes Beratungsgespräch zeigt manchem Umstellungswilligen Grenzen auf, die vorher nicht auf der Rechnung standen. Eingeschlossen in einer Dorflage oder der Stall umgeben von Flächen anderer Bauern bereitet dem Auslauf ein schnelles Ende. Oft sind es Neueinsteiger, die ihren Marktfruchtbetrieb mit bis zu 500 Mastschweinen diversifizieren wollen. Eine langsame Aufbaustrategie im Nischenmarkt. Konventionelle Schweinehalter aus Norddeutschland, die auch mit einem Auslauf arbeiten, haben es am einfachsten.
Oskar Wendt von der Erzeugergemeinschaft BioFleisch NordOst in Brandenburg differenziert zusätzlich: Mäster können bei niedrigeren Preisen auch schon mal eine Pause machen, Sauenhalter nicht. Dort wird das ganze Jahr geferkelt und die Halter tragen ein höheres Risiko – derzeit aber nicht, weil jetzt jedes Schwein einen Abnehmer findet. Vorbeugen ist dennoch angesagt. Nach Berater Vogt-Kaute sei man bei einem Ökoverband besser aufgehoben. Das merken die Bauern aber erst, wenn die Marktlage einmal schwierig wird.
Dr. Heinrich Graf von Bassewitz, zuständig für den Ökolandbau beim Deutschen Bauernverband, favorisiert die Verbandslandwirtschaft als „Bio-Plus“. Verbraucher zögern beim EU-Bio, das ihnen wegen der Importe weniger transparent erscheint. Für umstellungswillige allerdings heißt das: Komplettumstellung. Sowohl Wendt als auch Vogt-Kaute erklären, dass vom Futter über den Tierarzt bis zu anderen Betriebszweigen ebenso komplett auf Bio umgestellt sein müssen. Öko heißt auch Wende im Betrieb

Der Weg zum Verbraucher

Die Bio-Branche scheint Produktionslastig. Friedrich Ostendorff mahnte, dass die Bio-Bauern das Augenmerk zu sehr auf die Produktion legen würden. Das Vermarkten der Produkte weise Defizite auf.
Eine Erzeugergemeinschaft wie die BioFleisch NordOst hilft neuen Bauern. Wenn das Schwein den Hof verlassen hat, ist es in der erfahrenen Kette vom Viehandelskaufmann, Zerlegbetrieb bis hin zur bundesweiten Teilstückvermarktung eingebunden. Sowohl Wendt als auch Vogt-Kaute warnen vor blauäugiger Vermarktung. Die Mast muss Magerfleischorientiert sein und wenn das Kotelett doppelt so groß wird, wie in der konventionellen Produktion passt es nicht mehr in die Standardverpackung der üblichen Absatzkanäle.
Es gibt eine Reihe von gut funktionierenden Spezialvermarktungen, wie das Altmühltaler Lamm, das Rhön-Schaf oder das Weideschwein mit Eichelmast. Einzelbeispiele, die nur in Kooperation mit Vermarktern und Handel erfolgreich sind.
Der Weg in das Fleischerfachgeschäft ist schwierig. Nur vereinzelt finden Bauern und Metzger für ein Regionalkonzept zusammen, erklärt Dr. Wolfgang Lutz, Geschäftsführer des Deutschen Fleischer-Verbandes gegenüber Herd-und-Hof.de. Kooperationsbörsen gibt es nicht. Während Getreide und „Bio“ leicht zusammen finden, haben es Fleisch und „Bio“ ungleich schwerer. Dr. Lutz sieht drei Hürden für den gemeinsamen Weg: Beide Seiten haben mentale Berührungsängste und sind eingeschworene „Communities“. Erfolgreich können nur die besten Betriebe sein. Wer den Biomarkt als Rettungsanker aus einer konventionellen Misere sieht, der wird scheitern. Zudem leistet die Diskussion um den Fleischverzehr der Branche einen Bärendienst.
Dennoch: Eigene Schlachtung, eigene Verarbeitung, der handwerkliche Aspekt und regionale Herkünfte sind eine ausreichende Schnittmenge für Fleischerfachgeschäft und Ökobauern. Die Verbraucher wollen wieder mehr Lebensmittel aus der Region. Sie erwarten auch vom Tierhalter den Wandel vom Food-Manager hin zum Originalen. Dr. Lutz gibt dem Bio-Fleisch eine Zukunft. Die großen SB-Warenhäuser holen sich mit dem Shop-in-Shop-Konzept Image ins Haus und umgekehrt profitiert die Metzgerei vor der Kassenzeile von der Kundenfrequenz des Supermarktes. Dieses Kombi-Modell wird nach Aussage von Dr. Lutz verstärkt nachgefragt.

Wer hat Angst vor dem Tierschutz?

Das Jahr 2011 zeichnet sich durch eine große Tierschutzdebatte aus. Zwischen „Kuschelfarm“ und „seelenloser Industriemast“ können die Bauern immer nur etwas falsch machen. So wie derzeit die Politik das Landwirtschaftsbild von der Straße aufnimmt, gibt es zumindest einen sicheren Trend: Blaupausen der ökologischen Tierhaltung verändern eher die großen Betriebe, als umgekehrt. Der Schweizer Veterinär Dr. Jörg Spranger vom Goetheanum präsentierte auf der BioFach seine Mängelliste im Bio-Bereich. Die Strohauflage ist häufig zu dürftig, der Anteil Spaltenböden immer noch zu hoch, auch ökologische Geflügelställe haben nicht immer ausreichend Tageslicht und das EU-Bio fördert die Trennung zwischen Pflanzen- und Tierproduktion. Milchkühe haben meist nur in der Werbung Hörner und werden mit Ausnahme bei Demeter auch auf Biobetrieben enthornt.
„Bio“ sei die Definition des Abstandes zum konventionellen Betrieb, aber auch der Abstand „zum Wahren“ in der Tierhaltung, so Dr. Spranger. Für ihn gibt es zu viele „Kann- und Soll-Bestimmungen im Tierschutz“. Wie auch immer – eine dauerhafte Lösung wird es wohl nie geben.
Daher ist und bleibt die Entscheidung für eine Umstellung eine individuelle Überlegung. Wer dann wissen möchte, was auf ihn und den Betrieb zukommt, der sollte sich ausführlich auf den Umstellungsseminaren der verschiedenen Verbände informieren und erste konkrete Zahlen und Fakten für seinen Betriebe einholen.

Lesestoff:
Zahlen, Fakten, Daten: Die Bio-Branche 2011. Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Download auf www.boelw.de

Roland Krieg

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