Rettet die Fischereireform vor dem Fischkollaps?

Landwirtschaft

Vorschlag zur EU-Fischereireform zu dürftig

Dr. Rainer Froese, Fischereibiologe vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), schreibt in der aktuellen Ausgabe von Nature, dass die Fischereipolitik „ökologisch katastrophal, wirtschaftlich unsinnig, aus demokratischer Sicht fragwürdig“ sei. Alternativen wären schon lange bekannt. Eine Allianz aus Lobbygruppen, Landwirtschaftsministerium und nationalen Fischereiverwaltungen habe echte Reformen in den vergangenen Jahren verhindert, die aktuelle Fischereipolitik halte die Bestände „am Rande des Kollaps“. Froese sagt sogar, den deutschen Fischen gehe es schlechter als den Nachbarbeständen. Ursache ist der weit überhöhte Fischereidruck. Beispiele aus Neuseeland und Australien hingegen zeigen, dass gutes Management die Fischbestände erhöht, den Fischern wieder eine Zukunft gebe.

Bigger stocks mean bigger bucks

Australische Wirtschaftsforscher hatten vor Jahren die „win-win-situation“ für Fisch und Fischer beschrieben. Werde kurzfristig auf hohe Fangquoten verzichtet und bekommen die Fischer langjährige Fangrechte haben die Bestände Zeit, sich zu erholen. Sind mehr Fische vorhanden, sinkt auch der Treibstoffaufwand für die Fischerei.

Gleicher Hintergrund

Der Hintergrund zur EU-Fischereireform hört sich ähnlich an. Als Begründung für die Reform wird angeführt, dass drei von vier Beständen überfischt sind. Die Fangerträge gehen zurück, der Fangsektor stehe vor einer ungewissen Zukunft. Die Fangmenge müsse gesteuert werden, damit spätestens ab 2015 die Bestände auf einem nachhaltigen Niveau befischt werden. Dann soll gemäß dem Vorschlag der Vereinten Nationen die Menge des MSY gelten, dem höchstmöglichen Dauerertrag (maximum sustainable yield).
Die EU geht davon aus, dass die Bestände um 70 Prozent ansteigen, die Fangerträge um 17 Prozent, die Gewinnspannen sich verdreifachen, die Rendite wächst um das sechsfache. Der Branche soll mit der Reform in den nächsten zehn Jahren 2,7 Milliarden Euro mehr im Netz haben.
Ab 2014 soll es ein System übertragbarer Fanganteile geben. Die Mitgliedsstaaten teilen sich nach allgemeinen und transparenten Richtlinien die Fischereibefugnisse zu. So soll jedes Land einen festen Anspruch auf seinen Fanganteil haben.

Was auf dem Tisch liegt

Vor diesem Hintergrund hat die EU am Mittwoch einen Reformvorschlag vorgelegt. EU-Kommissarin Maria Damanaki, zuständig für Fischerei und maritime Angelegenheiten, sagte: „Wir müssen handeln, um alle Fischbestände wieder in einen gesunden Zustand zu bringen. Wenn wir diese Reform richtig anpacken, werden Fischer und Küstengemeinden davon auf lange Sicht profitieren. Und alle Europäer werden eine größere Auswahl an frischem Wild- und Zuchtfisch haben.“
Daher sieht der Reformvorschlag die nachhaltige Fischerei für das Jahr 2015 vor, die nach wissenschaftlichen Grundsätzen erfolgt. Rückwürfe unerwünschten Beifangs sind verboten. Alles was ins Netz geht, muss angelandet werden. Die Fanganteile werden handelbar, die Verbraucher besser über die Fischerei informiert.
Brüssel gibt nur noch allgemeine Grundsätze vor, die einzelnen erhaltungsmaßnahmen müssen die Mitgliedsländer selbst beschließen. Diese Lösungen sollen den regionalen Bedürfnissen entgegenkommen. Damit müssen auch die Betreibe der Fangflotten selbst über deren Größe entscheiden, Fischereiorganisationen sollen das Angebot besser steuern.
Finanzhilfen sollen nur noch ausgezahlt werden, wenn umweltfreundliche Initiativen umgesetzt werden. Illegaler Fischfang und Überkapazitäten werden strenger kontrolliert.

Gegenwind und Rückenwind

Struan Stevenson, Mitglied des Europaparlaments (Konservativ), sieht in den Reformvorschlägen vor allem alte Forderungen wie Maschengröße und Rückwurfverbot realisiert. Der Europalinke Jaoa Ferreira fürchtet, dass private Fangrechte über allgemeine Güter wie die Fischbestände gestellt werden. Der Ire Pat the cope Gallagher (Liberale) fürchtet, dass vor Irland nur noch große internationale Fangflotten auf Fischfang gehen.

Ocean2012, ein Dachverband von Umweltverbänden, kritisiert den Vorschlag im Vergleich zu den Ankündigungen als zu wenig radikal. Die wissenschaftliche Fanggrundlage könne nach Koordinatorin Uta Bellion der Überfischung Einhalt gebieten, aber wie die teilweise dreifach überdimensionierte Fischereiflotte verringert werden könnte, werde nicht beschrieben. Kapazitätsobergrenzen wären eine bessere Idee gewesen. Stattdessen werde die Flotte durch eine „Quasi-Privatisierung der Fischereiressourcen verkleinert.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hingegen begrüßt die Vorschläge, die in Richtung nachhaltige Bewirtschaftung gingen. Vor allem das Rückwurfverbot werde „dem unnötigen Sterben von Meerestieren ein Ende setzen“. Zufrieden zeigt sich Aigner auch mit dem Beibehalten des Prinzips der relativen Stabilität. Hier behalten die Mitgliedsländer gleich bleibende Anteile an den beschlossenen Fangmengen. Für die Verbraucher erwartet Aigner ein einheitliches Nachhaltigkeitssiegel.

Schleswig-Holsteins Fischereiministerin Dr. Juliane Rumpf sieht Nachbesserungsbedarf. Gerade in ihrem Bundesland gebe es überwiegend handwerkliche Fischereibetriebe, die kaum Überkapazitäten aufweisen. Die Fischer leiden mehr unter den niedrigen Preisen. Die handelbaren Quoten bergen nach Dr. Rumpf die Gefahr, dass sich die Fangrechte auf kapitalstarke Fischereiunternehmen konzentrieren. Ein totales Rückwurfverbot lehnt sie ab. Ein Großteil der von den Krabbenfischern wieder über Bord geworfenen Mengen bestehe aus überlebensfähigen kleinen Krabben und Plattfischen. Hier müsse es eine eigene Regelung geben. Mit sorgen betrachtet Rumpf auch die angekündigten strengeren Kontrollen. Für die Fischereiverwaltung entstehe ein erheblicher Mehraufwand, der nicht mit dem Ziel des Bürokratieabbaus vereinbar sei.

Noch skeptischer ist Dr. Till Backhaus, Fischereiminister in Mecklenburg-Vorpommern. „Grundlegende Verbesserungen in Form einer deutlichen Reduzierung der Bürokratie sind nicht zu erkennen“, sagte er in einer ersten Stellungnahme. Auch bei den Managementplänen bleibt er skeptisch. Mecklenburg-Vorpommern habe eigenständig ein Heringsmanagement entwickelt, der die Situation der Fischer kurzfristig aber auch nicht verbessere, weil die Meere überfischt sind. Es müssen mehrjährige Managementpläne her und weitere Fangbeschränkungen. Nur dann haben die Fischer auch eine langfristige Perspektive. Das Anlanden aller Fänge, also auch des Beifangs, mache nur Sinn, wenn es eine Quote gibt, auf die der Fang angerechnet werden kann, so Dr. Backhaus. Beim Dorsch werden bereits übertragbare Quoten praktiziert. Beim EU-Vorschlag bleibt unklar, auf welche Fischarten sich das beziehe. Würden die Arten ohne Quoten einbezogen, dann erhöhe sich die Bürokratie weiterhin.

Roland Krieg, Fotos: Dr. Rainer Froese (Jan Steffen/IFM-GEOMAR); Krabbenkutter: roRo

Zurück